Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen, so wenig als ich, gegen das hodie mihi
cras tibi
sicher ist, sobald der Beobachter bei ihm
eben so viel oder noch mehr als bei mir zu ver-
dienen hoffen kann. Wozu sollte also eine gericht-
liche Belangung des so väterlich für das Bedürf-
niß des Pöbels aller Stände sorgenden Beobach-
ters an der Spree führen? -- Meine Ehre zu
retten. -- Vor wem? -- vor dem Publicum?
das Publicum besteht aus Volk und aus
Pöbel; das Volk, aus meinen Freunden, aus
meinen Feinden und aus Menschen die mich
nicht kennen
. Das wären mir aber saubere
Freunde, bei denen ich die Ehre meiner Persön-
lichkeit und meiner häuslichen Verhältnisse erst
durch einen Richterspruch gegen den Beobachter
an der Spree retten müßte. Meine Feinde sind
entweder noch selbstständig genug, um sich durch
Beobachter, Berlinische Blätter, Taschenbücher und
Tobaksdosen-Gemählde zu keinem Urtheile über
meine Persönlichkeit und häuslichen Verhältnisse
bestimmen zu lassen; oder wenn sie dieser Dinge
als eines höchstnöthigen Surrogats ihres schwachen
Verstandes bedürften, würde sie kein richterlicher
Ausspruch von ihrem Glauben an die ihnen so hei-
ligen Blätter abtrünnig machen. Bei Menschen,
die mich nicht kennen
, haben meine Persön-
lichkeit und meine häuslichen Verhältnisse überall
noch keine Ehre begründen können. Ein publicir-
ter richterlicher Ausspruch würde nicht hinreichen,
um ihnen mich und meine häuslichen Verhältnisse
bekannt zu machen: immer müßten sie noch, ent-

ihnen, ſo wenig als ich, gegen das hodie mihi
cras tibi
ſicher iſt, ſobald der Beobachter bei ihm
eben ſo viel oder noch mehr als bei mir zu ver-
dienen hoffen kann. Wozu ſollte alſo eine gericht-
liche Belangung des ſo vaͤterlich fuͤr das Beduͤrf-
niß des Poͤbels aller Staͤnde ſorgenden Beobach-
ters an der Spree fuͤhren? — Meine Ehre zu
retten. — Vor wem? — vor dem Publicum?
das Publicum beſteht aus Volk und aus
Poͤbel; das Volk, aus meinen Freunden, aus
meinen Feinden und aus Menſchen die mich
nicht kennen
. Das waͤren mir aber ſaubere
Freunde, bei denen ich die Ehre meiner Perſoͤn-
lichkeit und meiner haͤuslichen Verhaͤltniſſe erſt
durch einen Richterſpruch gegen den Beobachter
an der Spree retten muͤßte. Meine Feinde ſind
entweder noch ſelbſtſtaͤndig genug, um ſich durch
Beobachter, Berliniſche Blaͤtter, Taſchenbuͤcher und
Tobaksdoſen-Gemaͤhlde zu keinem Urtheile uͤber
meine Perſoͤnlichkeit und haͤuslichen Verhaͤltniſſe
beſtimmen zu laſſen; oder wenn ſie dieſer Dinge
als eines hoͤchſtnoͤthigen Surrogats ihres ſchwachen
Verſtandes beduͤrften, wuͤrde ſie kein richterlicher
Ausſpruch von ihrem Glauben an die ihnen ſo hei-
ligen Blaͤtter abtruͤnnig machen. Bei Menſchen,
die mich nicht kennen
, haben meine Perſoͤn-
lichkeit und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe uͤberall
noch keine Ehre begruͤnden koͤnnen. Ein publicir-
ter richterlicher Ausſpruch wuͤrde nicht hinreichen,
um ihnen mich und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe
bekannt zu machen: immer muͤßten ſie noch, ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="121"/>
ihnen, &#x017F;o wenig als ich, gegen das <hi rendition="#aq">hodie mihi<lb/>
cras tibi</hi> &#x017F;icher i&#x017F;t, &#x017F;obald der Beobachter bei ihm<lb/>
eben &#x017F;o viel oder noch mehr als bei mir zu ver-<lb/>
dienen hoffen kann. Wozu &#x017F;ollte al&#x017F;o eine gericht-<lb/>
liche Belangung des &#x017F;o va&#x0364;terlich fu&#x0364;r das Bedu&#x0364;rf-<lb/>
niß des Po&#x0364;bels aller Sta&#x0364;nde &#x017F;orgenden Beobach-<lb/>
ters an der Spree fu&#x0364;hren? &#x2014; Meine Ehre zu<lb/>
retten. &#x2014; Vor wem? &#x2014; vor dem <hi rendition="#g">Publicum</hi>?<lb/>
das <hi rendition="#g">Publicum</hi> be&#x017F;teht aus <hi rendition="#g">Volk</hi> und aus<lb/><hi rendition="#g">Po&#x0364;bel</hi>; das <hi rendition="#g">Volk</hi>, aus meinen <hi rendition="#g">Freunden</hi>, aus<lb/>
meinen <hi rendition="#g">Feinden</hi> und aus <hi rendition="#g">Men&#x017F;chen die mich<lb/>
nicht kennen</hi>. Das wa&#x0364;ren mir aber &#x017F;aubere<lb/><hi rendition="#g">Freunde</hi>, bei denen ich die Ehre meiner Per&#x017F;o&#x0364;n-<lb/>
lichkeit und meiner ha&#x0364;uslichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e er&#x017F;t<lb/>
durch einen Richter&#x017F;pruch gegen den Beobachter<lb/>
an der Spree retten mu&#x0364;ßte. Meine <hi rendition="#g">Feinde</hi> &#x017F;ind<lb/>
entweder noch &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndig genug, um &#x017F;ich durch<lb/>
Beobachter, Berlini&#x017F;che Bla&#x0364;tter, Ta&#x017F;chenbu&#x0364;cher und<lb/>
Tobaksdo&#x017F;en-Gema&#x0364;hlde zu keinem Urtheile u&#x0364;ber<lb/>
meine Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit und ha&#x0364;uslichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;timmen zu la&#x017F;&#x017F;en; oder wenn &#x017F;ie die&#x017F;er Dinge<lb/>
als eines ho&#x0364;ch&#x017F;tno&#x0364;thigen Surrogats ihres &#x017F;chwachen<lb/>
Ver&#x017F;tandes bedu&#x0364;rften, wu&#x0364;rde &#x017F;ie kein richterlicher<lb/>
Aus&#x017F;pruch von ihrem Glauben an die ihnen &#x017F;o hei-<lb/>
ligen Bla&#x0364;tter abtru&#x0364;nnig machen. Bei <hi rendition="#g">Men&#x017F;chen,<lb/>
die mich nicht kennen</hi>, haben meine Per&#x017F;o&#x0364;n-<lb/>
lichkeit und meine ha&#x0364;uslichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;berall<lb/>
noch keine Ehre begru&#x0364;nden ko&#x0364;nnen. Ein publicir-<lb/>
ter richterlicher Aus&#x017F;pruch wu&#x0364;rde nicht hinreichen,<lb/>
um ihnen mich und meine ha&#x0364;uslichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bekannt zu machen: immer mu&#x0364;ßten &#x017F;ie noch, ent-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0143] ihnen, ſo wenig als ich, gegen das hodie mihi cras tibi ſicher iſt, ſobald der Beobachter bei ihm eben ſo viel oder noch mehr als bei mir zu ver- dienen hoffen kann. Wozu ſollte alſo eine gericht- liche Belangung des ſo vaͤterlich fuͤr das Beduͤrf- niß des Poͤbels aller Staͤnde ſorgenden Beobach- ters an der Spree fuͤhren? — Meine Ehre zu retten. — Vor wem? — vor dem Publicum? das Publicum beſteht aus Volk und aus Poͤbel; das Volk, aus meinen Freunden, aus meinen Feinden und aus Menſchen die mich nicht kennen. Das waͤren mir aber ſaubere Freunde, bei denen ich die Ehre meiner Perſoͤn- lichkeit und meiner haͤuslichen Verhaͤltniſſe erſt durch einen Richterſpruch gegen den Beobachter an der Spree retten muͤßte. Meine Feinde ſind entweder noch ſelbſtſtaͤndig genug, um ſich durch Beobachter, Berliniſche Blaͤtter, Taſchenbuͤcher und Tobaksdoſen-Gemaͤhlde zu keinem Urtheile uͤber meine Perſoͤnlichkeit und haͤuslichen Verhaͤltniſſe beſtimmen zu laſſen; oder wenn ſie dieſer Dinge als eines hoͤchſtnoͤthigen Surrogats ihres ſchwachen Verſtandes beduͤrften, wuͤrde ſie kein richterlicher Ausſpruch von ihrem Glauben an die ihnen ſo hei- ligen Blaͤtter abtruͤnnig machen. Bei Menſchen, die mich nicht kennen, haben meine Perſoͤn- lichkeit und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe uͤberall noch keine Ehre begruͤnden koͤnnen. Ein publicir- ter richterlicher Ausſpruch wuͤrde nicht hinreichen, um ihnen mich und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe bekannt zu machen: immer muͤßten ſie noch, ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/143
Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/143>, abgerufen am 25.04.2024.