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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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gesprochen, dann aber gedachten wir des Professor Gött¬
ling
und seiner italienischen Reise.

"Ich kann es dem Guten nicht verargen, sagte
Goethe, daß er von Italien mit solcher Begeisterung
redet; weiß ich doch wie mir selber zu Muthe gewesen
ist! Ja ich kann sagen, daß ich nur in Rom empfun¬
den habe, was eigentlich ein Mensch sey. -- Zu dieser
Höhe, zu diesem Glück der Empfindung bin ich später
nie wieder gekommen; ich bin, mit meinem Zustande in
Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh ge¬
worden."

"Doch wir wollen uns nicht melancholischen Be¬
trachtungen hingeben, fuhr Goethe nach einer Pause
fort; wie geht es mit Ihrem Fair maid of Perth? Wie
hält es sich? Wie weit sind Sie? Erzählen Sie mir
und geben Sie Rechenschaft."

Ich lese langsam, sagte ich; ich bin jedoch bis zu
der Scene vorgerückt, wo Proutfut in der Rüstung von
Henri Smith, dessen Gang und dessen Art zu pfeifen
er nachahmt, erschlagen und am andern Morgen von
den Bürgern in den Straßen von Perth gefunden wird,
die ihn für Henri Smith halten und darüber die ganze
Stadt in Allarm setzen.

"Ja, sagte Goethe, die Scene ist bedeutend, sie ist
eine der besten."

Ich habe dabey besonders bewundert, fuhr ich fort,
in wie hohem Grade Walter Scott das Talent besitzt,

geſprochen, dann aber gedachten wir des Profeſſor Goͤtt¬
ling
und ſeiner italieniſchen Reiſe.

„Ich kann es dem Guten nicht verargen, ſagte
Goethe, daß er von Italien mit ſolcher Begeiſterung
redet; weiß ich doch wie mir ſelber zu Muthe geweſen
iſt! Ja ich kann ſagen, daß ich nur in Rom empfun¬
den habe, was eigentlich ein Menſch ſey. — Zu dieſer
Hoͤhe, zu dieſem Gluͤck der Empfindung bin ich ſpaͤter
nie wieder gekommen; ich bin, mit meinem Zuſtande in
Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh ge¬
worden.“

„Doch wir wollen uns nicht melancholiſchen Be¬
trachtungen hingeben, fuhr Goethe nach einer Pauſe
fort; wie geht es mit Ihrem Fair maid of Perth? Wie
haͤlt es ſich? Wie weit ſind Sie? Erzaͤhlen Sie mir
und geben Sie Rechenſchaft.“

Ich leſe langſam, ſagte ich; ich bin jedoch bis zu
der Scene vorgeruͤckt, wo Proutfut in der Ruͤſtung von
Henri Smith, deſſen Gang und deſſen Art zu pfeifen
er nachahmt, erſchlagen und am andern Morgen von
den Buͤrgern in den Straßen von Perth gefunden wird,
die ihn fuͤr Henri Smith halten und daruͤber die ganze
Stadt in Allarm ſetzen.

„Ja, ſagte Goethe, die Scene iſt bedeutend, ſie iſt
eine der beſten.“

Ich habe dabey beſonders bewundert, fuhr ich fort,
in wie hohem Grade Walter Scott das Talent beſitzt,

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[26/0036] geſprochen, dann aber gedachten wir des Profeſſor Goͤtt¬ ling und ſeiner italieniſchen Reiſe. „Ich kann es dem Guten nicht verargen, ſagte Goethe, daß er von Italien mit ſolcher Begeiſterung redet; weiß ich doch wie mir ſelber zu Muthe geweſen iſt! Ja ich kann ſagen, daß ich nur in Rom empfun¬ den habe, was eigentlich ein Menſch ſey. — Zu dieſer Hoͤhe, zu dieſem Gluͤck der Empfindung bin ich ſpaͤter nie wieder gekommen; ich bin, mit meinem Zuſtande in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh ge¬ worden.“ „Doch wir wollen uns nicht melancholiſchen Be¬ trachtungen hingeben, fuhr Goethe nach einer Pauſe fort; wie geht es mit Ihrem Fair maid of Perth? Wie haͤlt es ſich? Wie weit ſind Sie? Erzaͤhlen Sie mir und geben Sie Rechenſchaft.“ Ich leſe langſam, ſagte ich; ich bin jedoch bis zu der Scene vorgeruͤckt, wo Proutfut in der Ruͤſtung von Henri Smith, deſſen Gang und deſſen Art zu pfeifen er nachahmt, erſchlagen und am andern Morgen von den Buͤrgern in den Straßen von Perth gefunden wird, die ihn fuͤr Henri Smith halten und daruͤber die ganze Stadt in Allarm ſetzen. „Ja, ſagte Goethe, die Scene iſt bedeutend, ſie iſt eine der beſten.“ Ich habe dabey beſonders bewundert, fuhr ich fort, in wie hohem Grade Walter Scott das Talent beſitzt,

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/36>, abgerufen am 24.04.2024.