Thal ein Reiter in bunter studentischer Tracht sichtbar, der nun auch seinerseits die Harrenden auf dem Berge erblickte, und, freudig seinen Hut schwenkend, die Sporen einsetzte. Otto! Otto! rief alles fröhlich durch¬ einander, und winkte ihm mit den Schnupftüchern ent¬ gegen. Der Reiter hatte unterdeß den Fuß des Ber¬ ges erreicht, schwang sich vom Pferde, und auf dem nächsten Wege zwischen den grünen Rebengeländern aufsteigend, erschien ein schöner Jüngling von etwas kleiner, zierlich schlanker Gestalt mit einem feinen Ge¬ sicht und fast träumerischen Augen.
Aber am Eingang zur ersten Allee wurde er plötz¬ lich durch eine seltsame Erscheinung aufgehalten. Ein schöner Tannenbaum stand dort am Abhang von Alters her, wie ein dunkler Ritter auf der Wacht, und ragte mit dem Wipfel bis über die Anhöhe hinauf. Auf einmal rauschte er mit den grünen Kronen und zeigte sein Riesenhaupt mit rothbraunem Gesicht und langem Schilfbart, das Haar phantastisch von wilden Blumen und Eichenlaub umkränzt. Salve! redete das Haupt, die Augen sichtbar bewegend, den erstaunten Studen¬ ten an:
Salve! Herr Doctor oder Magister!
Bin ein alter Bursch' und haß' die Philister, Bin der Waldmann aus dem Gebirge hier, Darf nicht näher treten zu Dir, Kann nicht zu Dir kommen in Haus und Zimmer, Trät' dort alle den Plunder in Trümmer,
Thal ein Reiter in bunter ſtudentiſcher Tracht ſichtbar, der nun auch ſeinerſeits die Harrenden auf dem Berge erblickte, und, freudig ſeinen Hut ſchwenkend, die Sporen einſetzte. Otto! Otto! rief alles froͤhlich durch¬ einander, und winkte ihm mit den Schnupftuͤchern ent¬ gegen. Der Reiter hatte unterdeß den Fuß des Ber¬ ges erreicht, ſchwang ſich vom Pferde, und auf dem naͤchſten Wege zwiſchen den gruͤnen Rebengelaͤndern aufſteigend, erſchien ein ſchoͤner Juͤngling von etwas kleiner, zierlich ſchlanker Geſtalt mit einem feinen Ge¬ ſicht und faſt traͤumeriſchen Augen.
Aber am Eingang zur erſten Allee wurde er ploͤtz¬ lich durch eine ſeltſame Erſcheinung aufgehalten. Ein ſchoͤner Tannenbaum ſtand dort am Abhang von Alters her, wie ein dunkler Ritter auf der Wacht, und ragte mit dem Wipfel bis uͤber die Anhoͤhe hinauf. Auf einmal rauſchte er mit den gruͤnen Kronen und zeigte ſein Rieſenhaupt mit rothbraunem Geſicht und langem Schilfbart, das Haar phantaſtiſch von wilden Blumen und Eichenlaub umkraͤnzt. Salve! redete das Haupt, die Augen ſichtbar bewegend, den erſtaunten Studen¬ ten an:
Salve! Herr Doctor oder Magiſter!
Bin ein alter Burſch' und haß' die Philiſter, Bin der Waldmann aus dem Gebirge hier, Darf nicht naͤher treten zu Dir, Kann nicht zu Dir kommen in Haus und Zimmer, Traͤt' dort alle den Plunder in Truͤmmer,
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Thal ein Reiter in bunter ſtudentiſcher Tracht ſichtbar,
der nun auch ſeinerſeits die Harrenden auf dem Berge
erblickte, und, freudig ſeinen Hut ſchwenkend, die
Sporen einſetzte. Otto! Otto! rief alles froͤhlich durch¬
einander, und winkte ihm mit den Schnupftuͤchern ent¬
gegen. Der Reiter hatte unterdeß den Fuß des Ber¬
ges erreicht, ſchwang ſich vom Pferde, und auf dem
naͤchſten Wege zwiſchen den gruͤnen Rebengelaͤndern
aufſteigend, erſchien ein ſchoͤner Juͤngling von etwas
kleiner, zierlich ſchlanker Geſtalt mit einem feinen Ge¬
ſicht und faſt traͤumeriſchen Augen.
Aber am Eingang zur erſten Allee wurde er ploͤtz¬
lich durch eine ſeltſame Erſcheinung aufgehalten. Ein
ſchoͤner Tannenbaum ſtand dort am Abhang von Alters
her, wie ein dunkler Ritter auf der Wacht, und ragte
mit dem Wipfel bis uͤber die Anhoͤhe hinauf. Auf
einmal rauſchte er mit den gruͤnen Kronen und zeigte
ſein Rieſenhaupt mit rothbraunem Geſicht und langem
Schilfbart, das Haar phantaſtiſch von wilden Blumen
und Eichenlaub umkraͤnzt. Salve! redete das Haupt,
die Augen ſichtbar bewegend, den erſtaunten Studen¬
ten an:
Salve! Herr Doctor oder Magiſter!
Bin ein alter Burſch' und haß' die Philiſter,
Bin der Waldmann aus dem Gebirge hier,
Darf nicht naͤher treten zu Dir,
Kann nicht zu Dir kommen in Haus und Zimmer,
Traͤt' dort alle den Plunder in Truͤmmer,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/39>, abgerufen am 19.04.2024.
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