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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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wird," rief Atossa, "dann hast Du ihn der heiligsten Pflicht
eines Menschen beraubt, dann hast Du ihn verhindert, die
Seele unseres Vaters zu rächen!"

"Schweig," herrschte Kambyses seine Schwester an,
"damit ich Dich nicht lehre, was Weibern und Kindern
ziemt. Das Glückskind Bartja wird am Leben bleiben
und sich hoffentlich jene Liebe verdienen, welche man ihm
jetzt als Almosen in den Schooß wirft."

"Wie magst Du also reden? Schmückt Deinen Bru-
der nicht jede Tugend des Mannes? Jst es seine Schuld,
daß er noch keine Gelegenheit hatte, sich gleich Dir im
Kampfe hervorzuthun?" fragte Kassandane. -- "Du bist
der König, dessen Befehl ich achte; meinen Sohn möchte
ich aber tadeln, weil er seine blinde Mutter, ich weiß
nicht aus welchem Grunde, der schönsten Freude ihres Al-
ters beraubt. -- Bartja wäre gern bis zum Massageten-
kriege bei uns geblieben; doch Deinem Starrsinn gefiel es
anders ..."

"Und was ich will ist gut!" unterbrach Kambyses,
dessen Wangen blaß geworden waren, seine Mutter. "Jch
will von dieser Sache nie wieder reden hören!"

Mit diesen Worten verließ er jählings das Zimmer
und begab sich von seinem großen Gefolge, welches ihn,
wohin er auch gehen mochte, nicht verließ, begleitet, in
den Empfangssaal. --

Schon vor einer Stunde hatte Kambyses das Gemach
seiner Mutter verlassen, und noch immer saß Nitetis neben
der lieblichen Atossa zu Füßen der Greisin.

Die Perserinnen lauschten den Erzählungen der neuen
Freundin und wurden nicht müde, sich nach den Merkwür-
digkeiten Aegyptens zu erkundigen.

"O wie gern möcht ich Deine Heimat besuchen!" rief

wird,“ rief Atoſſa, „dann haſt Du ihn der heiligſten Pflicht
eines Menſchen beraubt, dann haſt Du ihn verhindert, die
Seele unſeres Vaters zu rächen!“

„Schweig,“ herrſchte Kambyſes ſeine Schweſter an,
„damit ich Dich nicht lehre, was Weibern und Kindern
ziemt. Das Glückskind Bartja wird am Leben bleiben
und ſich hoffentlich jene Liebe verdienen, welche man ihm
jetzt als Almoſen in den Schooß wirft.“

„Wie magſt Du alſo reden? Schmückt Deinen Bru-
der nicht jede Tugend des Mannes? Jſt es ſeine Schuld,
daß er noch keine Gelegenheit hatte, ſich gleich Dir im
Kampfe hervorzuthun?“ fragte Kaſſandane. — „Du biſt
der König, deſſen Befehl ich achte; meinen Sohn möchte
ich aber tadeln, weil er ſeine blinde Mutter, ich weiß
nicht aus welchem Grunde, der ſchönſten Freude ihres Al-
ters beraubt. — Bartja wäre gern bis zum Maſſageten-
kriege bei uns geblieben; doch Deinem Starrſinn gefiel es
anders ...“

„Und was ich will iſt gut!“ unterbrach Kambyſes,
deſſen Wangen blaß geworden waren, ſeine Mutter. „Jch
will von dieſer Sache nie wieder reden hören!“

Mit dieſen Worten verließ er jählings das Zimmer
und begab ſich von ſeinem großen Gefolge, welches ihn,
wohin er auch gehen mochte, nicht verließ, begleitet, in
den Empfangsſaal. —

Schon vor einer Stunde hatte Kambyſes das Gemach
ſeiner Mutter verlaſſen, und noch immer ſaß Nitetis neben
der lieblichen Atoſſa zu Füßen der Greiſin.

Die Perſerinnen lauſchten den Erzählungen der neuen
Freundin und wurden nicht müde, ſich nach den Merkwür-
digkeiten Aegyptens zu erkundigen.

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[40/0042] wird,“ rief Atoſſa, „dann haſt Du ihn der heiligſten Pflicht eines Menſchen beraubt, dann haſt Du ihn verhindert, die Seele unſeres Vaters zu rächen!“ „Schweig,“ herrſchte Kambyſes ſeine Schweſter an, „damit ich Dich nicht lehre, was Weibern und Kindern ziemt. Das Glückskind Bartja wird am Leben bleiben und ſich hoffentlich jene Liebe verdienen, welche man ihm jetzt als Almoſen in den Schooß wirft.“ „Wie magſt Du alſo reden? Schmückt Deinen Bru- der nicht jede Tugend des Mannes? Jſt es ſeine Schuld, daß er noch keine Gelegenheit hatte, ſich gleich Dir im Kampfe hervorzuthun?“ fragte Kaſſandane. — „Du biſt der König, deſſen Befehl ich achte; meinen Sohn möchte ich aber tadeln, weil er ſeine blinde Mutter, ich weiß nicht aus welchem Grunde, der ſchönſten Freude ihres Al- ters beraubt. — Bartja wäre gern bis zum Maſſageten- kriege bei uns geblieben; doch Deinem Starrſinn gefiel es anders ...“ „Und was ich will iſt gut!“ unterbrach Kambyſes, deſſen Wangen blaß geworden waren, ſeine Mutter. „Jch will von dieſer Sache nie wieder reden hören!“ Mit dieſen Worten verließ er jählings das Zimmer und begab ſich von ſeinem großen Gefolge, welches ihn, wohin er auch gehen mochte, nicht verließ, begleitet, in den Empfangsſaal. — Schon vor einer Stunde hatte Kambyſes das Gemach ſeiner Mutter verlaſſen, und noch immer ſaß Nitetis neben der lieblichen Atoſſa zu Füßen der Greiſin. Die Perſerinnen lauſchten den Erzählungen der neuen Freundin und wurden nicht müde, ſich nach den Merkwür- digkeiten Aegyptens zu erkundigen. „O wie gern möcht ich Deine Heimat beſuchen!“ rief

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/42>, abgerufen am 29.03.2024.