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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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können wir nicht kämpfen! Jch werde die Streiter entlas-
sen und euch einen Statthalter senden. Seid mir will-
kommen als neue Unterthanen meines Reichs!"

Bei diesen Worten des Königs stieg hohe Röthe in
die Wangen des massagetischen Helden, welcher mit be-
bender Stimme entgegnete: "Du irrst, o Herrscher, wenn
Du denkst, daß wir die alte Tapferkeit verlernt oder Lust
bekommen hätten, Knechte zu werden. Aber wir kennen
Deine Macht und wissen, daß die kleine von Krieg und
Pest verschonte Zahl unsrer Landsleute Deinen unzählba-
ren wohlgerüsteten Heeren nicht widerstehen kann. Ehrlich
und offen, nach Massageten Art, bekennen wir dieß; doch
wir erklären zu gleicher Zeit, daß wir uns selbst zu regie-
ren fortfahren und niemals ertragen werden, von einem
persischen Satrapen Gesetze und Vorschriften zu empfangen.
-- Du siehst mich zürnend an; ich aber wiederhole Dir
meine Erklärung."

"Jhr habt nur eine Wahl!" rief Kambyses. "Ent-
weder unterwerft ihr euch meinem Scepter, schließt euch
unter dem Namen der massagetischen Provinz an das
Reich der Perser an, empfangt einen Satrapen, den Stell-
vertreter meiner eignen Person, mit gebührender Ehrfurcht,
oder ihr betrachtet euch als meine Feinde und bequemt
euch, von meinen Heeren gezwungen, zu denselben Dingen,
welche ich euch jetzt im Guten anbiete. -- Heute könnt ihr
noch einen Vater gewinnen; später werdet ihr einen Er-
oberer und Rächer in mir zu fürchten haben. Bedenkt
dieß wohl, eh' ihr antwortet!"

"Wir haben Alles vorher erwogen," antwortete der
Krieger, "und eingesehen, daß wir, die freien Söhne der
Steppe, viel eher den Tod, als die Knechtschaft gewinnen
mögen. -- Höre, was Dir der Rath unsrer Greise durch

können wir nicht kämpfen! Jch werde die Streiter entlaſ-
ſen und euch einen Statthalter ſenden. Seid mir will-
kommen als neue Unterthanen meines Reichs!“

Bei dieſen Worten des Königs ſtieg hohe Röthe in
die Wangen des maſſagetiſchen Helden, welcher mit be-
bender Stimme entgegnete: „Du irrſt, o Herrſcher, wenn
Du denkſt, daß wir die alte Tapferkeit verlernt oder Luſt
bekommen hätten, Knechte zu werden. Aber wir kennen
Deine Macht und wiſſen, daß die kleine von Krieg und
Peſt verſchonte Zahl unſrer Landsleute Deinen unzählba-
ren wohlgerüſteten Heeren nicht widerſtehen kann. Ehrlich
und offen, nach Maſſageten Art, bekennen wir dieß; doch
wir erklären zu gleicher Zeit, daß wir uns ſelbſt zu regie-
ren fortfahren und niemals ertragen werden, von einem
perſiſchen Satrapen Geſetze und Vorſchriften zu empfangen.
— Du ſiehſt mich zürnend an; ich aber wiederhole Dir
meine Erklärung.“

„Jhr habt nur eine Wahl!“ rief Kambyſes. „Ent-
weder unterwerft ihr euch meinem Scepter, ſchließt euch
unter dem Namen der maſſagetiſchen Provinz an das
Reich der Perſer an, empfangt einen Satrapen, den Stell-
vertreter meiner eignen Perſon, mit gebührender Ehrfurcht,
oder ihr betrachtet euch als meine Feinde und bequemt
euch, von meinen Heeren gezwungen, zu denſelben Dingen,
welche ich euch jetzt im Guten anbiete. — Heute könnt ihr
noch einen Vater gewinnen; ſpäter werdet ihr einen Er-
oberer und Rächer in mir zu fürchten haben. Bedenkt
dieß wohl, eh’ ihr antwortet!“

„Wir haben Alles vorher erwogen,“ antwortete der
Krieger, „und eingeſehen, daß wir, die freien Söhne der
Steppe, viel eher den Tod, als die Knechtſchaft gewinnen
mögen. — Höre, was Dir der Rath unſrer Greiſe durch

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[78/0080] können wir nicht kämpfen! Jch werde die Streiter entlaſ- ſen und euch einen Statthalter ſenden. Seid mir will- kommen als neue Unterthanen meines Reichs!“ Bei dieſen Worten des Königs ſtieg hohe Röthe in die Wangen des maſſagetiſchen Helden, welcher mit be- bender Stimme entgegnete: „Du irrſt, o Herrſcher, wenn Du denkſt, daß wir die alte Tapferkeit verlernt oder Luſt bekommen hätten, Knechte zu werden. Aber wir kennen Deine Macht und wiſſen, daß die kleine von Krieg und Peſt verſchonte Zahl unſrer Landsleute Deinen unzählba- ren wohlgerüſteten Heeren nicht widerſtehen kann. Ehrlich und offen, nach Maſſageten Art, bekennen wir dieß; doch wir erklären zu gleicher Zeit, daß wir uns ſelbſt zu regie- ren fortfahren und niemals ertragen werden, von einem perſiſchen Satrapen Geſetze und Vorſchriften zu empfangen. — Du ſiehſt mich zürnend an; ich aber wiederhole Dir meine Erklärung.“ „Jhr habt nur eine Wahl!“ rief Kambyſes. „Ent- weder unterwerft ihr euch meinem Scepter, ſchließt euch unter dem Namen der maſſagetiſchen Provinz an das Reich der Perſer an, empfangt einen Satrapen, den Stell- vertreter meiner eignen Perſon, mit gebührender Ehrfurcht, oder ihr betrachtet euch als meine Feinde und bequemt euch, von meinen Heeren gezwungen, zu denſelben Dingen, welche ich euch jetzt im Guten anbiete. — Heute könnt ihr noch einen Vater gewinnen; ſpäter werdet ihr einen Er- oberer und Rächer in mir zu fürchten haben. Bedenkt dieß wohl, eh’ ihr antwortet!“ „Wir haben Alles vorher erwogen,“ antwortete der Krieger, „und eingeſehen, daß wir, die freien Söhne der Steppe, viel eher den Tod, als die Knechtſchaft gewinnen mögen. — Höre, was Dir der Rath unſrer Greiſe durch

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/80>, abgerufen am 19.04.2024.