Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Blendwerk für den niedrigsten Pöbel, und,
wenn es seyn könnte, für die Ultramonta¬
ner, und sie waren liberal genug, jedem fei¬
nen und gebildeten Italiänischen Manne zu
erlauben, daß er über diese Dinge eben so
dächte, redete und schriebe, wie sie selbst un¬
ter sich darüber redeten. Den gebildeten
Mann wollten sie nicht betrügen, und der
Pöbel las nicht. Eben so leicht ist zu erklä¬
ren, warum späterhin andere Maasregeln
nöthig wurden. Die Reformatoren lehrten
das dentsche Volk lesen, sie beriefen sich auf
solche Schriftsteller, die unter den Augen der
Päbste geschrieben hatten, das Beispiel des
Lesens wurde ansteckend für die andern Län¬
der, und jetzt wurden die Schriftsteller eine
furchtbare, und eben darum unter strengere
Aufsicht zu nehmende Macht.

Auch diese Zeiten sind vorüber, und es
werden dermalen, zumal in protestantischen
Staaten, manche Zweige der Schrifstellerei,
z. B. philosophische Aufstellung allgemeiner

Blendwerk fuͤr den niedrigſten Poͤbel, und,
wenn es ſeyn koͤnnte, fuͤr die Ultramonta¬
ner, und ſie waren liberal genug, jedem fei¬
nen und gebildeten Italiaͤniſchen Manne zu
erlauben, daß er uͤber dieſe Dinge eben ſo
daͤchte, redete und ſchriebe, wie ſie ſelbſt un¬
ter ſich daruͤber redeten. Den gebildeten
Mann wollten ſie nicht betruͤgen, und der
Poͤbel las nicht. Eben ſo leicht iſt zu erklaͤ¬
ren, warum ſpaͤterhin andere Maasregeln
noͤthig wurden. Die Reformatoren lehrten
das dentſche Volk leſen, ſie beriefen ſich auf
ſolche Schriftſteller, die unter den Augen der
Paͤbſte geſchrieben hatten, das Beiſpiel des
Leſens wurde anſteckend fuͤr die andern Laͤn¬
der, und jetzt wurden die Schriftſteller eine
furchtbare, und eben darum unter ſtrengere
Aufſicht zu nehmende Macht.

Auch dieſe Zeiten ſind voruͤber, und es
werden dermalen, zumal in proteſtantiſchen
Staaten, manche Zweige der Schrifſtellerei,
z. B. philoſophiſche Aufſtellung allgemeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="11"/>
Blendwerk fu&#x0364;r den niedrig&#x017F;ten Po&#x0364;bel, und,<lb/>
wenn es &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, fu&#x0364;r die Ultramonta¬<lb/>
ner, und &#x017F;ie waren liberal genug, jedem fei¬<lb/>
nen und gebildeten Italia&#x0364;ni&#x017F;chen Manne zu<lb/>
erlauben, daß er u&#x0364;ber die&#x017F;e Dinge eben &#x017F;o<lb/>
da&#x0364;chte, redete und &#x017F;chriebe, wie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t un¬<lb/>
ter &#x017F;ich daru&#x0364;ber redeten. Den gebildeten<lb/>
Mann wollten &#x017F;ie nicht betru&#x0364;gen, und der<lb/>
Po&#x0364;bel las nicht. Eben &#x017F;o leicht i&#x017F;t zu erkla&#x0364;¬<lb/>
ren, warum &#x017F;pa&#x0364;terhin andere Maasregeln<lb/>
no&#x0364;thig wurden. Die Reformatoren lehrten<lb/>
das dent&#x017F;che Volk le&#x017F;en, &#x017F;ie beriefen &#x017F;ich auf<lb/>
&#x017F;olche Schrift&#x017F;teller, die unter den Augen der<lb/>
Pa&#x0364;b&#x017F;te ge&#x017F;chrieben hatten, das Bei&#x017F;piel des<lb/>
Le&#x017F;ens wurde an&#x017F;teckend fu&#x0364;r die andern La&#x0364;<lb/>
der, und jetzt wurden die Schrift&#x017F;teller eine<lb/>
furchtbare, und eben darum unter &#x017F;trengere<lb/>
Auf&#x017F;icht zu nehmende Macht.</p><lb/>
          <p>Auch die&#x017F;e Zeiten &#x017F;ind voru&#x0364;ber, und es<lb/>
werden dermalen, zumal in prote&#x017F;tanti&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#g">Staaten</hi>, manche Zweige der Schrif&#x017F;tellerei,<lb/>
z. B. philo&#x017F;ophi&#x017F;che Auf&#x017F;tellung allgemeiner<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] Blendwerk fuͤr den niedrigſten Poͤbel, und, wenn es ſeyn koͤnnte, fuͤr die Ultramonta¬ ner, und ſie waren liberal genug, jedem fei¬ nen und gebildeten Italiaͤniſchen Manne zu erlauben, daß er uͤber dieſe Dinge eben ſo daͤchte, redete und ſchriebe, wie ſie ſelbſt un¬ ter ſich daruͤber redeten. Den gebildeten Mann wollten ſie nicht betruͤgen, und der Poͤbel las nicht. Eben ſo leicht iſt zu erklaͤ¬ ren, warum ſpaͤterhin andere Maasregeln noͤthig wurden. Die Reformatoren lehrten das dentſche Volk leſen, ſie beriefen ſich auf ſolche Schriftſteller, die unter den Augen der Paͤbſte geſchrieben hatten, das Beiſpiel des Leſens wurde anſteckend fuͤr die andern Laͤn¬ der, und jetzt wurden die Schriftſteller eine furchtbare, und eben darum unter ſtrengere Aufſicht zu nehmende Macht. Auch dieſe Zeiten ſind voruͤber, und es werden dermalen, zumal in proteſtantiſchen Staaten, manche Zweige der Schrifſtellerei, z. B. philoſophiſche Aufſtellung allgemeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/17
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/17>, abgerufen am 19.04.2024.