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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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für das Weiberhaus von ihm entnehme, gebeten, mir einen
Brief in griechischer Sprache zu schreiben, der Bartja im
Namen seiner Liebsten aufforderte, sich ganz allein zur
Zeit des Aufgangs des Tistarsterns bei dem ersten vor
dem Euphratthore gelegenen Stationshause einzufinden.
Mit diesem Briefe hatt' ich aber Unglück, denn der Bote,
welcher ihm denselben übergeben sollte, richtete seine Be-
stellung ungeschickt aus. Zwar betheuert er, das Schrei-
ben Bartja selbst übergeben zu haben; es unterliegt aber
keinem Zweifel, daß er dasselbe einem Fremden, wahr-
scheinlich dem Gaumata, einhändigte. Jch war nicht we-
nig erschreckt, als ich erfuhr, Bartja sei am Abende mit
seinen Freunden beim Weine vereint gewesen. Doch, das
Geschehene war nicht rückgängig zu machen, und Zeugen
wie Dein Vater, Hystaspes, Krösus und Jntaphernes
wogen die Aussagen des Darius, Gyges und Araspes
reichlich auf. Hier zeugte man gegen, dort für den Freund.
Schließlich ging doch noch Alles gut. Die jungen Herren
sind zum Tode verurtheilt, und Krösus, welcher sich, wie
immer, dem Könige unverschämte Dinge zu sagen erfrechte,
wird schon sein letztes Stündlein hinter sich haben. Jn
Bezug auf die Aegypterin hat der oberste Schreiber soeben
folgendes Schriftstück aufsetzen müssen. Höre nur, mein
Täubchen, und freue Dich!

"Die ehebrecherische Tochter des Königs von Aegyp-
ten, Nitetis, soll, zur Strafe für ihre Schandthaten, nach
der Strenge des Gesetzes gerichtet werden, und zwar also:
Man setze sie rittlings auf einen Esel und führe sie durch
die Straßen der Stadt, damit das Volk von Babylon
sehe, daß Kambyses die Tochter eines Königs ebenso streng
zu züchtigen weiß, als seine Richter die geringste Bettlerin
bestrafen. Wenn die Sonne untergegangen ist, soll die

für das Weiberhaus von ihm entnehme, gebeten, mir einen
Brief in griechiſcher Sprache zu ſchreiben, der Bartja im
Namen ſeiner Liebſten aufforderte, ſich ganz allein zur
Zeit des Aufgangs des Tiſtarſterns bei dem erſten vor
dem Euphratthore gelegenen Stationshauſe einzufinden.
Mit dieſem Briefe hatt’ ich aber Unglück, denn der Bote,
welcher ihm denſelben übergeben ſollte, richtete ſeine Be-
ſtellung ungeſchickt aus. Zwar betheuert er, das Schrei-
ben Bartja ſelbſt übergeben zu haben; es unterliegt aber
keinem Zweifel, daß er daſſelbe einem Fremden, wahr-
ſcheinlich dem Gaumata, einhändigte. Jch war nicht we-
nig erſchreckt, als ich erfuhr, Bartja ſei am Abende mit
ſeinen Freunden beim Weine vereint geweſen. Doch, das
Geſchehene war nicht rückgängig zu machen, und Zeugen
wie Dein Vater, Hyſtaspes, Kröſus und Jntaphernes
wogen die Ausſagen des Darius, Gyges und Araspes
reichlich auf. Hier zeugte man gegen, dort für den Freund.
Schließlich ging doch noch Alles gut. Die jungen Herren
ſind zum Tode verurtheilt, und Kröſus, welcher ſich, wie
immer, dem Könige unverſchämte Dinge zu ſagen erfrechte,
wird ſchon ſein letztes Stündlein hinter ſich haben. Jn
Bezug auf die Aegypterin hat der oberſte Schreiber ſoeben
folgendes Schriftſtück aufſetzen müſſen. Höre nur, mein
Täubchen, und freue Dich!

„Die ehebrecheriſche Tochter des Königs von Aegyp-
ten, Nitetis, ſoll, zur Strafe für ihre Schandthaten, nach
der Strenge des Geſetzes gerichtet werden, und zwar alſo:
Man ſetze ſie rittlings auf einen Eſel und führe ſie durch
die Straßen der Stadt, damit das Volk von Babylon
ſehe, daß Kambyſes die Tochter eines Königs ebenſo ſtreng
zu züchtigen weiß, als ſeine Richter die geringſte Bettlerin
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[195/0197] für das Weiberhaus von ihm entnehme, gebeten, mir einen Brief in griechiſcher Sprache zu ſchreiben, der Bartja im Namen ſeiner Liebſten aufforderte, ſich ganz allein zur Zeit des Aufgangs des Tiſtarſterns bei dem erſten vor dem Euphratthore gelegenen Stationshauſe einzufinden. Mit dieſem Briefe hatt’ ich aber Unglück, denn der Bote, welcher ihm denſelben übergeben ſollte, richtete ſeine Be- ſtellung ungeſchickt aus. Zwar betheuert er, das Schrei- ben Bartja ſelbſt übergeben zu haben; es unterliegt aber keinem Zweifel, daß er daſſelbe einem Fremden, wahr- ſcheinlich dem Gaumata, einhändigte. Jch war nicht we- nig erſchreckt, als ich erfuhr, Bartja ſei am Abende mit ſeinen Freunden beim Weine vereint geweſen. Doch, das Geſchehene war nicht rückgängig zu machen, und Zeugen wie Dein Vater, Hyſtaspes, Kröſus und Jntaphernes wogen die Ausſagen des Darius, Gyges und Araspes reichlich auf. Hier zeugte man gegen, dort für den Freund. Schließlich ging doch noch Alles gut. Die jungen Herren ſind zum Tode verurtheilt, und Kröſus, welcher ſich, wie immer, dem Könige unverſchämte Dinge zu ſagen erfrechte, wird ſchon ſein letztes Stündlein hinter ſich haben. Jn Bezug auf die Aegypterin hat der oberſte Schreiber ſoeben folgendes Schriftſtück aufſetzen müſſen. Höre nur, mein Täubchen, und freue Dich! „Die ehebrecheriſche Tochter des Königs von Aegyp- ten, Nitetis, ſoll, zur Strafe für ihre Schandthaten, nach der Strenge des Geſetzes gerichtet werden, und zwar alſo: Man ſetze ſie rittlings auf einen Eſel und führe ſie durch die Straßen der Stadt, damit das Volk von Babylon ſehe, daß Kambyſes die Tochter eines Königs ebenſo ſtreng zu züchtigen weiß, als ſeine Richter die geringſte Bettlerin beſtrafen. Wenn die Sonne untergegangen iſt, ſoll die

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/197>, abgerufen am 28.03.2024.