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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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fügte Kambyses hinzu. "Nimm Dich in Acht, Hellene,
und bedenke, daß mein Arm weit reicht! Jch werde die
Wahrhaftigkeit Deiner Erzählung prüfen lassen!"

"Jch bin gewöhnt," versetzte der Athener, sich tief
verneigend, "der Lehre des weisen Pythagoras, dessen Ruhm
vielleicht auch bis zu Dir gedrungen ist, zu folgen, und
stets, ehe ich rede, mit mir zu berathschlagen, ob das, was
ich sage, mich nicht in der Zukunft reuen könnte."

"Das klingt schön und weise; aber, beim Mithra,
ich habe ein Wesen gekannt, das den Namen desselben
Lehrers oftmals im Munde führte und sich in seinen Thaten
als treuste Schülerin des Angramainjus bewährte. Du
kennst die Verrätherin, welche heute noch, gleich einer gif-
tigen Natter, von der Erde getilgt werden soll."

"Wirst Du mir verzeihen," fragte Phanes, welcher
den tiefen Schmerz, der die Züge des Königs erfüllte,
bemerkt hatte, "wenn ich Dir einen andern Spruch unseres
großen Meisters zurufe?"

"Rede!"

"Jedes Gut wird ebenso schnell verloren, als ge-
wonnen; darum trage, wenn Dir die Götter Schmerzen
bereiten, Dein Geschick in Geduld. Murre nicht unwillig,
sondern bedenke, daß Niemanden von den Göttern schwerere
Lasten auferlegt werden, als er zu tragen vermag. Hast
Du eine Herzenswunde, so berühre dieselbe ebensowenig,
als ein leidendes Auge. Gegen Schmerzen der Seele gibt
es nur zwei Arzneimittel: ,Hoffnung und Geduld!'"

Kambyses folgte diesen, den goldnen Sprüchen des
Pythagoras entlehnten, Worten und lächelte bitter, als er
das Wort "Geduld" vernahm. Aber die Rede des Phanes
hatte ihm gefallen, und er forderte denselben auf, weiter
zu erzählen.

fügte Kambyſes hinzu. „Nimm Dich in Acht, Hellene,
und bedenke, daß mein Arm weit reicht! Jch werde die
Wahrhaftigkeit Deiner Erzählung prüfen laſſen!“

„Jch bin gewöhnt,“ verſetzte der Athener, ſich tief
verneigend, „der Lehre des weiſen Pythagoras, deſſen Ruhm
vielleicht auch bis zu Dir gedrungen iſt, zu folgen, und
ſtets, ehe ich rede, mit mir zu berathſchlagen, ob das, was
ich ſage, mich nicht in der Zukunft reuen könnte.“

„Das klingt ſchön und weiſe; aber, beim Mithra,
ich habe ein Weſen gekannt, das den Namen desſelben
Lehrers oftmals im Munde führte und ſich in ſeinen Thaten
als treuſte Schülerin des Angramainjus bewährte. Du
kennſt die Verrätherin, welche heute noch, gleich einer gif-
tigen Natter, von der Erde getilgt werden ſoll.“

„Wirſt Du mir verzeihen,“ fragte Phanes, welcher
den tiefen Schmerz, der die Züge des Königs erfüllte,
bemerkt hatte, „wenn ich Dir einen andern Spruch unſeres
großen Meiſters zurufe?“

„Rede!“

„Jedes Gut wird ebenſo ſchnell verloren, als ge-
wonnen; darum trage, wenn Dir die Götter Schmerzen
bereiten, Dein Geſchick in Geduld. Murre nicht unwillig,
ſondern bedenke, daß Niemanden von den Göttern ſchwerere
Laſten auferlegt werden, als er zu tragen vermag. Haſt
Du eine Herzenswunde, ſo berühre dieſelbe ebenſowenig,
als ein leidendes Auge. Gegen Schmerzen der Seele gibt
es nur zwei Arzneimittel: ‚Hoffnung und Geduld!‘“

Kambyſes folgte dieſen, den goldnen Sprüchen des
Pythagoras entlehnten, Worten und lächelte bitter, als er
das Wort „Geduld“ vernahm. Aber die Rede des Phanes
hatte ihm gefallen, und er forderte denſelben auf, weiter
zu erzählen.

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[213/0215] fügte Kambyſes hinzu. „Nimm Dich in Acht, Hellene, und bedenke, daß mein Arm weit reicht! Jch werde die Wahrhaftigkeit Deiner Erzählung prüfen laſſen!“ „Jch bin gewöhnt,“ verſetzte der Athener, ſich tief verneigend, „der Lehre des weiſen Pythagoras, deſſen Ruhm vielleicht auch bis zu Dir gedrungen iſt, zu folgen, und ſtets, ehe ich rede, mit mir zu berathſchlagen, ob das, was ich ſage, mich nicht in der Zukunft reuen könnte.“ „Das klingt ſchön und weiſe; aber, beim Mithra, ich habe ein Weſen gekannt, das den Namen desſelben Lehrers oftmals im Munde führte und ſich in ſeinen Thaten als treuſte Schülerin des Angramainjus bewährte. Du kennſt die Verrätherin, welche heute noch, gleich einer gif- tigen Natter, von der Erde getilgt werden ſoll.“ „Wirſt Du mir verzeihen,“ fragte Phanes, welcher den tiefen Schmerz, der die Züge des Königs erfüllte, bemerkt hatte, „wenn ich Dir einen andern Spruch unſeres großen Meiſters zurufe?“ „Rede!“ „Jedes Gut wird ebenſo ſchnell verloren, als ge- wonnen; darum trage, wenn Dir die Götter Schmerzen bereiten, Dein Geſchick in Geduld. Murre nicht unwillig, ſondern bedenke, daß Niemanden von den Göttern ſchwerere Laſten auferlegt werden, als er zu tragen vermag. Haſt Du eine Herzenswunde, ſo berühre dieſelbe ebenſowenig, als ein leidendes Auge. Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: ‚Hoffnung und Geduld!‘“ Kambyſes folgte dieſen, den goldnen Sprüchen des Pythagoras entlehnten, Worten und lächelte bitter, als er das Wort „Geduld“ vernahm. Aber die Rede des Phanes hatte ihm gefallen, und er forderte denſelben auf, weiter zu erzählen.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/215>, abgerufen am 23.04.2024.