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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
sie bald jedem Kriegführenden unentbehrlich und hoben sie zu
raschester Blüthe. Nur mit ihnen oder den Schweizern, die jenen
einen Theil des Ruhmes und bald den ganzen überlassen mußten,
vermochten noch die stolzen französischen Ritter, Bayard und
seine Genossen, das letzte aufflackernde Licht des Ritterthums,
zu siegen; wider sie erlagen sie ruhmlos den Hakenschützen oder
dem gewandten Spießträger, der dem schweren Stoße auswich.
Die Landsknechte gingen aus der Masse der Bürger und Bauern
hervor und rekrutirten sich fortwährend daraus. Aber sie waren
nicht der Auswurf derselben, sondern wackre Zunftgenossen, denen
der Umschwung der Dinge die Arbeit versagte, oder die, sanges-
lustig und sangeskundig, von der allgemeinen Bewegung der
Gemüther fortgerissen, lieber ein freies, frisches Leben führen
wollten, als auf der Schusterbank oder am Webstuhl sitzen; und
ebenso Bauern, jüngere Söhne, welche die harte Arbeit verdroß,
da sie es im Kriegsleben lustiger haben konnten.

"Es soll kein Landsknecht garten
Vor eines Bauren Haus,
Denn er muß tratten und harken,
Daß ihm der Schweiß bricht aus,
Dazu das Mark in sein Gebein.
Viel lieber dien ich dem König allein
Denn einem reichen Bauren,
Er giebt uns das Geld mit Trauren."

Bettelgesindel konnte man nicht brauchen in den tapfern Reihen;
denn wer sich stellte, wenn die Werbetrommel erklang, mußte die
Musterung passiren und sich ausweisen als gesund und stark und
mit Kleidung, Wehr und Waffen wohl versehen, denn er mußte
selbst dafür sorgen. Auch Söhne edler Patrizierfamilien, denen
im Drang nach Abenteuern die Schreibstube zu eng wurde, zogen
es vor, mit dem Haufen in den Krieg zu ziehen; und als die
Landsknechte zu Ehren gekommen waren und die Ueberzeugung
sich festgestellt hatte, daß die Zeit des schweren Eisenmannes
vorbei sei, da waren es auch Herren und Grafen, welche das
Roß und die ritterliche Lanze zu Hause ließen und mit dem Spieß

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
ſie bald jedem Kriegführenden unentbehrlich und hoben ſie zu
raſcheſter Blüthe. Nur mit ihnen oder den Schweizern, die jenen
einen Theil des Ruhmes und bald den ganzen überlaſſen mußten,
vermochten noch die ſtolzen franzöſiſchen Ritter, Bayard und
ſeine Genoſſen, das letzte aufflackernde Licht des Ritterthums,
zu ſiegen; wider ſie erlagen ſie ruhmlos den Hakenſchützen oder
dem gewandten Spießträger, der dem ſchweren Stoße auswich.
Die Landsknechte gingen aus der Maſſe der Bürger und Bauern
hervor und rekrutirten ſich fortwährend daraus. Aber ſie waren
nicht der Auswurf derſelben, ſondern wackre Zunftgenoſſen, denen
der Umſchwung der Dinge die Arbeit verſagte, oder die, ſanges-
luſtig und ſangeskundig, von der allgemeinen Bewegung der
Gemüther fortgeriſſen, lieber ein freies, friſches Leben führen
wollten, als auf der Schuſterbank oder am Webſtuhl ſitzen; und
ebenſo Bauern, jüngere Söhne, welche die harte Arbeit verdroß,
da ſie es im Kriegsleben luſtiger haben konnten.

„Es ſoll kein Landsknecht garten
Vor eines Bauren Haus,
Denn er muß tratten und harken,
Daß ihm der Schweiß bricht aus,
Dazu das Mark in ſein Gebein.
Viel lieber dien ich dem König allein
Denn einem reichen Bauren,
Er giebt uns das Geld mit Trauren.“

Bettelgeſindel konnte man nicht brauchen in den tapfern Reihen;
denn wer ſich ſtellte, wenn die Werbetrommel erklang, mußte die
Muſterung paſſiren und ſich ausweiſen als geſund und ſtark und
mit Kleidung, Wehr und Waffen wohl verſehen, denn er mußte
ſelbſt dafür ſorgen. Auch Söhne edler Patrizierfamilien, denen
im Drang nach Abenteuern die Schreibſtube zu eng wurde, zogen
es vor, mit dem Haufen in den Krieg zu ziehen; und als die
Landsknechte zu Ehren gekommen waren und die Ueberzeugung
ſich feſtgeſtellt hatte, daß die Zeit des ſchweren Eiſenmannes
vorbei ſei, da waren es auch Herren und Grafen, welche das
Roß und die ritterliche Lanze zu Hauſe ließen und mit dem Spieß

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[35/0047] 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. ſie bald jedem Kriegführenden unentbehrlich und hoben ſie zu raſcheſter Blüthe. Nur mit ihnen oder den Schweizern, die jenen einen Theil des Ruhmes und bald den ganzen überlaſſen mußten, vermochten noch die ſtolzen franzöſiſchen Ritter, Bayard und ſeine Genoſſen, das letzte aufflackernde Licht des Ritterthums, zu ſiegen; wider ſie erlagen ſie ruhmlos den Hakenſchützen oder dem gewandten Spießträger, der dem ſchweren Stoße auswich. Die Landsknechte gingen aus der Maſſe der Bürger und Bauern hervor und rekrutirten ſich fortwährend daraus. Aber ſie waren nicht der Auswurf derſelben, ſondern wackre Zunftgenoſſen, denen der Umſchwung der Dinge die Arbeit verſagte, oder die, ſanges- luſtig und ſangeskundig, von der allgemeinen Bewegung der Gemüther fortgeriſſen, lieber ein freies, friſches Leben führen wollten, als auf der Schuſterbank oder am Webſtuhl ſitzen; und ebenſo Bauern, jüngere Söhne, welche die harte Arbeit verdroß, da ſie es im Kriegsleben luſtiger haben konnten. „Es ſoll kein Landsknecht garten Vor eines Bauren Haus, Denn er muß tratten und harken, Daß ihm der Schweiß bricht aus, Dazu das Mark in ſein Gebein. Viel lieber dien ich dem König allein Denn einem reichen Bauren, Er giebt uns das Geld mit Trauren.“ Bettelgeſindel konnte man nicht brauchen in den tapfern Reihen; denn wer ſich ſtellte, wenn die Werbetrommel erklang, mußte die Muſterung paſſiren und ſich ausweiſen als geſund und ſtark und mit Kleidung, Wehr und Waffen wohl verſehen, denn er mußte ſelbſt dafür ſorgen. Auch Söhne edler Patrizierfamilien, denen im Drang nach Abenteuern die Schreibſtube zu eng wurde, zogen es vor, mit dem Haufen in den Krieg zu ziehen; und als die Landsknechte zu Ehren gekommen waren und die Ueberzeugung ſich feſtgeſtellt hatte, daß die Zeit des ſchweren Eiſenmannes vorbei ſei, da waren es auch Herren und Grafen, welche das Roß und die ritterliche Lanze zu Hauſe ließen und mit dem Spieß 3*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/47>, abgerufen am 20.04.2024.