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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
aufgabe, und dieses Handwerk trieb sie durch die ganze Welt von
der Jugend, vielleicht von der Kindheit an, denn nicht wenigen
war auch das Lager die Geburtsstätte gewesen, bis Wunden oder
das kommende Alter sie zum Dienst, zur Ertragung der Mühsale
unfähig gemacht hatten. Ein freier Haufe zogen sie ins Feld,
denn freiwillig, unter guten, ehrenvollen Bedingungen hatten
sie zur Fahne geschworen; ein selbstvertrauendes, übermüthiges,
trotziges Volk, denn sie wußten, daß von ihnen die Entscheidung
abhing. Ueberlustig, wenn sie im Siege waren und im Strome
des Glückes schwammen, aber auch verzagt und kleinlaut oder
meuternd, wenn es ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Dann
waren sie schlimm zu behandeln von Seiten ihrer Führer, zumal
wenn ihnen der Sold nicht pünktlich ausgezahlt werden konnte.
Wenn der Feind heranrückte und im Angesichte war, fielen diese
"frommen Landsknechte" auf die Kniee und verrichteten ihr Ge-
bet zu Gott um gnädigen Sieg, stimmten auch wohl ein geist-
liches Lied an und dankten ihm in gleicher Weise nach gewonne-
ner Feldschlacht. Diese Frömmigkeit hielt sie aber nicht ab, auch
in Kirchen ihre Beute zu machen und mit dem Heiligen ihren
Spott zu treiben. Einmal reich an rasch und leicht gewonnener
Beute schwelgten sie bei allem Ueberfluß im Lager oder in der
eroberten Stadt, dem Trunk und Spiel gleich ergeben, und dann
wieder darbten sie im Elend, von Bauer und Bürger gehetzt,
vom langen Marsche abgerissen, im fremden Land, im Feld oder
in einer belagerten Stadt, Wochen lang, Monate lang dem Hun-
ger und tödtlichen Krankheiten ausgesetzt. Zu Tausenden hat sie
unter solchen Umständen das mörderische Klima Italiens hinge-
rafft. Die priesen sich glücklich, welche in der Schlacht einen
ehrlichen Soldatentod fanden, denen Trommel und Pfeifen das
Sterbelied sangen.

"Kein selger Tod ist in der Welt,
Als wer vom Feind erschlagen
Auf grüner Heide, im freien Feld,
Darf nicht hören groß Wehklagen.
Im engen Bett sonst einer allein

1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
aufgabe, und dieſes Handwerk trieb ſie durch die ganze Welt von
der Jugend, vielleicht von der Kindheit an, denn nicht wenigen
war auch das Lager die Geburtsſtätte geweſen, bis Wunden oder
das kommende Alter ſie zum Dienſt, zur Ertragung der Mühſale
unfähig gemacht hatten. Ein freier Haufe zogen ſie ins Feld,
denn freiwillig, unter guten, ehrenvollen Bedingungen hatten
ſie zur Fahne geſchworen; ein ſelbſtvertrauendes, übermüthiges,
trotziges Volk, denn ſie wußten, daß von ihnen die Entſcheidung
abhing. Ueberluſtig, wenn ſie im Siege waren und im Strome
des Glückes ſchwammen, aber auch verzagt und kleinlaut oder
meuternd, wenn es ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Dann
waren ſie ſchlimm zu behandeln von Seiten ihrer Führer, zumal
wenn ihnen der Sold nicht pünktlich ausgezahlt werden konnte.
Wenn der Feind heranrückte und im Angeſichte war, fielen dieſe
„frommen Landsknechte“ auf die Kniee und verrichteten ihr Ge-
bet zu Gott um gnädigen Sieg, ſtimmten auch wohl ein geiſt-
liches Lied an und dankten ihm in gleicher Weiſe nach gewonne-
ner Feldſchlacht. Dieſe Frömmigkeit hielt ſie aber nicht ab, auch
in Kirchen ihre Beute zu machen und mit dem Heiligen ihren
Spott zu treiben. Einmal reich an raſch und leicht gewonnener
Beute ſchwelgten ſie bei allem Ueberfluß im Lager oder in der
eroberten Stadt, dem Trunk und Spiel gleich ergeben, und dann
wieder darbten ſie im Elend, von Bauer und Bürger gehetzt,
vom langen Marſche abgeriſſen, im fremden Land, im Feld oder
in einer belagerten Stadt, Wochen lang, Monate lang dem Hun-
ger und tödtlichen Krankheiten ausgeſetzt. Zu Tauſenden hat ſie
unter ſolchen Umſtänden das mörderiſche Klima Italiens hinge-
rafft. Die prieſen ſich glücklich, welche in der Schlacht einen
ehrlichen Soldatentod fanden, denen Trommel und Pfeifen das
Sterbelied ſangen.

„Kein ſelger Tod iſt in der Welt,
Als wer vom Feind erſchlagen
Auf grüner Heide, im freien Feld,
Darf nicht hören groß Wehklagen.
Im engen Bett ſonſt einer allein
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[37/0049] 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. aufgabe, und dieſes Handwerk trieb ſie durch die ganze Welt von der Jugend, vielleicht von der Kindheit an, denn nicht wenigen war auch das Lager die Geburtsſtätte geweſen, bis Wunden oder das kommende Alter ſie zum Dienſt, zur Ertragung der Mühſale unfähig gemacht hatten. Ein freier Haufe zogen ſie ins Feld, denn freiwillig, unter guten, ehrenvollen Bedingungen hatten ſie zur Fahne geſchworen; ein ſelbſtvertrauendes, übermüthiges, trotziges Volk, denn ſie wußten, daß von ihnen die Entſcheidung abhing. Ueberluſtig, wenn ſie im Siege waren und im Strome des Glückes ſchwammen, aber auch verzagt und kleinlaut oder meuternd, wenn es ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Dann waren ſie ſchlimm zu behandeln von Seiten ihrer Führer, zumal wenn ihnen der Sold nicht pünktlich ausgezahlt werden konnte. Wenn der Feind heranrückte und im Angeſichte war, fielen dieſe „frommen Landsknechte“ auf die Kniee und verrichteten ihr Ge- bet zu Gott um gnädigen Sieg, ſtimmten auch wohl ein geiſt- liches Lied an und dankten ihm in gleicher Weiſe nach gewonne- ner Feldſchlacht. Dieſe Frömmigkeit hielt ſie aber nicht ab, auch in Kirchen ihre Beute zu machen und mit dem Heiligen ihren Spott zu treiben. Einmal reich an raſch und leicht gewonnener Beute ſchwelgten ſie bei allem Ueberfluß im Lager oder in der eroberten Stadt, dem Trunk und Spiel gleich ergeben, und dann wieder darbten ſie im Elend, von Bauer und Bürger gehetzt, vom langen Marſche abgeriſſen, im fremden Land, im Feld oder in einer belagerten Stadt, Wochen lang, Monate lang dem Hun- ger und tödtlichen Krankheiten ausgeſetzt. Zu Tauſenden hat ſie unter ſolchen Umſtänden das mörderiſche Klima Italiens hinge- rafft. Die prieſen ſich glücklich, welche in der Schlacht einen ehrlichen Soldatentod fanden, denen Trommel und Pfeifen das Sterbelied ſangen. „Kein ſelger Tod iſt in der Welt, Als wer vom Feind erſchlagen Auf grüner Heide, im freien Feld, Darf nicht hören groß Wehklagen. Im engen Bett ſonſt einer allein

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/49>, abgerufen am 19.04.2024.