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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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sich vielmehr still in sich an den den Ausgelassenhei¬
ten der lustigen Gesellen; ein gemeiner Menschen¬
sinn hätte ihn leicht für einfältig gehalten. Von
beiden Seiten sangen die Vögel aus dem Walde,
der Wiederhall von dem Rufen und Schießen irrte
weit in den Bergen umher, ein frischer Wind strich
über das Wasser, und so fuhren die Studenten in
ihren bunten, phantastischen Trachten wie das Schiff
der Argonauten. Und so fahre denn, frische Ju¬
gend! Glaube es nicht, daß es einmal anders
wird auf Erden. Unsere freudigen Gedanken wer¬
den niemals alt und die Jugend ist ewig.

Wer von Regensburg her auf der Donau hin¬
abgefahren ist, der kennt die herrliche Stelle, wel¬
che der Wirbel genannt wird. Hohe Bergschluften
umgeben den wunderbaren Ort. In der Mitte des
Stromes steht ein seltsam geformter Fels, von
dem ein hohes Kreutz Trost- und Friedenreich in
den Sturz und Streit der empörten Wogen hinab¬
schaut. Kein Mensch ist hier zu sehen, kein Vogel
singt, nur der Wald von den Bergen und der
furchtbare Kreis, der alles Leben in seinen uner¬
gründlichen Schlund hinabzieht, rauschen hier seit
Jahrhunderten gleichförmig fort. Der Mund des
Wirbels öffnet sich von Zeit zu Zeit dunkelblickend,
wie das Auge des Todes. Der Mensch fühlt sich
auf einmal verlassen in der Gewalt des feindseli¬
gen, unbekannten Elements, und das Kreutz auf
dem Felsen tritt hier in seiner heiligsten und grö߬
ten Bedeutung hervor. Alle wurden bey diesem

ſich vielmehr ſtill in ſich an den den Ausgelaſſenhei¬
ten der luſtigen Geſellen; ein gemeiner Menſchen¬
ſinn hätte ihn leicht für einfältig gehalten. Von
beiden Seiten ſangen die Vögel aus dem Walde,
der Wiederhall von dem Rufen und Schießen irrte
weit in den Bergen umher, ein friſcher Wind ſtrich
über das Waſſer, und ſo fuhren die Studenten in
ihren bunten, phantaſtiſchen Trachten wie das Schiff
der Argonauten. Und ſo fahre denn, friſche Ju¬
gend! Glaube es nicht, daß es einmal anders
wird auf Erden. Unſere freudigen Gedanken wer¬
den niemals alt und die Jugend iſt ewig.

Wer von Regensburg her auf der Donau hin¬
abgefahren iſt, der kennt die herrliche Stelle, wel¬
che der Wirbel genannt wird. Hohe Bergſchluften
umgeben den wunderbaren Ort. In der Mitte des
Stromes ſteht ein ſeltſam geformter Fels, von
dem ein hohes Kreutz Troſt- und Friedenreich in
den Sturz und Streit der empörten Wogen hinab¬
ſchaut. Kein Menſch iſt hier zu ſehen, kein Vogel
ſingt, nur der Wald von den Bergen und der
furchtbare Kreis, der alles Leben in ſeinen uner¬
gründlichen Schlund hinabzieht, rauſchen hier ſeit
Jahrhunderten gleichförmig fort. Der Mund des
Wirbels öffnet ſich von Zeit zu Zeit dunkelblickend,
wie das Auge des Todes. Der Menſch fühlt ſich
auf einmal verlaſſen in der Gewalt des feindſeli¬
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[10/0016] ſich vielmehr ſtill in ſich an den den Ausgelaſſenhei¬ ten der luſtigen Geſellen; ein gemeiner Menſchen¬ ſinn hätte ihn leicht für einfältig gehalten. Von beiden Seiten ſangen die Vögel aus dem Walde, der Wiederhall von dem Rufen und Schießen irrte weit in den Bergen umher, ein friſcher Wind ſtrich über das Waſſer, und ſo fuhren die Studenten in ihren bunten, phantaſtiſchen Trachten wie das Schiff der Argonauten. Und ſo fahre denn, friſche Ju¬ gend! Glaube es nicht, daß es einmal anders wird auf Erden. Unſere freudigen Gedanken wer¬ den niemals alt und die Jugend iſt ewig. Wer von Regensburg her auf der Donau hin¬ abgefahren iſt, der kennt die herrliche Stelle, wel¬ che der Wirbel genannt wird. Hohe Bergſchluften umgeben den wunderbaren Ort. In der Mitte des Stromes ſteht ein ſeltſam geformter Fels, von dem ein hohes Kreutz Troſt- und Friedenreich in den Sturz und Streit der empörten Wogen hinab¬ ſchaut. Kein Menſch iſt hier zu ſehen, kein Vogel ſingt, nur der Wald von den Bergen und der furchtbare Kreis, der alles Leben in ſeinen uner¬ gründlichen Schlund hinabzieht, rauſchen hier ſeit Jahrhunderten gleichförmig fort. Der Mund des Wirbels öffnet ſich von Zeit zu Zeit dunkelblickend, wie das Auge des Todes. Der Menſch fühlt ſich auf einmal verlaſſen in der Gewalt des feindſeli¬ gen, unbekannten Elements, und das Kreutz auf dem Felſen tritt hier in ſeiner heiligſten und grö߬ ten Bedeutung hervor. Alle wurden bey dieſem

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/16>, abgerufen am 23.04.2024.