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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Darstel. d. obersten Grunds. d. Criminalr.
letzungen jeder Art dem Staatszweck, mithin
ist es schlechthin nothwendig, dass im Staate
gar keine Rechtsverletzungen geschehen.
Durch
eine Beleidigung (der Staat selbst, oder ein
Glied desselben sey der Gegenstand der Belei-
digung) wird immer der Staat selbst, wenig-
stens mittelbar beleidigt.

§. 11.

Widersprechen Rechtsverletzungen dem
rechtlichen Zustand und dem Staatszweck
(§. 10.); so ist der Staat berechtigt und verbun-
den, Anstalten zu treffen, durch welche Rechts-
verletzungen überhaupt unmöglich gemacht wer-
den.
-- Und nun ist das Problem: wie dieses
möglich sey?

§. 12.

Die gefoderten Anstalten des Staats müs-
sen nothwendig Zwangsanstalten seyn. Es
lässt sich aber ein doppelter Zwang zur Ver-
hinderung von Rechtsverletzungen denken:
1) physischer Zwang, wenn die äussern Kräfte
des Gesetzwidrigen nach mechanischen Ge-
setzen zur Gesetzmässigkeit genöthigt werden,
2) psychologischer Zwang, wenn durch blosse
Vorstellungen das Begehrungsvermögen [(]der
Wille) zur Unterlassung der gesetzwidrigen
Handlungen bestimmt wird.

§. 13.

Wer die Leistung nicht erfüllt, auf welche
ein anderer ein vollkommnes Recht hat, be-
geht eine negative Rechtsverletzung. Und
Rechtsverletzungen dieser Art können durch

physi-

Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr.
letzungen jeder Art dem Staatszweck, mithin
iſt es ſchlechthin nothwendig, daſs im Staate
gar keine Rechtsverletzungen geſchehen.
Durch
eine Beleidigung (der Staat ſelbſt, oder ein
Glied deſſelben ſey der Gegenſtand der Belei-
digung) wird immer der Staat ſelbſt, wenig-
ſtens mittelbar beleidigt.

§. 11.

Widerſprechen Rechtsverletzungen dem
rechtlichen Zuſtand und dem Staatszweck
(§. 10.); ſo iſt der Staat berechtigt und verbun-
den, Anſtalten zu treffen, durch welche Rechts-
verletzungen überhaupt unmöglich gemacht wer-
den.
— Und nun iſt das Problem: wie dieſes
möglich ſey?

§. 12.

Die gefoderten Anſtalten des Staats müſ-
ſen nothwendig Zwangsanſtalten ſeyn. Es
läſst ſich aber ein doppelter Zwang zur Ver-
hinderung von Rechtsverletzungen denken:
1) phyſiſcher Zwang, wenn die äuſſern Kräfte
des Geſetzwidrigen nach mechaniſchen Ge-
ſetzen zur Geſetzmäſsigkeit genöthigt werden,
2) pſychologiſcher Zwang, wenn durch bloſse
Vorſtellungen das Begehrungsvermögen [(]der
Wille) zur Unterlaſſung der geſetzwidrigen
Handlungen beſtimmt wird.

§. 13.

Wer die Leiſtung nicht erfüllt, auf welche
ein anderer ein vollkommnes Recht hat, be-
geht eine negative Rechtsverletzung. Und
Rechtsverletzungen dieſer Art können durch

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[13/0041] Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. letzungen jeder Art dem Staatszweck, mithin iſt es ſchlechthin nothwendig, daſs im Staate gar keine Rechtsverletzungen geſchehen. Durch eine Beleidigung (der Staat ſelbſt, oder ein Glied deſſelben ſey der Gegenſtand der Belei- digung) wird immer der Staat ſelbſt, wenig- ſtens mittelbar beleidigt. §. 11. Widerſprechen Rechtsverletzungen dem rechtlichen Zuſtand und dem Staatszweck (§. 10.); ſo iſt der Staat berechtigt und verbun- den, Anſtalten zu treffen, durch welche Rechts- verletzungen überhaupt unmöglich gemacht wer- den. — Und nun iſt das Problem: wie dieſes möglich ſey? §. 12. Die gefoderten Anſtalten des Staats müſ- ſen nothwendig Zwangsanſtalten ſeyn. Es läſst ſich aber ein doppelter Zwang zur Ver- hinderung von Rechtsverletzungen denken: 1) phyſiſcher Zwang, wenn die äuſſern Kräfte des Geſetzwidrigen nach mechaniſchen Ge- ſetzen zur Geſetzmäſsigkeit genöthigt werden, 2) pſychologiſcher Zwang, wenn durch bloſse Vorſtellungen das Begehrungsvermögen (der Wille) zur Unterlaſſung der geſetzwidrigen Handlungen beſtimmt wird. §. 13. Wer die Leiſtung nicht erfüllt, auf welche ein anderer ein vollkommnes Recht hat, be- geht eine negative Rechtsverletzung. Und Rechtsverletzungen dieſer Art können durch phyſi-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/41>, abgerufen am 28.03.2024.