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[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893.

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wagt, wo alle übrigen Künste nur für halbwerthige Stiefschwestern der Alleinherrscherin gelten. Ein musik-fanatischer Professor und Hauptästhetikus widerspricht ihm energisch und führt ein paar schlecht gezielte aber brutal gemeinte Hiebe gegen die Bildhauerei.

"Sie reden sich um den Hals, mein Wertester!" ruft er mit siegesgewisser Stimme. "Sie könnten ebenso gut in einer Moschee behaupten, daß Allah nicht Allah und Mahomet nicht sein Prophet sei, wie unter dieser begeisterten Jugend, daß es etwas Göttlicheres gäbe, als die Musik, und daß jemals die Hingebung an sie, ihr Dienst, ihr Cultus zu weit getrieben werden könne. Was würden Sie sagen, wenn Jemand behauptete, wer neun Stunden des Tags den Meißel führe, dem müsse mit der Zeit Hören und Sehen vergehen, dessen geistige Kraft werde zuletzt erstarren und verstarren, und seine Seele so staubig und schmutzig werden, wie die Blouse, in der er seine Steine klopft?"

Worauf Jansen ihm antwortet:

"Was ich sagen würde? Daß es in jeder Kunst Künstler und Handwerker gibt, und daß die letzteren ebenso wenig von dem Gotte wissen, dem sie dienen, wie der Küster, der in der Kirche ausfegt und mit dem Klingelbeutel herumgeht. Nur eine Kunst von allen kennt den Stand der Werkstatt nicht, hat keine Handlanger und Gehülfen, höchstens Pfuscher, die sich Meister dünken; aber selbst diese wissen nichts von bloßen seelenmordenden und sinnelähmenden Fingerfertigkeiten, und darum ist sie die höchste und göttlichste, vor der die andern sich neigen, die sie als ihre Herrin und Meisterin verehren sollten. Ihnen, der Sie Vorlesungen über Aesthetik zu halten pflegen, würde ich mich schämen noch ausdrücklich zu sagen, daß ich hier von der Poesie rede, wenn Sie nicht in Ihrem"

wagt, wo alle übrigen Künste nur für halbwerthige Stiefschwestern der Alleinherrscherin gelten. Ein musik-fanatischer Professor und Hauptästhetikus widerspricht ihm energisch und führt ein paar schlecht gezielte aber brutal gemeinte Hiebe gegen die Bildhauerei.

„Sie reden sich um den Hals, mein Wertester!“ ruft er mit siegesgewisser Stimme. „Sie könnten ebenso gut in einer Moschee behaupten, daß Allah nicht Allah und Mahomet nicht sein Prophet sei, wie unter dieser begeisterten Jugend, daß es etwas Göttlicheres gäbe, als die Musik, und daß jemals die Hingebung an sie, ihr Dienst, ihr Cultus zu weit getrieben werden könne. Was würden Sie sagen, wenn Jemand behauptete, wer neun Stunden des Tags den Meißel führe, dem müsse mit der Zeit Hören und Sehen vergehen, dessen geistige Kraft werde zuletzt erstarren und verstarren, und seine Seele so staubig und schmutzig werden, wie die Blouse, in der er seine Steine klopft?“

Worauf Jansen ihm antwortet:

„Was ich sagen würde? Daß es in jeder Kunst Künstler und Handwerker gibt, und daß die letzteren ebenso wenig von dem Gotte wissen, dem sie dienen, wie der Küster, der in der Kirche ausfegt und mit dem Klingelbeutel herumgeht. Nur eine Kunst von allen kennt den Stand der Werkstatt nicht, hat keine Handlanger und Gehülfen, höchstens Pfuscher, die sich Meister dünken; aber selbst diese wissen nichts von bloßen seelenmordenden und sinnelähmenden Fingerfertigkeiten, und darum ist sie die höchste und göttlichste, vor der die andern sich neigen, die sie als ihre Herrin und Meisterin verehren sollten. Ihnen, der Sie Vorlesungen über Aesthetik zu halten pflegen, würde ich mich schämen noch ausdrücklich zu sagen, daß ich hier von der Poesie rede, wenn Sie nicht in Ihrem“

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[14/0016] wagt, wo alle übrigen Künste nur für halbwerthige Stiefschwestern der Alleinherrscherin gelten. Ein musik-fanatischer Professor und Hauptästhetikus widerspricht ihm energisch und führt ein paar schlecht gezielte aber brutal gemeinte Hiebe gegen die Bildhauerei. „Sie reden sich um den Hals, mein Wertester!“ ruft er mit siegesgewisser Stimme. „Sie könnten ebenso gut in einer Moschee behaupten, daß Allah nicht Allah und Mahomet nicht sein Prophet sei, wie unter dieser begeisterten Jugend, daß es etwas Göttlicheres gäbe, als die Musik, und daß jemals die Hingebung an sie, ihr Dienst, ihr Cultus zu weit getrieben werden könne. Was würden Sie sagen, wenn Jemand behauptete, wer neun Stunden des Tags den Meißel führe, dem müsse mit der Zeit Hören und Sehen vergehen, dessen geistige Kraft werde zuletzt erstarren und verstarren, und seine Seele so staubig und schmutzig werden, wie die Blouse, in der er seine Steine klopft?“ Worauf Jansen ihm antwortet: „Was ich sagen würde? Daß es in jeder Kunst Künstler und Handwerker gibt, und daß die letzteren ebenso wenig von dem Gotte wissen, dem sie dienen, wie der Küster, der in der Kirche ausfegt und mit dem Klingelbeutel herumgeht. Nur eine Kunst von allen kennt den Stand der Werkstatt nicht, hat keine Handlanger und Gehülfen, höchstens Pfuscher, die sich Meister dünken; aber selbst diese wissen nichts von bloßen seelenmordenden und sinnelähmenden Fingerfertigkeiten, und darum ist sie die höchste und göttlichste, vor der die andern sich neigen, die sie als ihre Herrin und Meisterin verehren sollten. Ihnen, der Sie Vorlesungen über Aesthetik zu halten pflegen, würde ich mich schämen noch ausdrücklich zu sagen, daß ich hier von der Poesie rede, wenn Sie nicht in Ihrem“

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Zitationshilfe: [Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckstein_dudler_1893/16>, abgerufen am 29.03.2024.