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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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sich, wie man uns erzählt hatte, zu Deinem Wiegenfeste
in der Stadt, um die Pracht Deines Hofes anzustaunen
und Deine Freigebigkeit zu genießen. Endlich drang un-
regelmäßiger Hufschlag und Glöckchengeläute an mein Ohr,
und wenige Augenblicke später vernahm ich deutliche Hülfe-
rufe. Schnell entschlossen, nöthigte ich den mich zu Pferde
begleitenden persischen Diener abzusteigen, schwang mich in
seinen Sattel, befahl dem Fuhrknechte, welcher den Karren,
auf dem meine Sklaven saßen, lenkte, seine Maulthiere
nicht zu schonen, lockerte meinen Dolch und mein Schwert,
gab dem Pferde die Sporen und jagte dem immer lauter
werdenden Hülferuf entgegen. Jch war noch keine Minute
geritten, als ich Zeuge eines entsetzlichen Schauspiels wurde.
Drei wildaussehende Burschen rissen einen Jüngling, der
das weiße Gewand der Magier trug, vom Pferde, be-
täubten ihn mit Schlägen und waren, als ich vor ihnen
stand, soeben im Begriff, ihr Opfer in den Euphrat zu
werfen, der an dieser Stelle die Wurzeln der Palmen und
Feigenbäume, welche die Landstraße einfassen, bespült.
Schnell entschlossen, stieß ich mein hellenisches Schlacht-
geschrei aus, das schon manchen Feind erbeben ließ, stürzte
mich auf die Mörder, die, feige wie alle Menschen ihres
Gelichters, sobald sie einen ihrer Spießgesellen mit ge-
spaltenem Schädel daliegen sahen, die Flucht ergriffen.
Jch ließ die Elenden laufen und beugte mich über den
schwer verwundeten Jüngling. Wer beschreibt mein Ent-
setzen, als ich in demselben Deinen Bruder Bartja zu er-
kennen glaubte! Ja, das waren dieselben Züge, welche
ich zu Naukratis und in der Werkstätte des Theodoros
gesehen, das waren ..."

"Wunderbar!" unterbrach Hystaspes den Erzähler.

"Vielleicht allzu wunderbar, um glaubhaft zu sein,"

ſich, wie man uns erzählt hatte, zu Deinem Wiegenfeſte
in der Stadt, um die Pracht Deines Hofes anzuſtaunen
und Deine Freigebigkeit zu genießen. Endlich drang un-
regelmäßiger Hufſchlag und Glöckchengeläute an mein Ohr,
und wenige Augenblicke ſpäter vernahm ich deutliche Hülfe-
rufe. Schnell entſchloſſen, nöthigte ich den mich zu Pferde
begleitenden perſiſchen Diener abzuſteigen, ſchwang mich in
ſeinen Sattel, befahl dem Fuhrknechte, welcher den Karren,
auf dem meine Sklaven ſaßen, lenkte, ſeine Maulthiere
nicht zu ſchonen, lockerte meinen Dolch und mein Schwert,
gab dem Pferde die Sporen und jagte dem immer lauter
werdenden Hülferuf entgegen. Jch war noch keine Minute
geritten, als ich Zeuge eines entſetzlichen Schauſpiels wurde.
Drei wildausſehende Burſchen riſſen einen Jüngling, der
das weiße Gewand der Magier trug, vom Pferde, be-
täubten ihn mit Schlägen und waren, als ich vor ihnen
ſtand, ſoeben im Begriff, ihr Opfer in den Euphrat zu
werfen, der an dieſer Stelle die Wurzeln der Palmen und
Feigenbäume, welche die Landſtraße einfaſſen, beſpült.
Schnell entſchloſſen, ſtieß ich mein helleniſches Schlacht-
geſchrei aus, das ſchon manchen Feind erbeben ließ, ſtürzte
mich auf die Mörder, die, feige wie alle Menſchen ihres
Gelichters, ſobald ſie einen ihrer Spießgeſellen mit ge-
ſpaltenem Schädel daliegen ſahen, die Flucht ergriffen.
Jch ließ die Elenden laufen und beugte mich über den
ſchwer verwundeten Jüngling. Wer beſchreibt mein Ent-
ſetzen, als ich in demſelben Deinen Bruder Bartja zu er-
kennen glaubte! Ja, das waren dieſelben Züge, welche
ich zu Naukratis und in der Werkſtätte des Theodoros
geſehen, das waren ...“

„Wunderbar!“ unterbrach Hyſtaspes den Erzähler.

„Vielleicht allzu wunderbar, um glaubhaft zu ſein,“

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[212/0214] ſich, wie man uns erzählt hatte, zu Deinem Wiegenfeſte in der Stadt, um die Pracht Deines Hofes anzuſtaunen und Deine Freigebigkeit zu genießen. Endlich drang un- regelmäßiger Hufſchlag und Glöckchengeläute an mein Ohr, und wenige Augenblicke ſpäter vernahm ich deutliche Hülfe- rufe. Schnell entſchloſſen, nöthigte ich den mich zu Pferde begleitenden perſiſchen Diener abzuſteigen, ſchwang mich in ſeinen Sattel, befahl dem Fuhrknechte, welcher den Karren, auf dem meine Sklaven ſaßen, lenkte, ſeine Maulthiere nicht zu ſchonen, lockerte meinen Dolch und mein Schwert, gab dem Pferde die Sporen und jagte dem immer lauter werdenden Hülferuf entgegen. Jch war noch keine Minute geritten, als ich Zeuge eines entſetzlichen Schauſpiels wurde. Drei wildausſehende Burſchen riſſen einen Jüngling, der das weiße Gewand der Magier trug, vom Pferde, be- täubten ihn mit Schlägen und waren, als ich vor ihnen ſtand, ſoeben im Begriff, ihr Opfer in den Euphrat zu werfen, der an dieſer Stelle die Wurzeln der Palmen und Feigenbäume, welche die Landſtraße einfaſſen, beſpült. Schnell entſchloſſen, ſtieß ich mein helleniſches Schlacht- geſchrei aus, das ſchon manchen Feind erbeben ließ, ſtürzte mich auf die Mörder, die, feige wie alle Menſchen ihres Gelichters, ſobald ſie einen ihrer Spießgeſellen mit ge- ſpaltenem Schädel daliegen ſahen, die Flucht ergriffen. Jch ließ die Elenden laufen und beugte mich über den ſchwer verwundeten Jüngling. Wer beſchreibt mein Ent- ſetzen, als ich in demſelben Deinen Bruder Bartja zu er- kennen glaubte! Ja, das waren dieſelben Züge, welche ich zu Naukratis und in der Werkſtätte des Theodoros geſehen, das waren ...“ „Wunderbar!“ unterbrach Hyſtaspes den Erzähler. „Vielleicht allzu wunderbar, um glaubhaft zu ſein,“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/214>, abgerufen am 29.03.2024.