Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

meinen Mund verkünden läßt: ,Wir Massageten sind nicht
durch unsre eigne Schuld, sondern wegen großer Heim-
suchungen unsres Gottes, der Sonne, zu schwach gewor-
den, euch Persern widerstehen zu können. Wir wissen,
daß ihr gegen uns ein großes Heer gerüstet habt, und sind
bereit, durch alljährlich zu zahlende Schätze den Frieden
und die Freiheit von euch zu erkaufen. -- Wisset, daß
wenn ihr trotzdem versuchen wolltet, uns durch Waffenge-
walt zu bezwingen, ihr euch selbst den größten Schaden
zufügen würdet. -- Sobald sich ein Heer dem Araxes
nähern sollte, werden wir Alle, mit Weibern und Kin-
dern, aufbrechen und eine andre Heimat suchen, denn wir
wohnen nicht, wie ihr, in festen Städten und Häusern,
sondern sind gewöhnt auf unsern Rossen umherzuschweifen
und unter Zelten zu ruhen. -- Unser Gold werden wir
mit uns nehmen und die versteckten Gruben verschütten
und vernichten, in welchen ihr neue Schätze finden könn-
tet. Wir kennen alle Orte, an denen edle Metalle schlum-
mern, und sind bereit, euch solche in reichem Maße zu-
kommen zu lassen, wenn ihr uns Frieden und Freiheit
gewährt; überzieht ihr uns aber mit Krieg, so werdet ihr
nichts gewinnen, als eine menschenleere Steppe und einen
unerreichbaren Feind, welcher euch furchtbar werden könnte,
sobald er sich von den harten Verlusten, die seine Reihen
lichteten, erholt haben wird. -- Laßt ihr uns Frieden und
Freiheit, so sind wir gern bereit, euch außer dem Golde
jährlich fünftausend schnelle Steppenpferde zuzusenden und
euch beizustehen, sobald dem Perserreiche ernstliche Gefah-
ren drohen.'

Der Botschafter schwieg. Kambyses schaute sinnend
zu Boden, zauderte lange mit der Antwort und sagte end-
lich, indem er sich von seinem Thron' erhob: "Wir werden heut

meinen Mund verkünden läßt: ‚Wir Maſſageten ſind nicht
durch unſre eigne Schuld, ſondern wegen großer Heim-
ſuchungen unſres Gottes, der Sonne, zu ſchwach gewor-
den, euch Perſern widerſtehen zu können. Wir wiſſen,
daß ihr gegen uns ein großes Heer gerüſtet habt, und ſind
bereit, durch alljährlich zu zahlende Schätze den Frieden
und die Freiheit von euch zu erkaufen. — Wiſſet, daß
wenn ihr trotzdem verſuchen wolltet, uns durch Waffenge-
walt zu bezwingen, ihr euch ſelbſt den größten Schaden
zufügen würdet. — Sobald ſich ein Heer dem Araxes
nähern ſollte, werden wir Alle, mit Weibern und Kin-
dern, aufbrechen und eine andre Heimat ſuchen, denn wir
wohnen nicht, wie ihr, in feſten Städten und Häuſern,
ſondern ſind gewöhnt auf unſern Roſſen umherzuſchweifen
und unter Zelten zu ruhen. — Unſer Gold werden wir
mit uns nehmen und die verſteckten Gruben verſchütten
und vernichten, in welchen ihr neue Schätze finden könn-
tet. Wir kennen alle Orte, an denen edle Metalle ſchlum-
mern, und ſind bereit, euch ſolche in reichem Maße zu-
kommen zu laſſen, wenn ihr uns Frieden und Freiheit
gewährt; überzieht ihr uns aber mit Krieg, ſo werdet ihr
nichts gewinnen, als eine menſchenleere Steppe und einen
unerreichbaren Feind, welcher euch furchtbar werden könnte,
ſobald er ſich von den harten Verluſten, die ſeine Reihen
lichteten, erholt haben wird. — Laßt ihr uns Frieden und
Freiheit, ſo ſind wir gern bereit, euch außer dem Golde
jährlich fünftauſend ſchnelle Steppenpferde zuzuſenden und
euch beizuſtehen, ſobald dem Perſerreiche ernſtliche Gefah-
ren drohen.‘

Der Botſchafter ſchwieg. Kambyſes ſchaute ſinnend
zu Boden, zauderte lange mit der Antwort und ſagte end-
lich, indem er ſich von ſeinem Thron’ erhob: „Wir werden heut

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="79"/>
meinen Mund verkünden läßt: &#x201A;Wir Ma&#x017F;&#x017F;ageten &#x017F;ind nicht<lb/>
durch un&#x017F;re eigne Schuld, &#x017F;ondern wegen großer Heim-<lb/>
&#x017F;uchungen un&#x017F;res Gottes, der Sonne, zu &#x017F;chwach gewor-<lb/>
den, euch Per&#x017F;ern wider&#x017F;tehen zu können. Wir wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß ihr gegen uns ein großes Heer gerü&#x017F;tet habt, und &#x017F;ind<lb/>
bereit, durch alljährlich zu zahlende Schätze den Frieden<lb/>
und die Freiheit von euch zu erkaufen. &#x2014; Wi&#x017F;&#x017F;et, daß<lb/>
wenn ihr trotzdem ver&#x017F;uchen wolltet, uns durch Waffenge-<lb/>
walt zu bezwingen, ihr euch &#x017F;elb&#x017F;t den größten Schaden<lb/>
zufügen würdet. &#x2014; Sobald &#x017F;ich ein Heer dem Araxes<lb/>
nähern &#x017F;ollte, werden wir Alle, mit Weibern und Kin-<lb/>
dern, aufbrechen und eine andre Heimat &#x017F;uchen, denn wir<lb/>
wohnen nicht, wie ihr, in fe&#x017F;ten Städten und Häu&#x017F;ern,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ind gewöhnt auf un&#x017F;ern Ro&#x017F;&#x017F;en umherzu&#x017F;chweifen<lb/>
und unter Zelten zu ruhen. &#x2014; Un&#x017F;er Gold werden wir<lb/>
mit uns nehmen und die ver&#x017F;teckten Gruben ver&#x017F;chütten<lb/>
und vernichten, in welchen ihr neue Schätze finden könn-<lb/>
tet. Wir kennen alle Orte, an denen edle Metalle &#x017F;chlum-<lb/>
mern, und &#x017F;ind bereit, euch &#x017F;olche in reichem Maße zu-<lb/>
kommen zu la&#x017F;&#x017F;en, wenn ihr uns Frieden und Freiheit<lb/>
gewährt; überzieht ihr uns aber mit Krieg, &#x017F;o werdet ihr<lb/>
nichts gewinnen, als eine men&#x017F;chenleere Steppe und einen<lb/>
unerreichbaren Feind, welcher euch furchtbar werden könnte,<lb/>
&#x017F;obald er &#x017F;ich von den harten Verlu&#x017F;ten, die &#x017F;eine Reihen<lb/>
lichteten, erholt haben wird. &#x2014; Laßt ihr uns Frieden und<lb/>
Freiheit, &#x017F;o &#x017F;ind wir gern bereit, euch außer dem Golde<lb/>
jährlich fünftau&#x017F;end &#x017F;chnelle Steppenpferde zuzu&#x017F;enden und<lb/>
euch beizu&#x017F;tehen, &#x017F;obald dem Per&#x017F;erreiche ern&#x017F;tliche Gefah-<lb/>
ren drohen.&#x2018;</p><lb/>
        <p>Der Bot&#x017F;chafter &#x017F;chwieg. Kamby&#x017F;es &#x017F;chaute &#x017F;innend<lb/>
zu Boden, zauderte lange mit der Antwort und &#x017F;agte end-<lb/>
lich, indem er &#x017F;ich von &#x017F;einem Thron&#x2019; erhob: &#x201E;Wir werden heut<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0081] meinen Mund verkünden läßt: ‚Wir Maſſageten ſind nicht durch unſre eigne Schuld, ſondern wegen großer Heim- ſuchungen unſres Gottes, der Sonne, zu ſchwach gewor- den, euch Perſern widerſtehen zu können. Wir wiſſen, daß ihr gegen uns ein großes Heer gerüſtet habt, und ſind bereit, durch alljährlich zu zahlende Schätze den Frieden und die Freiheit von euch zu erkaufen. — Wiſſet, daß wenn ihr trotzdem verſuchen wolltet, uns durch Waffenge- walt zu bezwingen, ihr euch ſelbſt den größten Schaden zufügen würdet. — Sobald ſich ein Heer dem Araxes nähern ſollte, werden wir Alle, mit Weibern und Kin- dern, aufbrechen und eine andre Heimat ſuchen, denn wir wohnen nicht, wie ihr, in feſten Städten und Häuſern, ſondern ſind gewöhnt auf unſern Roſſen umherzuſchweifen und unter Zelten zu ruhen. — Unſer Gold werden wir mit uns nehmen und die verſteckten Gruben verſchütten und vernichten, in welchen ihr neue Schätze finden könn- tet. Wir kennen alle Orte, an denen edle Metalle ſchlum- mern, und ſind bereit, euch ſolche in reichem Maße zu- kommen zu laſſen, wenn ihr uns Frieden und Freiheit gewährt; überzieht ihr uns aber mit Krieg, ſo werdet ihr nichts gewinnen, als eine menſchenleere Steppe und einen unerreichbaren Feind, welcher euch furchtbar werden könnte, ſobald er ſich von den harten Verluſten, die ſeine Reihen lichteten, erholt haben wird. — Laßt ihr uns Frieden und Freiheit, ſo ſind wir gern bereit, euch außer dem Golde jährlich fünftauſend ſchnelle Steppenpferde zuzuſenden und euch beizuſtehen, ſobald dem Perſerreiche ernſtliche Gefah- ren drohen.‘ Der Botſchafter ſchwieg. Kambyſes ſchaute ſinnend zu Boden, zauderte lange mit der Antwort und ſagte end- lich, indem er ſich von ſeinem Thron’ erhob: „Wir werden heut

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/81
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/81>, abgerufen am 29.03.2024.