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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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sann ich mich nicht lange, faßt' ein Herz, und sang
so recht aus voller Brust und Lust:

Wohin ich geh' und schaue,
In Feld und Wald und Thal
Vom Berg' hinab in die Aue:
Viel schöne, hohe Fraue,
Grüß ich Dich tausendmal.
In meinem Garten find' ich
Viel Blumen, schön und fein,
Viel Kränze wohl d'raus wind' ich
Und tausend Gedanken bind' ich
Und Grüße mit darein.
Ihr darf ich keinen reichen,
Sie ist zu hoch und schön,
Die müssen alle verbleichen,
Die Liebe nur ohne Gleichen
Bleibt ewig im Herzen stehn.
Ich schein' wohl froher Dinge
Und schaffe auf und ab,
Und, ob das Herz zerspringe,
Ich grabe fort und singe
Und grab' mir bald mein Grab.

Wir stießen ans Land, die Herrschaften stiegen alle
aus, viele von den jungen Herren hatten mich, ich be¬
merkt' es wohl, während ich sang mit listigen Mienen
und Flüstern verspottet vor den Damen. Der Herr
mit der Brille faßte mich im Weggehen bey der Hand
und sagte mir, ich weiß selbst nicht mehr was, die äl¬
tere von meinen Damen sah mich sehr freundlich an.
Die schöne Frau hatte während meines ganzen Liedes

ſann ich mich nicht lange, faßt' ein Herz, und ſang
ſo recht aus voller Bruſt und Luſt:

Wohin ich geh' und ſchaue,
In Feld und Wald und Thal
Vom Berg' hinab in die Aue:
Viel ſchöne, hohe Fraue,
Grüß ich Dich tauſendmal.
In meinem Garten find' ich
Viel Blumen, ſchön und fein,
Viel Kränze wohl d'raus wind' ich
Und tauſend Gedanken bind' ich
Und Grüße mit darein.
Ihr darf ich keinen reichen,
Sie iſt zu hoch und ſchön,
Die müſſen alle verbleichen,
Die Liebe nur ohne Gleichen
Bleibt ewig im Herzen ſtehn.
Ich ſchein' wohl froher Dinge
Und ſchaffe auf und ab,
Und, ob das Herz zerſpringe,
Ich grabe fort und ſinge
Und grab' mir bald mein Grab.

Wir ſtießen ans Land, die Herrſchaften ſtiegen alle
aus, viele von den jungen Herren hatten mich, ich be¬
merkt' es wohl, waͤhrend ich ſang mit liſtigen Mienen
und Fluͤſtern verſpottet vor den Damen. Der Herr
mit der Brille faßte mich im Weggehen bey der Hand
und ſagte mir, ich weiß ſelbſt nicht mehr was, die aͤl¬
tere von meinen Damen ſah mich ſehr freundlich an.
Die ſchoͤne Frau hatte waͤhrend meines ganzen Liedes

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[15/0025] ſann ich mich nicht lange, faßt' ein Herz, und ſang ſo recht aus voller Bruſt und Luſt: Wohin ich geh' und ſchaue, In Feld und Wald und Thal Vom Berg' hinab in die Aue: Viel ſchöne, hohe Fraue, Grüß ich Dich tauſendmal. In meinem Garten find' ich Viel Blumen, ſchön und fein, Viel Kränze wohl d'raus wind' ich Und tauſend Gedanken bind' ich Und Grüße mit darein. Ihr darf ich keinen reichen, Sie iſt zu hoch und ſchön, Die müſſen alle verbleichen, Die Liebe nur ohne Gleichen Bleibt ewig im Herzen ſtehn. Ich ſchein' wohl froher Dinge Und ſchaffe auf und ab, Und, ob das Herz zerſpringe, Ich grabe fort und ſinge Und grab' mir bald mein Grab. Wir ſtießen ans Land, die Herrſchaften ſtiegen alle aus, viele von den jungen Herren hatten mich, ich be¬ merkt' es wohl, waͤhrend ich ſang mit liſtigen Mienen und Fluͤſtern verſpottet vor den Damen. Der Herr mit der Brille faßte mich im Weggehen bey der Hand und ſagte mir, ich weiß ſelbſt nicht mehr was, die aͤl¬ tere von meinen Damen ſah mich ſehr freundlich an. Die ſchoͤne Frau hatte waͤhrend meines ganzen Liedes

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/25>, abgerufen am 19.03.2024.