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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Das Liedchen gefiel ihm so wohl, daß er seine
Schreibtafel herauszog um es aufzuschreiben. Da
er aber die flüchtigen Worte anfieng bedächtig auf¬
zuzeichnen und nicht mehr sang, mußte er über sich
selber lachen und löschte alles wieder aus.

Der Mittag war unterdeß durch die kühlen
Waldschluften fast unvermerkt vorübergezogen. Da
erblickte Friedrich mit Vergnügen einen hohen,
bepflanzten Berg, der ihm als ein berühmter Be¬
lustigungsort dieser Gegend anempfohlen worden
war. Farbige Lusthäuser blickten von dem schattigen
Gipfel ins Thal herab. Rings um den Berg her¬
um wand sich ein Pfad hinauf, auf dem man vie¬
le Frauenzimmer mit ihren bunten Tüchern in der
Grüne wallfahrten sah. Der Anblick war sehr
freundlich und einladend. Friedrich lenkte daher
sein Pferd um, und ritt mit dem fröhlichen Zuge
hinan, sich erfreuend, wie bey jedem Schritte der
Kreis der Aussicht ringsum sich erweiterte. Noch
angenehmer wurde er überrascht, als er endlich den
Gipfel erreichte. Da war ein weiter, schöner und
kühler Rasenplatz. An kleinen Tischchen fassen im
Freyen verschiedene Gesellschaften umher und spei߬
ten in lustigem Gespräch. Kinder spielten auf dem
Rasen, ein alter Mann spielte die Harfe und sang.
Friedrich ließ sich sein Mittagmahl ganz allein in
einem Sommerhäuschen bereiten, das am Abhange
des Berges stand. Er machte alle Fenster weit auf.
so daß die Luft überall durchstrich, und er von al¬
len Seiten die Landschaft und den blauen Himmel
sah. Kühler Wein und hellgeschliffene Gläser blink¬

Das Liedchen gefiel ihm ſo wohl, daß er ſeine
Schreibtafel herauszog um es aufzuſchreiben. Da
er aber die flüchtigen Worte anfieng bedächtig auf¬
zuzeichnen und nicht mehr ſang, mußte er über ſich
ſelber lachen und löſchte alles wieder aus.

Der Mittag war unterdeß durch die kühlen
Waldſchluften faſt unvermerkt vorübergezogen. Da
erblickte Friedrich mit Vergnügen einen hohen,
bepflanzten Berg, der ihm als ein berühmter Be¬
luſtigungsort dieſer Gegend anempfohlen worden
war. Farbige Luſthäuſer blickten von dem ſchattigen
Gipfel ins Thal herab. Rings um den Berg her¬
um wand ſich ein Pfad hinauf, auf dem man vie¬
le Frauenzimmer mit ihren bunten Tüchern in der
Grüne wallfahrten ſah. Der Anblick war ſehr
freundlich und einladend. Friedrich lenkte daher
ſein Pferd um, und ritt mit dem fröhlichen Zuge
hinan, ſich erfreuend, wie bey jedem Schritte der
Kreis der Ausſicht ringsum ſich erweiterte. Noch
angenehmer wurde er überraſcht, als er endlich den
Gipfel erreichte. Da war ein weiter, ſchöner und
kühler Raſenplatz. An kleinen Tiſchchen faſſen im
Freyen verſchiedene Geſellſchaften umher und ſpei߬
ten in luſtigem Geſpräch. Kinder ſpielten auf dem
Raſen, ein alter Mann ſpielte die Harfe und ſang.
Friedrich ließ ſich ſein Mittagmahl ganz allein in
einem Sommerhäuschen bereiten, das am Abhange
des Berges ſtand. Er machte alle Fenſter weit auf.
ſo daß die Luft überall durchſtrich, und er von al¬
len Seiten die Landſchaft und den blauen Himmel
ſah. Kühler Wein und hellgeſchliffene Gläſer blink¬

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[20/0026] Das Liedchen gefiel ihm ſo wohl, daß er ſeine Schreibtafel herauszog um es aufzuſchreiben. Da er aber die flüchtigen Worte anfieng bedächtig auf¬ zuzeichnen und nicht mehr ſang, mußte er über ſich ſelber lachen und löſchte alles wieder aus. Der Mittag war unterdeß durch die kühlen Waldſchluften faſt unvermerkt vorübergezogen. Da erblickte Friedrich mit Vergnügen einen hohen, bepflanzten Berg, der ihm als ein berühmter Be¬ luſtigungsort dieſer Gegend anempfohlen worden war. Farbige Luſthäuſer blickten von dem ſchattigen Gipfel ins Thal herab. Rings um den Berg her¬ um wand ſich ein Pfad hinauf, auf dem man vie¬ le Frauenzimmer mit ihren bunten Tüchern in der Grüne wallfahrten ſah. Der Anblick war ſehr freundlich und einladend. Friedrich lenkte daher ſein Pferd um, und ritt mit dem fröhlichen Zuge hinan, ſich erfreuend, wie bey jedem Schritte der Kreis der Ausſicht ringsum ſich erweiterte. Noch angenehmer wurde er überraſcht, als er endlich den Gipfel erreichte. Da war ein weiter, ſchöner und kühler Raſenplatz. An kleinen Tiſchchen faſſen im Freyen verſchiedene Geſellſchaften umher und ſpei߬ ten in luſtigem Geſpräch. Kinder ſpielten auf dem Raſen, ein alter Mann ſpielte die Harfe und ſang. Friedrich ließ ſich ſein Mittagmahl ganz allein in einem Sommerhäuschen bereiten, das am Abhange des Berges ſtand. Er machte alle Fenſter weit auf. ſo daß die Luft überall durchſtrich, und er von al¬ len Seiten die Landſchaft und den blauen Himmel ſah. Kühler Wein und hellgeſchliffene Gläſer blink¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/26>, abgerufen am 29.03.2024.