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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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wir göttlich, teufelisch, thierisch nennen, ist nichts --
als menschlich. Was nicht in dem Zwecke der
möglichst grösten Ausbildung enthalten ist, was
sich auf ihn nicht bezieht, oder sich zu ihm ent-
weder als Theil oder als Mittel verhält, kann
der Zweck keines Menschen seyn, kann sich
der Weise und Tugendhafte weder im Allgemein-
sten noch im besondersten Falle, als Zweck, setzen;
was über oder unter der Menschheit liegt, liegt
außer den Kreisen seines Denkens, Strebens
und Thuns.

In irgend einem Maaße wird jener Zweck in
allen Menschen, ohne daß sie ihn deutlich denken
und absichtlich befördern, blos durch ihre Geburt
zum Lichte des Tages, und durch ihr Leben in
der Gesellschaft erreicht. Es scheint, als ob es
nicht ihr Zweck, sondern ein Zweck mit ihnen
wäre. Aber der Besonnene denkt sich ihn deut-
lich, es ist sein Zweck, ihn macht er sich zum be-
dachten Ziele alles seines Thuns.

Wie wird er in der großen menschlichen Ge-
sellschaft befördert? Wirkt alles gradezu und ohne
Umwege, mit vereinigten Kräften auf ihn hin?
So scheint es nicht. Sie denkt und arbeitet nicht
mit der Klarheit und Besonnenheit, wie der ein-
zelne Weise; auf ihr lasten die Schulden der Vor-
welt, und mit dieser Sühne beschäftigt, hat sie
kaum Zeit, für eine Nachkommenschaft zu arbei-
ten, die wieder für eine andere zu arbeiten haben
wird. Sie muß den großen Kampf bestehen, mit
der widerspenstigen Natur und der trägen Zeit;

wir goͤttlich, teufeliſch, thieriſch nennen, iſt nichts —
als menſchlich. Was nicht in dem Zwecke der
moͤglichſt groͤſten Ausbildung enthalten iſt, was
ſich auf ihn nicht bezieht, oder ſich zu ihm ent-
weder als Theil oder als Mittel verhaͤlt, kann
der Zweck keines Menſchen ſeyn, kann ſich
der Weiſe und Tugendhafte weder im Allgemein-
ſten noch im beſonderſten Falle, als Zweck, ſetzen;
was uͤber oder unter der Menſchheit liegt, liegt
außer den Kreiſen ſeines Denkens, Strebens
und Thuns.

In irgend einem Maaße wird jener Zweck in
allen Menſchen, ohne daß ſie ihn deutlich denken
und abſichtlich befoͤrdern, blos durch ihre Geburt
zum Lichte des Tages, und durch ihr Leben in
der Geſellſchaft erreicht. Es ſcheint, als ob es
nicht ihr Zweck, ſondern ein Zweck mit ihnen
waͤre. Aber der Beſonnene denkt ſich ihn deut-
lich, es iſt ſein Zweck, ihn macht er ſich zum be-
dachten Ziele alles ſeines Thuns.

Wie wird er in der großen menſchlichen Ge-
ſellſchaft befoͤrdert? Wirkt alles gradezu und ohne
Umwege, mit vereinigten Kraͤften auf ihn hin?
So ſcheint es nicht. Sie denkt und arbeitet nicht
mit der Klarheit und Beſonnenheit, wie der ein-
zelne Weiſe; auf ihr laſten die Schulden der Vor-
welt, und mit dieſer Suͤhne beſchaͤftigt, hat ſie
kaum Zeit, fuͤr eine Nachkommenſchaft zu arbei-
ten, die wieder fuͤr eine andere zu arbeiten haben
wird. Sie muß den großen Kampf beſtehen, mit
der widerſpenſtigen Natur und der traͤgen Zeit;

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[23/0041] wir goͤttlich, teufeliſch, thieriſch nennen, iſt nichts — als menſchlich. Was nicht in dem Zwecke der moͤglichſt groͤſten Ausbildung enthalten iſt, was ſich auf ihn nicht bezieht, oder ſich zu ihm ent- weder als Theil oder als Mittel verhaͤlt, kann der Zweck keines Menſchen ſeyn, kann ſich der Weiſe und Tugendhafte weder im Allgemein- ſten noch im beſonderſten Falle, als Zweck, ſetzen; was uͤber oder unter der Menſchheit liegt, liegt außer den Kreiſen ſeines Denkens, Strebens und Thuns. In irgend einem Maaße wird jener Zweck in allen Menſchen, ohne daß ſie ihn deutlich denken und abſichtlich befoͤrdern, blos durch ihre Geburt zum Lichte des Tages, und durch ihr Leben in der Geſellſchaft erreicht. Es ſcheint, als ob es nicht ihr Zweck, ſondern ein Zweck mit ihnen waͤre. Aber der Beſonnene denkt ſich ihn deut- lich, es iſt ſein Zweck, ihn macht er ſich zum be- dachten Ziele alles ſeines Thuns. Wie wird er in der großen menſchlichen Ge- ſellſchaft befoͤrdert? Wirkt alles gradezu und ohne Umwege, mit vereinigten Kraͤften auf ihn hin? So ſcheint es nicht. Sie denkt und arbeitet nicht mit der Klarheit und Beſonnenheit, wie der ein- zelne Weiſe; auf ihr laſten die Schulden der Vor- welt, und mit dieſer Suͤhne beſchaͤftigt, hat ſie kaum Zeit, fuͤr eine Nachkommenſchaft zu arbei- ten, die wieder fuͤr eine andere zu arbeiten haben wird. Sie muß den großen Kampf beſtehen, mit der widerſpenſtigen Natur und der traͤgen Zeit;

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/41>, abgerufen am 23.04.2024.