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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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speisen und kleiden; der Staatsbeamte verwaltet
das Recht, das ohne ihn die Gemeine selbst ver-
walten müßte, und der Krieger vertheidigt den
Wehrlosen, der ihn ernährt, gegen fremde Gewalt.

Jeder Einzelne bildet sich nun vorzüg-
lich nur für den Stand, den er gewählt
hat
. Von Jugend auf wird er durch Wahl oder
Zufälligkeiten ausschließlich für eine Lebensart be-
stimmt, die Erziehung wird für die beste gehal-
ten, die den Knaben am zweckmäßigsten auf sei-
nen künftigen Beruf vorbereitet; alles das bleibt
zur Seite liegen, was mit diesem nicht in der
nächsten Beziehung steht, oder was in ihm, wie
man sagt, nicht gebraucht werden kann. Der
zum Gelehrten bestimmte Jüngling verwendet
seine ganze Zeit auf Erlernung der Sprachen und
Wissenschaften, und zwar mit Auswahl derer, die
zum künftigen Broderwerb erforderlich sind, sogar
mit sorgfältiger Beseitigung derer, die die Bil-
dung zum Gelehrten im allgemeinen erfordert.
Alle übrigen Lebensarten und Geschäfte sind ihm
fremd, wie diese sich unter einander fremd sind.
Der Arzt hat seine ganze Aufmerksamkeit nur auf
die Medicin, der Jurist auf die Gesetzgebung sei-
nes Landes, der Kaufmann auf den bestimmten
Zweig seines Handels, der Fabrikant nur auf die
Hervorbringung seines Fabrikats gerichtet. In
seinem Fache weiß er das Nöthige, und zwar mit
größerer Klarheit und Gründlichkeit; es ist ihm
dies also besonders lieb, er betrachtet es als sein
erworbnes Eigenthum; er lebt in ihm, wie in ei-

ſpeiſen und kleiden; der Staatsbeamte verwaltet
das Recht, das ohne ihn die Gemeine ſelbſt ver-
walten muͤßte, und der Krieger vertheidigt den
Wehrloſen, der ihn ernaͤhrt, gegen fremde Gewalt.

Jeder Einzelne bildet ſich nun vorzuͤg-
lich nur fuͤr den Stand, den er gewaͤhlt
hat
. Von Jugend auf wird er durch Wahl oder
Zufaͤlligkeiten ausſchließlich fuͤr eine Lebensart be-
ſtimmt, die Erziehung wird fuͤr die beſte gehal-
ten, die den Knaben am zweckmaͤßigſten auf ſei-
nen kuͤnftigen Beruf vorbereitet; alles das bleibt
zur Seite liegen, was mit dieſem nicht in der
naͤchſten Beziehung ſteht, oder was in ihm, wie
man ſagt, nicht gebraucht werden kann. Der
zum Gelehrten beſtimmte Juͤngling verwendet
ſeine ganze Zeit auf Erlernung der Sprachen und
Wiſſenſchaften, und zwar mit Auswahl derer, die
zum kuͤnftigen Broderwerb erforderlich ſind, ſogar
mit ſorgfaͤltiger Beſeitigung derer, die die Bil-
dung zum Gelehrten im allgemeinen erfordert.
Alle uͤbrigen Lebensarten und Geſchaͤfte ſind ihm
fremd, wie dieſe ſich unter einander fremd ſind.
Der Arzt hat ſeine ganze Aufmerkſamkeit nur auf
die Medicin, der Juriſt auf die Geſetzgebung ſei-
nes Landes, der Kaufmann auf den beſtimmten
Zweig ſeines Handels, der Fabrikant nur auf die
Hervorbringung ſeines Fabrikats gerichtet. In
ſeinem Fache weiß er das Noͤthige, und zwar mit
groͤßerer Klarheit und Gruͤndlichkeit; es iſt ihm
dies alſo beſonders lieb, er betrachtet es als ſein
erworbnes Eigenthum; er lebt in ihm, wie in ei-

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[25/0043] ſpeiſen und kleiden; der Staatsbeamte verwaltet das Recht, das ohne ihn die Gemeine ſelbſt ver- walten muͤßte, und der Krieger vertheidigt den Wehrloſen, der ihn ernaͤhrt, gegen fremde Gewalt. Jeder Einzelne bildet ſich nun vorzuͤg- lich nur fuͤr den Stand, den er gewaͤhlt hat. Von Jugend auf wird er durch Wahl oder Zufaͤlligkeiten ausſchließlich fuͤr eine Lebensart be- ſtimmt, die Erziehung wird fuͤr die beſte gehal- ten, die den Knaben am zweckmaͤßigſten auf ſei- nen kuͤnftigen Beruf vorbereitet; alles das bleibt zur Seite liegen, was mit dieſem nicht in der naͤchſten Beziehung ſteht, oder was in ihm, wie man ſagt, nicht gebraucht werden kann. Der zum Gelehrten beſtimmte Juͤngling verwendet ſeine ganze Zeit auf Erlernung der Sprachen und Wiſſenſchaften, und zwar mit Auswahl derer, die zum kuͤnftigen Broderwerb erforderlich ſind, ſogar mit ſorgfaͤltiger Beſeitigung derer, die die Bil- dung zum Gelehrten im allgemeinen erfordert. Alle uͤbrigen Lebensarten und Geſchaͤfte ſind ihm fremd, wie dieſe ſich unter einander fremd ſind. Der Arzt hat ſeine ganze Aufmerkſamkeit nur auf die Medicin, der Juriſt auf die Geſetzgebung ſei- nes Landes, der Kaufmann auf den beſtimmten Zweig ſeines Handels, der Fabrikant nur auf die Hervorbringung ſeines Fabrikats gerichtet. In ſeinem Fache weiß er das Noͤthige, und zwar mit groͤßerer Klarheit und Gruͤndlichkeit; es iſt ihm dies alſo beſonders lieb, er betrachtet es als ſein erworbnes Eigenthum; er lebt in ihm, wie in ei-

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/43>, abgerufen am 25.04.2024.