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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Unterdeß hatten sich die lustigen Gesellen in
ihrer Stube schon ausgebreitet. Da lagen Jacken,
Hüte, Federbüsche, Tabackspfeifen und blanke
Schwerdter in der buntesten Verwirrung umher,
und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht
unter die wilden Gäste, die halbentkleidet auf Bet¬
ten, Tischen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬
ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde
bald Wein angeschaft, man sezte sich in die Run¬
de, sang und trank des Grafen Gesundheit.
Friedrich'n war heute dabey sonderbar zu Mu¬
the. Er war seit mehreren Jahren diese Lebens¬
weise gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal
aufgegangen, wie diese freye Jugend ihm so keck
und muthig in's Gesicht sah. Nun, da er von dem
allem auf immer Abschied nehmen sollte, war ihm
wie einem, der von einem lustigen Maskenballe
auf die Gasse hinaustritt, wo sich alles nüchtern
fortbewegt wie vorher. Er schlich sich unbemerkt
aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon,
der von dem Mittelgange des Hauses über die Do¬
nau hinausgieng. Der Gesang der Studenten, zu¬
weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen,
schallte aus den Fenstern, die einen langen Schein
in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war sehr
finster. Als er sich über das Geländer hinauslehn¬
te, glaubte er neben sich athmen zu hören. Er
langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine,
zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an
sich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht
an. Er erkannte an der hohen Gestalt sogleich das

Unterdeß hatten ſich die luſtigen Geſellen in
ihrer Stube ſchon ausgebreitet. Da lagen Jacken,
Hüte, Federbüſche, Tabackspfeifen und blanke
Schwerdter in der bunteſten Verwirrung umher,
und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht
unter die wilden Gäſte, die halbentkleidet auf Bet¬
ten, Tiſchen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬
ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde
bald Wein angeſchaft, man ſezte ſich in die Run¬
de, ſang und trank des Grafen Geſundheit.
Friedrich'n war heute dabey ſonderbar zu Mu¬
the. Er war ſeit mehreren Jahren dieſe Lebens¬
weiſe gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal
aufgegangen, wie dieſe freye Jugend ihm ſo keck
und muthig in's Geſicht ſah. Nun, da er von dem
allem auf immer Abſchied nehmen ſollte, war ihm
wie einem, der von einem luſtigen Maskenballe
auf die Gaſſe hinaustritt, wo ſich alles nüchtern
fortbewegt wie vorher. Er ſchlich ſich unbemerkt
aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon,
der von dem Mittelgange des Hauſes über die Do¬
nau hinausgieng. Der Geſang der Studenten, zu¬
weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen,
ſchallte aus den Fenſtern, die einen langen Schein
in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war ſehr
finſter. Als er ſich über das Geländer hinauslehn¬
te, glaubte er neben ſich athmen zu hören. Er
langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine,
zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an
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an. Er erkannte an der hohen Geſtalt ſogleich das

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[14/0020] Unterdeß hatten ſich die luſtigen Geſellen in ihrer Stube ſchon ausgebreitet. Da lagen Jacken, Hüte, Federbüſche, Tabackspfeifen und blanke Schwerdter in der bunteſten Verwirrung umher, und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht unter die wilden Gäſte, die halbentkleidet auf Bet¬ ten, Tiſchen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬ ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde bald Wein angeſchaft, man ſezte ſich in die Run¬ de, ſang und trank des Grafen Geſundheit. Friedrich'n war heute dabey ſonderbar zu Mu¬ the. Er war ſeit mehreren Jahren dieſe Lebens¬ weiſe gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal aufgegangen, wie dieſe freye Jugend ihm ſo keck und muthig in's Geſicht ſah. Nun, da er von dem allem auf immer Abſchied nehmen ſollte, war ihm wie einem, der von einem luſtigen Maskenballe auf die Gaſſe hinaustritt, wo ſich alles nüchtern fortbewegt wie vorher. Er ſchlich ſich unbemerkt aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon, der von dem Mittelgange des Hauſes über die Do¬ nau hinausgieng. Der Geſang der Studenten, zu¬ weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen, ſchallte aus den Fenſtern, die einen langen Schein in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war ſehr finſter. Als er ſich über das Geländer hinauslehn¬ te, glaubte er neben ſich athmen zu hören. Er langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine, zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an ſich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht an. Er erkannte an der hohen Geſtalt ſogleich das

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/20>, abgerufen am 23.04.2024.