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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Angst rings im Walde umher und betete und wein¬
te dann wieder dazwischen, da ich mir gar nicht
mehr zu helfen wußte. Da kam auf einmal ein
Wagen die Straße gefahren. Eine Dame erblickte
uns aus demselben und ließ sogleich stillhalten.
Die Bedienten verbanden die Wunde sehr geschickt.
Die Dame schien sehr verwundert und erschrocken
über den Umstand. Darauf nahm sie uns beyde
mit in den Wagen und führte uns hierher auf ihr
Schloß. Die Gräfinn hat beynahe die ganze Nacht
hindurch hier am Bette gewacht. -- Friedrich
dachte an das Engelsbild, das sich wie im Traume
über sein Gesicht geneigt hatte, und war noch ver¬
wirrter, als vorher. -- Aber wer bist denn Du?
fragte er darauf den Knaben wieder. Ich habe
keine Aeltern mehr, anwortete dieser, und schlug
verwirrt die Augen nieder, ich gieng eben über
Land, um Dienste zu suchen. Friedrich faßte den
Furchtsamen bey beyden Händen: willst du bey mir
bleiben? Ewig, mein Herr! sagte der Knabe mit
auffallender Heftigkeit.

Friedrich kleidete sich nun völlig an und ver¬
ließ seine Stube, um sich hier umzusehen und über
sein Verhältniß in diesem Schlosse auf irgend eine
Art Gewißheit zu erlangen. Er erstaunte über das
Altfränkische der Bauart und der Einrichtung. Die
Gänge waren gewölbt, die Fenster in der dicken,
dunkeln Mauer alle oben in einen Bogen zugespizt
und mit kleinen, runden Scheiben versehen. Wun¬
derschöne Bilder von Glas füllten oben die Fenster¬

Angſt rings im Walde umher und betete und wein¬
te dann wieder dazwiſchen, da ich mir gar nicht
mehr zu helfen wußte. Da kam auf einmal ein
Wagen die Straße gefahren. Eine Dame erblickte
uns aus demſelben und ließ ſogleich ſtillhalten.
Die Bedienten verbanden die Wunde ſehr geſchickt.
Die Dame ſchien ſehr verwundert und erſchrocken
über den Umſtand. Darauf nahm ſie uns beyde
mit in den Wagen und führte uns hierher auf ihr
Schloß. Die Gräfinn hat beynahe die ganze Nacht
hindurch hier am Bette gewacht. — Friedrich
dachte an das Engelsbild, das ſich wie im Traume
über ſein Geſicht geneigt hatte, und war noch ver¬
wirrter, als vorher. — Aber wer biſt denn Du?
fragte er darauf den Knaben wieder. Ich habe
keine Aeltern mehr, anwortete dieſer, und ſchlug
verwirrt die Augen nieder, ich gieng eben über
Land, um Dienſte zu ſuchen. Friedrich faßte den
Furchtſamen bey beyden Händen: willſt du bey mir
bleiben? Ewig, mein Herr! ſagte der Knabe mit
auffallender Heftigkeit.

Friedrich kleidete ſich nun völlig an und ver¬
ließ ſeine Stube, um ſich hier umzuſehen und über
ſein Verhältniß in dieſem Schloſſe auf irgend eine
Art Gewißheit zu erlangen. Er erſtaunte über das
Altfränkiſche der Bauart und der Einrichtung. Die
Gänge waren gewölbt, die Fenſter in der dicken,
dunkeln Mauer alle oben in einen Bogen zugeſpizt
und mit kleinen, runden Scheiben verſehen. Wun¬
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[30/0036] Angſt rings im Walde umher und betete und wein¬ te dann wieder dazwiſchen, da ich mir gar nicht mehr zu helfen wußte. Da kam auf einmal ein Wagen die Straße gefahren. Eine Dame erblickte uns aus demſelben und ließ ſogleich ſtillhalten. Die Bedienten verbanden die Wunde ſehr geſchickt. Die Dame ſchien ſehr verwundert und erſchrocken über den Umſtand. Darauf nahm ſie uns beyde mit in den Wagen und führte uns hierher auf ihr Schloß. Die Gräfinn hat beynahe die ganze Nacht hindurch hier am Bette gewacht. — Friedrich dachte an das Engelsbild, das ſich wie im Traume über ſein Geſicht geneigt hatte, und war noch ver¬ wirrter, als vorher. — Aber wer biſt denn Du? fragte er darauf den Knaben wieder. Ich habe keine Aeltern mehr, anwortete dieſer, und ſchlug verwirrt die Augen nieder, ich gieng eben über Land, um Dienſte zu ſuchen. Friedrich faßte den Furchtſamen bey beyden Händen: willſt du bey mir bleiben? Ewig, mein Herr! ſagte der Knabe mit auffallender Heftigkeit. Friedrich kleidete ſich nun völlig an und ver¬ ließ ſeine Stube, um ſich hier umzuſehen und über ſein Verhältniß in dieſem Schloſſe auf irgend eine Art Gewißheit zu erlangen. Er erſtaunte über das Altfränkiſche der Bauart und der Einrichtung. Die Gänge waren gewölbt, die Fenſter in der dicken, dunkeln Mauer alle oben in einen Bogen zugeſpizt und mit kleinen, runden Scheiben verſehen. Wun¬ derſchöne Bilder von Glas füllten oben die Fenſter¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/36>, abgerufen am 29.03.2024.