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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758.

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Vorrede.
licher kunstrichter, der von 1725 an, sich in dem
praxi nicht umgesehen hat, wird viles für überflüssig
ansehen, welches mir iedoch zur entscheidung oder
zum bedenken vorgeleget worden ist. Dasjenige,
was mir aus den bänden der von mir gefertigten
urthel und bedenken nicht im gedächtnis eben schwe-
bete, habe ich anzuzihen einen anstand gefunden,
in hofnung, die vernünftigen tadelerinnen wären
noch am leben.

Mit den verächtern der Teutschen rechte habe
ich das vergnügen noch ein wort zu sprechen. Sie
wollen von dem, was aus Rom sich nicht herschrei-
bet, etwas kaum hören. Der freiherr Holberg
in dem dritten lateinischen schreiben an einen erlauch-
ten mann meldet daher: sie nenneten sich Römer,
ungeachtet sie mit diser völkerschaft nichts gemein
hätten. Solche gelehrten täten sich auf die virte
monarchi etwas zu gute; obgleich dise nur im ge-
hirne solcher Teutschen köpfe ihr daseyn fände; an-
erwogen die Römischen gesäze, welche sie anbeteten,
die titulaturen, und daß, obgleich selbige darin
den Römern nachameten, sie dennoch dises in Rö-
mer nicht verwandelte. Sind dises nicht ausschwei-
fungen, welche iren grund in der unwissenheit der
Teutschen und Römischen geschichte finden! So
gar habe die strenge befolgung der Römischen spra-
che, die Teutsche zunge in eine grose verwirrung
und dunkelheit gestürzet!

Wie soll man sich aber, bei so gestalten sachen,
verhalten? Gellert antwortet für mich in der fabel
von der mücke und dem knaben:

Geh

Vorrede.
licher kunſtrichter, der von 1725 an, ſich in dem
praxi nicht umgeſehen hat, wird viles fuͤr uͤberfluͤſſig
anſehen, welches mir iedoch zur entſcheidung oder
zum bedenken vorgeleget worden iſt. Dasjenige,
was mir aus den baͤnden der von mir gefertigten
urthel und bedenken nicht im gedaͤchtnis eben ſchwe-
bete, habe ich anzuzihen einen anſtand gefunden,
in hofnung, die vernuͤnftigen tadelerinnen waͤren
noch am leben.

Mit den veraͤchtern der Teutſchen rechte habe
ich das vergnuͤgen noch ein wort zu ſprechen. Sie
wollen von dem, was aus Rom ſich nicht herſchrei-
bet, etwas kaum hoͤren. Der freiherr Holberg
in dem dritten lateiniſchen ſchreiben an einen erlauch-
ten mann meldet daher: ſie nenneten ſich Roͤmer,
ungeachtet ſie mit diſer voͤlkerſchaft nichts gemein
haͤtten. Solche gelehrten taͤten ſich auf die virte
monarchi etwas zu gute; obgleich diſe nur im ge-
hirne ſolcher Teutſchen koͤpfe ihr daſeyn faͤnde; an-
erwogen die Roͤmiſchen geſaͤze, welche ſie anbeteten,
die titulaturen, und daß, obgleich ſelbige darin
den Roͤmern nachameten, ſie dennoch diſes in Roͤ-
mer nicht verwandelte. Sind diſes nicht ausſchwei-
fungen, welche iren grund in der unwiſſenheit der
Teutſchen und Roͤmiſchen geſchichte finden! So
gar habe die ſtrenge befolgung der Roͤmiſchen ſpra-
che, die Teutſche zunge in eine groſe verwirrung
und dunkelheit geſtuͤrzet!

Wie ſoll man ſich aber, bei ſo geſtalten ſachen,
verhalten? Gellert antwortet fuͤr mich in der fabel
von der muͤcke und dem knaben:

Geh
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[6/0010] Vorrede. licher kunſtrichter, der von 1725 an, ſich in dem praxi nicht umgeſehen hat, wird viles fuͤr uͤberfluͤſſig anſehen, welches mir iedoch zur entſcheidung oder zum bedenken vorgeleget worden iſt. Dasjenige, was mir aus den baͤnden der von mir gefertigten urthel und bedenken nicht im gedaͤchtnis eben ſchwe- bete, habe ich anzuzihen einen anſtand gefunden, in hofnung, die vernuͤnftigen tadelerinnen waͤren noch am leben. Mit den veraͤchtern der Teutſchen rechte habe ich das vergnuͤgen noch ein wort zu ſprechen. Sie wollen von dem, was aus Rom ſich nicht herſchrei- bet, etwas kaum hoͤren. Der freiherr Holberg in dem dritten lateiniſchen ſchreiben an einen erlauch- ten mann meldet daher: ſie nenneten ſich Roͤmer, ungeachtet ſie mit diſer voͤlkerſchaft nichts gemein haͤtten. Solche gelehrten taͤten ſich auf die virte monarchi etwas zu gute; obgleich diſe nur im ge- hirne ſolcher Teutſchen koͤpfe ihr daſeyn faͤnde; an- erwogen die Roͤmiſchen geſaͤze, welche ſie anbeteten, die titulaturen, und daß, obgleich ſelbige darin den Roͤmern nachameten, ſie dennoch diſes in Roͤ- mer nicht verwandelte. Sind diſes nicht ausſchwei- fungen, welche iren grund in der unwiſſenheit der Teutſchen und Roͤmiſchen geſchichte finden! So gar habe die ſtrenge befolgung der Roͤmiſchen ſpra- che, die Teutſche zunge in eine groſe verwirrung und dunkelheit geſtuͤrzet! Wie ſoll man ſich aber, bei ſo geſtalten ſachen, verhalten? Gellert antwortet fuͤr mich in der fabel von der muͤcke und dem knaben: Geh

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit02_1758/10>, abgerufen am 29.03.2024.