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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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nachdem Krösus sie verlassen hatte, nach ihren Befehlen
erkundigte."

"Angramainjus verderbe Deine Zunge," murmelte
der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den
Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in seine
Gemächer begleiteten.



Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja
mit seinen Freunden und einem großen Dienertrosse der
tapurischen Grenze entgegen. Krösus begleitete die jun-
gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der
letzten Umarmung, flüsterte Bartja seinem greisen Freunde
zu: "Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein
Schreiben in seinem Felleisen haben, so sende mir dasselbe
nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus
Naukratis sehne."

"Wirst Du die griechischen Schriftzüge lesen kön-
nen?"

"Gyges und die Liebe werden mir helfen!"

"Nitetis, der ich von Deiner Abreise erzählt habe,
läßt Dich grüßen und Dir sagen, Du möchtest nicht an
Aegypten vergessen."

"Gewiß nicht!"

"Am wenigsten an Naukratis! -- Die Götter mögen
Dich behüten, mein Sohn. Sei vorsichtig, wage Dein
Leben nicht unnützer Weise und bedenke, daß Du Dir nicht
mehr allein gehörst! Sei milde, wie Dein Vater, gegen
die Aufrührer, welche sich nicht aus Uebermuth, sondern
für den schönsten Besitz des Menschen, die Freiheit, erhoben
haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweisen besser
ist als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber

nachdem Kröſus ſie verlaſſen hatte, nach ihren Befehlen
erkundigte.“

„Angramainjus verderbe Deine Zunge,“ murmelte
der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den
Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in ſeine
Gemächer begleiteten.



Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja
mit ſeinen Freunden und einem großen Dienertroſſe der
tapuriſchen Grenze entgegen. Kröſus begleitete die jun-
gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der
letzten Umarmung, flüſterte Bartja ſeinem greiſen Freunde
zu: „Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein
Schreiben in ſeinem Felleiſen haben, ſo ſende mir daſſelbe
nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus
Naukratis ſehne.“

„Wirſt Du die griechiſchen Schriftzüge leſen kön-
nen?“

„Gyges und die Liebe werden mir helfen!“

„Nitetis, der ich von Deiner Abreiſe erzählt habe,
läßt Dich grüßen und Dir ſagen, Du möchteſt nicht an
Aegypten vergeſſen.“

„Gewiß nicht!“

„Am wenigſten an Naukratis! — Die Götter mögen
Dich behüten, mein Sohn. Sei vorſichtig, wage Dein
Leben nicht unnützer Weiſe und bedenke, daß Du Dir nicht
mehr allein gehörſt! Sei milde, wie Dein Vater, gegen
die Aufrührer, welche ſich nicht aus Uebermuth, ſondern
für den ſchönſten Beſitz des Menſchen, die Freiheit, erhoben
haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweiſen beſſer
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[28/0030] nachdem Kröſus ſie verlaſſen hatte, nach ihren Befehlen erkundigte.“ „Angramainjus verderbe Deine Zunge,“ murmelte der König, dem Eunuchen den Rücken kehrend und den Fackelträgern und Auskleidern folgend, welche ihn in ſeine Gemächer begleiteten. Um die Mittagszeit des folgenden Tages ritt Bartja mit ſeinen Freunden und einem großen Dienertroſſe der tapuriſchen Grenze entgegen. Kröſus begleitete die jun- gen Helden bis an die Thore von Babylon. Vor der letzten Umarmung, flüſterte Bartja ſeinem greiſen Freunde zu: „Sollte der Bote aus Aegypten auch für mich ein Schreiben in ſeinem Felleiſen haben, ſo ſende mir daſſelbe nach; Du weißt, wie ich mich nach einem Briefe aus Naukratis ſehne.“ „Wirſt Du die griechiſchen Schriftzüge leſen kön- nen?“ „Gyges und die Liebe werden mir helfen!“ „Nitetis, der ich von Deiner Abreiſe erzählt habe, läßt Dich grüßen und Dir ſagen, Du möchteſt nicht an Aegypten vergeſſen.“ „Gewiß nicht!“ „Am wenigſten an Naukratis! — Die Götter mögen Dich behüten, mein Sohn. Sei vorſichtig, wage Dein Leben nicht unnützer Weiſe und bedenke, daß Du Dir nicht mehr allein gehörſt! Sei milde, wie Dein Vater, gegen die Aufrührer, welche ſich nicht aus Uebermuth, ſondern für den ſchönſten Beſitz des Menſchen, die Freiheit, erhoben haben. Bedenke auch, daß Wohlthaten zu erweiſen beſſer iſt als Blut zu vergießen, denn das Schwert tödtet; aber

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/30>, abgerufen am 29.03.2024.