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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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ließ sich von demselben, nachdem er ihn herzlich bewillkomm-
net hatte, in seine Vermuthungen einweihen.

Der lebhafte Greis folgte ihm immer aufmerksamer,
hob, als Phanes schwieg, seine Hände zum Himmel empor
und rief: "Verzeiht mir, ihr ewigen Götter, wenn ich
jemals an eurer Gerechtigkeit zweifelte. Jst es nicht
wunderbar, Kambyses? Mein Sohn stürzte sich in Gefahr,
um diesem edlen Manne das Leben zu retten, und jetzt
führen die Götter den Geretteten nach Persien, um Alles,
was Gyges ihm erzeigte, zehnfach wieder gut zu machen!
Wäre Phanes von den Aegyptern umgebracht worden, so
würden vielleicht schon in dieser Stunde die Häupter un-
serer Söhne gefallen sein!"

Bei diesen Worten warf sich Krösus an die Brust
des Hystaspes, der, gleich ihm, seinen Lieblingssohn zum
zweitenmale geboren werden sah.

Der König, Phanes und die persischen Würdenträger
sahen tief bewegt auf die sich umarmenden Greise. Keiner
der Anwesenden zweifelte mehr an der Unschuld des Bartja,
obgleich dieselbe bisher nur durch Vermuthungen begründet
worden war. Wo der Glaube an die Schuld gering ist,
pflegt der Vertheidiger offne Ohren zu finden.



ließ ſich von demſelben, nachdem er ihn herzlich bewillkomm-
net hatte, in ſeine Vermuthungen einweihen.

Der lebhafte Greis folgte ihm immer aufmerkſamer,
hob, als Phanes ſchwieg, ſeine Hände zum Himmel empor
und rief: „Verzeiht mir, ihr ewigen Götter, wenn ich
jemals an eurer Gerechtigkeit zweifelte. Jſt es nicht
wunderbar, Kambyſes? Mein Sohn ſtürzte ſich in Gefahr,
um dieſem edlen Manne das Leben zu retten, und jetzt
führen die Götter den Geretteten nach Perſien, um Alles,
was Gyges ihm erzeigte, zehnfach wieder gut zu machen!
Wäre Phanes von den Aegyptern umgebracht worden, ſo
würden vielleicht ſchon in dieſer Stunde die Häupter un-
ſerer Söhne gefallen ſein!“

Bei dieſen Worten warf ſich Kröſus an die Bruſt
des Hyſtaspes, der, gleich ihm, ſeinen Lieblingsſohn zum
zweitenmale geboren werden ſah.

Der König, Phanes und die perſiſchen Würdenträger
ſahen tief bewegt auf die ſich umarmenden Greiſe. Keiner
der Anweſenden zweifelte mehr an der Unſchuld des Bartja,
obgleich dieſelbe bisher nur durch Vermuthungen begründet
worden war. Wo der Glaube an die Schuld gering iſt,
pflegt der Vertheidiger offne Ohren zu finden.



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[221/0223] ließ ſich von demſelben, nachdem er ihn herzlich bewillkomm- net hatte, in ſeine Vermuthungen einweihen. Der lebhafte Greis folgte ihm immer aufmerkſamer, hob, als Phanes ſchwieg, ſeine Hände zum Himmel empor und rief: „Verzeiht mir, ihr ewigen Götter, wenn ich jemals an eurer Gerechtigkeit zweifelte. Jſt es nicht wunderbar, Kambyſes? Mein Sohn ſtürzte ſich in Gefahr, um dieſem edlen Manne das Leben zu retten, und jetzt führen die Götter den Geretteten nach Perſien, um Alles, was Gyges ihm erzeigte, zehnfach wieder gut zu machen! Wäre Phanes von den Aegyptern umgebracht worden, ſo würden vielleicht ſchon in dieſer Stunde die Häupter un- ſerer Söhne gefallen ſein!“ Bei dieſen Worten warf ſich Kröſus an die Bruſt des Hyſtaspes, der, gleich ihm, ſeinen Lieblingsſohn zum zweitenmale geboren werden ſah. Der König, Phanes und die perſiſchen Würdenträger ſahen tief bewegt auf die ſich umarmenden Greiſe. Keiner der Anweſenden zweifelte mehr an der Unſchuld des Bartja, obgleich dieſelbe bisher nur durch Vermuthungen begründet worden war. Wo der Glaube an die Schuld gering iſt, pflegt der Vertheidiger offne Ohren zu finden.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/223>, abgerufen am 28.03.2024.