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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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fremd, denn wie möchte ich diejenige lieben, welche ihren
besten Freunden, den Göttern und den Sitten der Heimat,
so willig und schnell treulos werden kann?"

Boges, der Eunuch, merkte sehr bald, daß der
Augenarzt der zukünftigen Gattin seines Königs zürne;
darum bemühte er sich, denselben zu seinem Bundesgenossen
zu machen; Nebenchari wies aber seine schmeichlerischen
Anreden, seine Geschenke und Aufmerksamkeiten entschieden
zurück.

So oft ein Angare mit irgend einer Botschaft an den
König in den Schloßhof einritt, beeilte sich der Eunuch
denselben auszufragen, woher er komme und ob er nichts
von dem Heere gegen die Tapuren vernommen habe?

Endlich erschien der erwünschte Bote, welcher die Nach-
richt brachte, der aufrührerische Stamm sei vollkommen
gebändigt und Bartja werde binnen Kurzem heimkehren.

Drei Wochen vergingen, Bote auf Bote meldete das
Nahen des siegreichen Prinzen, die Straßen prangten wie-
derum im reichsten Festschmucke, das Heer zog in Babylon
ein, Bartja dankte dem jubelnden Volke und lag bald
darauf in den Armen seiner Mutter.

Auch Kambyses empfing seinen Bruder mit großer
Herzlichkeit und führte denselben absichtlich zu Kassandane,
als er wußte, daß sich Nitetis bei derselben befinde.

Sein Herz war voll von der Gewißheit, daß ihn die
Aegypterin liebe. Er wollte Bartja zeigen, daß er ihr
vertraue, und nannte seine frühere Eifersucht einen thörich-
ten Wahn.

Seine Liebe machte ihn mild und freundlich, seine
Hände wurden niemals müde zu schenken und wohl zu
thun, sein Zorn war eingeschlummert und die Krähen
Babylons umkreisten jetzt, vor Hunger schreiend, den Platz,

fremd, denn wie möchte ich diejenige lieben, welche ihren
beſten Freunden, den Göttern und den Sitten der Heimat,
ſo willig und ſchnell treulos werden kann?“

Boges, der Eunuch, merkte ſehr bald, daß der
Augenarzt der zukünftigen Gattin ſeines Königs zürne;
darum bemühte er ſich, denſelben zu ſeinem Bundesgenoſſen
zu machen; Nebenchari wies aber ſeine ſchmeichleriſchen
Anreden, ſeine Geſchenke und Aufmerkſamkeiten entſchieden
zurück.

So oft ein Angare mit irgend einer Botſchaft an den
König in den Schloßhof einritt, beeilte ſich der Eunuch
denſelben auszufragen, woher er komme und ob er nichts
von dem Heere gegen die Tapuren vernommen habe?

Endlich erſchien der erwünſchte Bote, welcher die Nach-
richt brachte, der aufrühreriſche Stamm ſei vollkommen
gebändigt und Bartja werde binnen Kurzem heimkehren.

Drei Wochen vergingen, Bote auf Bote meldete das
Nahen des ſiegreichen Prinzen, die Straßen prangten wie-
derum im reichſten Feſtſchmucke, das Heer zog in Babylon
ein, Bartja dankte dem jubelnden Volke und lag bald
darauf in den Armen ſeiner Mutter.

Auch Kambyſes empfing ſeinen Bruder mit großer
Herzlichkeit und führte denſelben abſichtlich zu Kaſſandane,
als er wußte, daß ſich Nitetis bei derſelben befinde.

Sein Herz war voll von der Gewißheit, daß ihn die
Aegypterin liebe. Er wollte Bartja zeigen, daß er ihr
vertraue, und nannte ſeine frühere Eiferſucht einen thörich-
ten Wahn.

Seine Liebe machte ihn mild und freundlich, ſeine
Hände wurden niemals müde zu ſchenken und wohl zu
thun, ſein Zorn war eingeſchlummert und die Krähen
Babylons umkreisten jetzt, vor Hunger ſchreiend, den Platz,

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[57/0059] fremd, denn wie möchte ich diejenige lieben, welche ihren beſten Freunden, den Göttern und den Sitten der Heimat, ſo willig und ſchnell treulos werden kann?“ Boges, der Eunuch, merkte ſehr bald, daß der Augenarzt der zukünftigen Gattin ſeines Königs zürne; darum bemühte er ſich, denſelben zu ſeinem Bundesgenoſſen zu machen; Nebenchari wies aber ſeine ſchmeichleriſchen Anreden, ſeine Geſchenke und Aufmerkſamkeiten entſchieden zurück. So oft ein Angare mit irgend einer Botſchaft an den König in den Schloßhof einritt, beeilte ſich der Eunuch denſelben auszufragen, woher er komme und ob er nichts von dem Heere gegen die Tapuren vernommen habe? Endlich erſchien der erwünſchte Bote, welcher die Nach- richt brachte, der aufrühreriſche Stamm ſei vollkommen gebändigt und Bartja werde binnen Kurzem heimkehren. Drei Wochen vergingen, Bote auf Bote meldete das Nahen des ſiegreichen Prinzen, die Straßen prangten wie- derum im reichſten Feſtſchmucke, das Heer zog in Babylon ein, Bartja dankte dem jubelnden Volke und lag bald darauf in den Armen ſeiner Mutter. Auch Kambyſes empfing ſeinen Bruder mit großer Herzlichkeit und führte denſelben abſichtlich zu Kaſſandane, als er wußte, daß ſich Nitetis bei derſelben befinde. Sein Herz war voll von der Gewißheit, daß ihn die Aegypterin liebe. Er wollte Bartja zeigen, daß er ihr vertraue, und nannte ſeine frühere Eiferſucht einen thörich- ten Wahn. Seine Liebe machte ihn mild und freundlich, ſeine Hände wurden niemals müde zu ſchenken und wohl zu thun, ſein Zorn war eingeſchlummert und die Krähen Babylons umkreisten jetzt, vor Hunger ſchreiend, den Platz,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/59>, abgerufen am 29.03.2024.