Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

sten Stücke durch, daß es recht fröhlich in dem einsa¬
men Walde erklang.

Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange,
denn ich stolperte dabei jeden Augenblick über die fata¬
len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬
gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende
nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und
die Sonne schien schon schief zwischen den Baumstäm¬
men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wiesenthal
hinaus kam, das rings von Bergen eingeschlossen und
voller rother und gelber Blumen war, über denen un¬
zählige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten.
Hier war es so einsam, als läge die Welt wohl hun¬
dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten,
und ein Hirt lag drüben im hohen Grase und blies
so melancholisch auf seiner Schalmei, daß einem das
Herz vor Wehmuth hätte zerspringen mögen. Ja,
dachte ich bei mir, wer es so gut hätte, wie so ein
Faullenzer! unser einer muß sich in der Fremde her¬
umschlagen und immer attent seyn. -- Da ein schönes
klares Flüßchen zwischen uns lag, über das ich nicht
herüber konnte, so rief ich ihm von weiten zu: wo hier
das nächste Dorf läge? Er ließ sich aber nicht stören,
sondern streckte nur den Kopf ein wenig aus dem Grase
hervor, wies mit seiner Schalmei auf den andern Wald
hin und blies ruhig wieder weiter.

Unterdeß marschirte ich fleißig fort, denn es fing
schon an zu dämmern. Die Vögel, die alle noch ein
großes Geschrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬

ſten Stuͤcke durch, daß es recht froͤhlich in dem einſa¬
men Walde erklang.

Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange,
denn ich ſtolperte dabei jeden Augenblick uͤber die fata¬
len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬
gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende
nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und
die Sonne ſchien ſchon ſchief zwiſchen den Baumſtaͤm¬
men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wieſenthal
hinaus kam, das rings von Bergen eingeſchloſſen und
voller rother und gelber Blumen war, uͤber denen un¬
zaͤhlige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten.
Hier war es ſo einſam, als laͤge die Welt wohl hun¬
dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten,
und ein Hirt lag druͤben im hohen Graſe und blies
ſo melancholiſch auf ſeiner Schalmei, daß einem das
Herz vor Wehmuth haͤtte zerſpringen moͤgen. Ja,
dachte ich bei mir, wer es ſo gut haͤtte, wie ſo ein
Faullenzer! unſer einer muß ſich in der Fremde her¬
umſchlagen und immer attent ſeyn. — Da ein ſchoͤnes
klares Fluͤßchen zwiſchen uns lag, uͤber das ich nicht
heruͤber konnte, ſo rief ich ihm von weiten zu: wo hier
das naͤchſte Dorf laͤge? Er ließ ſich aber nicht ſtoͤren,
ſondern ſtreckte nur den Kopf ein wenig aus dem Graſe
hervor, wies mit ſeiner Schalmei auf den andern Wald
hin und blies ruhig wieder weiter.

Unterdeß marſchirte ich fleißig fort, denn es fing
ſchon an zu daͤmmern. Die Voͤgel, die alle noch ein
großes Geſchrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="39"/>
&#x017F;ten Stu&#x0364;cke durch, daß es recht fro&#x0364;hlich in dem ein&#x017F;<lb/>
men Walde erklang.</p><lb/>
          <p>Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange,<lb/>
denn ich &#x017F;tolperte dabei jeden Augenblick u&#x0364;ber die fata¬<lb/>
len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬<lb/>
gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende<lb/>
nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und<lb/>
die Sonne &#x017F;chien &#x017F;chon &#x017F;chief zwi&#x017F;chen den Baum&#x017F;ta&#x0364;<lb/>
men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wie&#x017F;enthal<lb/>
hinaus kam, das rings von Bergen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
voller rother und gelber Blumen war, u&#x0364;ber denen un¬<lb/>
za&#x0364;hlige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten.<lb/>
Hier war es &#x017F;o ein&#x017F;am, als la&#x0364;ge die Welt wohl hun¬<lb/>
dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten,<lb/>
und ein Hirt lag dru&#x0364;ben im hohen Gra&#x017F;e und blies<lb/>
&#x017F;o melancholi&#x017F;ch auf &#x017F;einer Schalmei, daß einem das<lb/>
Herz vor Wehmuth ha&#x0364;tte zer&#x017F;pringen mo&#x0364;gen. Ja,<lb/>
dachte ich bei mir, wer es &#x017F;o gut ha&#x0364;tte, wie &#x017F;o ein<lb/>
Faullenzer! un&#x017F;er einer muß &#x017F;ich in der Fremde her¬<lb/>
um&#x017F;chlagen und immer attent &#x017F;eyn. &#x2014; Da ein &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
klares Flu&#x0364;ßchen zwi&#x017F;chen uns lag, u&#x0364;ber das ich nicht<lb/>
heru&#x0364;ber konnte, &#x017F;o rief ich ihm von weiten zu: wo hier<lb/>
das na&#x0364;ch&#x017F;te Dorf la&#x0364;ge? Er ließ &#x017F;ich aber nicht &#x017F;to&#x0364;ren,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;treckte nur den Kopf ein wenig aus dem Gra&#x017F;e<lb/>
hervor, wies mit &#x017F;einer Schalmei auf den andern Wald<lb/>
hin und blies ruhig wieder weiter.</p><lb/>
          <p>Unterdeß mar&#x017F;chirte ich fleißig fort, denn es fing<lb/>
&#x017F;chon an zu da&#x0364;mmern. Die Vo&#x0364;gel, die alle noch ein<lb/>
großes Ge&#x017F;chrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] ſten Stuͤcke durch, daß es recht froͤhlich in dem einſa¬ men Walde erklang. Mit dem Spielen ging es aber auch nicht lange, denn ich ſtolperte dabei jeden Augenblick uͤber die fata¬ len Baumwurzeln, auch fing mich zuletzt an zu hun¬ gern, und der Wald wollte noch immer gar kein Ende nehmen. So irrte ich den ganzen Tag herum, und die Sonne ſchien ſchon ſchief zwiſchen den Baumſtaͤm¬ men hindurch, als ich endlich in ein kleines Wieſenthal hinaus kam, das rings von Bergen eingeſchloſſen und voller rother und gelber Blumen war, uͤber denen un¬ zaͤhlige Schmetterlinge im Abendgolde herum flatterten. Hier war es ſo einſam, als laͤge die Welt wohl hun¬ dert Meilen weit weg. Nur die Heimchen zirpten, und ein Hirt lag druͤben im hohen Graſe und blies ſo melancholiſch auf ſeiner Schalmei, daß einem das Herz vor Wehmuth haͤtte zerſpringen moͤgen. Ja, dachte ich bei mir, wer es ſo gut haͤtte, wie ſo ein Faullenzer! unſer einer muß ſich in der Fremde her¬ umſchlagen und immer attent ſeyn. — Da ein ſchoͤnes klares Fluͤßchen zwiſchen uns lag, uͤber das ich nicht heruͤber konnte, ſo rief ich ihm von weiten zu: wo hier das naͤchſte Dorf laͤge? Er ließ ſich aber nicht ſtoͤren, ſondern ſtreckte nur den Kopf ein wenig aus dem Graſe hervor, wies mit ſeiner Schalmei auf den andern Wald hin und blies ruhig wieder weiter. Unterdeß marſchirte ich fleißig fort, denn es fing ſchon an zu daͤmmern. Die Voͤgel, die alle noch ein großes Geſchrei gemacht hatten, als die letzten Sonnen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/49
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/49>, abgerufen am 19.03.2024.