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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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daß mir Großes zu gewähren bevorsteht, darum soll er
bis zu meinem Geburtstage warten und mir beim Trink-
gelage, wenn der Wein ihm Muth gegeben hat, zuflüstern,
was er sich jetzt zu erbitten scheut. Laß die Forderung
groß sein, Bartja! Jch bin glücklich, und wünsche darum
all' meine Freunde glücklich zu sehen!"

Bartja lächelte ihm zu und begab sich zu seiner Mut-
ter, um derselben, jetzt zum Erstenmale, mitzutheilen, was
sein Herz ersehnte.

Er fürchtete auf harten Widerstand zu stoßen; Krö-
sus hatte ihm aber so gut vorgearbeitet und der Blinden
so viel Rühmliches von Sappho erzählt, ihre Tugend und
Anmuth, ihre Künste und Gaben so hoch gepriesen, daß
die Mädchen den Greis mit der Enkelin der Rhodopis
geneckt hatten, und Kassandane jetzt, nach kurzem Sträuben,
den Bitten ihres Lieblings nachgab.

"Eine Hellenin die rechte Gemahlin eines persischen
Königssohnes!" rief die Blinde. "Das ist noch niemals
da gewesen! Was wird Kambyses sagen? -- Wie werden
wir seine Zustimmung erlangen?"

"Darüber kannst Du unbesorgt sein, Mütterchen,"
erwiederte Bartja. "Jch bin der Einwilligung meines
Bruders ebenso sicher, als daß Sappho eine Zierde unsres
Hauses werden wird."

"Krösus hat mir viel Schönes und Gutes von der
Jungfrau erzählt, und ich freue mich, daß Du endlich
entschlossen bist, Dich zu vermählen. Aber eigentlich ziemte
sich solche Ehe nicht für den Sohn des Kyros. Auch gebe
ich Dir zu bedenken, daß die Achämeniden ein zukünftiges
Kind dieser Hellenin schwerlich als ihren König anerken-
nen werden, wenn Kambyses ohne Söhne bleiben sollte."

"Jch fürchte Nichts, denn mein Sinn steht durchaus

daß mir Großes zu gewähren bevorſteht, darum ſoll er
bis zu meinem Geburtstage warten und mir beim Trink-
gelage, wenn der Wein ihm Muth gegeben hat, zuflüſtern,
was er ſich jetzt zu erbitten ſcheut. Laß die Forderung
groß ſein, Bartja! Jch bin glücklich, und wünſche darum
all’ meine Freunde glücklich zu ſehen!“

Bartja lächelte ihm zu und begab ſich zu ſeiner Mut-
ter, um derſelben, jetzt zum Erſtenmale, mitzutheilen, was
ſein Herz erſehnte.

Er fürchtete auf harten Widerſtand zu ſtoßen; Krö-
ſus hatte ihm aber ſo gut vorgearbeitet und der Blinden
ſo viel Rühmliches von Sappho erzählt, ihre Tugend und
Anmuth, ihre Künſte und Gaben ſo hoch geprieſen, daß
die Mädchen den Greis mit der Enkelin der Rhodopis
geneckt hatten, und Kaſſandane jetzt, nach kurzem Sträuben,
den Bitten ihres Lieblings nachgab.

„Eine Hellenin die rechte Gemahlin eines perſiſchen
Königsſohnes!“ rief die Blinde. „Das iſt noch niemals
da geweſen! Was wird Kambyſes ſagen? — Wie werden
wir ſeine Zuſtimmung erlangen?“

„Darüber kannſt Du unbeſorgt ſein, Mütterchen,“
erwiederte Bartja. „Jch bin der Einwilligung meines
Bruders ebenſo ſicher, als daß Sappho eine Zierde unſres
Hauſes werden wird.“

„Kröſus hat mir viel Schönes und Gutes von der
Jungfrau erzählt, und ich freue mich, daß Du endlich
entſchloſſen biſt, Dich zu vermählen. Aber eigentlich ziemte
ſich ſolche Ehe nicht für den Sohn des Kyros. Auch gebe
ich Dir zu bedenken, daß die Achämeniden ein zukünftiges
Kind dieſer Hellenin ſchwerlich als ihren König anerken-
nen werden, wenn Kambyſes ohne Söhne bleiben ſollte.“

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[60/0062] daß mir Großes zu gewähren bevorſteht, darum ſoll er bis zu meinem Geburtstage warten und mir beim Trink- gelage, wenn der Wein ihm Muth gegeben hat, zuflüſtern, was er ſich jetzt zu erbitten ſcheut. Laß die Forderung groß ſein, Bartja! Jch bin glücklich, und wünſche darum all’ meine Freunde glücklich zu ſehen!“ Bartja lächelte ihm zu und begab ſich zu ſeiner Mut- ter, um derſelben, jetzt zum Erſtenmale, mitzutheilen, was ſein Herz erſehnte. Er fürchtete auf harten Widerſtand zu ſtoßen; Krö- ſus hatte ihm aber ſo gut vorgearbeitet und der Blinden ſo viel Rühmliches von Sappho erzählt, ihre Tugend und Anmuth, ihre Künſte und Gaben ſo hoch geprieſen, daß die Mädchen den Greis mit der Enkelin der Rhodopis geneckt hatten, und Kaſſandane jetzt, nach kurzem Sträuben, den Bitten ihres Lieblings nachgab. „Eine Hellenin die rechte Gemahlin eines perſiſchen Königsſohnes!“ rief die Blinde. „Das iſt noch niemals da geweſen! Was wird Kambyſes ſagen? — Wie werden wir ſeine Zuſtimmung erlangen?“ „Darüber kannſt Du unbeſorgt ſein, Mütterchen,“ erwiederte Bartja. „Jch bin der Einwilligung meines Bruders ebenſo ſicher, als daß Sappho eine Zierde unſres Hauſes werden wird.“ „Kröſus hat mir viel Schönes und Gutes von der Jungfrau erzählt, und ich freue mich, daß Du endlich entſchloſſen biſt, Dich zu vermählen. Aber eigentlich ziemte ſich ſolche Ehe nicht für den Sohn des Kyros. Auch gebe ich Dir zu bedenken, daß die Achämeniden ein zukünftiges Kind dieſer Hellenin ſchwerlich als ihren König anerken- nen werden, wenn Kambyſes ohne Söhne bleiben ſollte.“ „Jch fürchte Nichts, denn mein Sinn ſteht durchaus

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/62>, abgerufen am 28.03.2024.