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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Schwächling vom Fieber erfaßt wird, so quält die Eifer-
sucht ein kräftig liebendes Herz furchtbarer, als ein nur
obenhin von der Leidenschaft ergriffenes."

Wenn der große Kenner der Liebe recht hatte, so
mußte Kambyses, dessen Eifersucht so schnell und furchtbar
entflammt war, eine große Leidenschaft für sie empfinden.
-- Jn diese Zuversicht mischten sich fortwährend trübe
Gedanken an die Heimat und finstere Ahnungen, denen sie
ihr Herz nicht verschließen konnte. Als die Mittagssonne
glühend am Himmel brannte, und noch immer keine Nach-
richt von denen, die sie liebte, kam, wurde sie von einer
fieberhaften Unruhe ergriffen, welche sich fort und fort stei-
gerte, bis die Nacht hereinbrach. Als es dunkelte, trat
Boges bei ihr ein und erzählte ihr mit bitterem Hohn,
daß der König ihren Brief an Bartja besitze, und der Gärt-
nerknabe, welcher denselben überbringen sollte, hingerichtet
worden sei. Die gemarterten Nerven der Königstochter
vermochten diesem neuen Schlage nicht zu widerstehen. Ehe
Boges sie verließ, trug er die Besinnungslose in ihr Schlaf-
gemach und riegelte dasselbe sorglich zu.

Wenige Minuten später entstiegen zwei Männer, ein
Jüngling und ein Greis, der Fallthüre, welche Boges vor
zwei Tagen so sorgsam geprüft hatte. Der Alte blieb, sich
an die Wand des Hauses drängend, stehen, während der
Jüngling einer aus einem Fenster winkenden Hand folgte
und sich mit einem Satze in das Zimmer schwang. Liebes-
worte und die Namen Gaumata und Mandane wurden
leise geflüstert, Küsse gewechselt und Schwüre geleistet. End-
lich klatschte der Alte in die Hände. Der Jüngling folgte
sogleich diesem Winke, umarmte die Dienerin der Nitetis
noch einmal, sprang wieder durch das Fenster in den Gar-
ten, eilte an den nahenden Bewunderern der blauen Lilie

Schwächling vom Fieber erfaßt wird, ſo quält die Eifer-
ſucht ein kräftig liebendes Herz furchtbarer, als ein nur
obenhin von der Leidenſchaft ergriffenes.“

Wenn der große Kenner der Liebe recht hatte, ſo
mußte Kambyſes, deſſen Eiferſucht ſo ſchnell und furchtbar
entflammt war, eine große Leidenſchaft für ſie empfinden.
— Jn dieſe Zuverſicht miſchten ſich fortwährend trübe
Gedanken an die Heimat und finſtere Ahnungen, denen ſie
ihr Herz nicht verſchließen konnte. Als die Mittagsſonne
glühend am Himmel brannte, und noch immer keine Nach-
richt von denen, die ſie liebte, kam, wurde ſie von einer
fieberhaften Unruhe ergriffen, welche ſich fort und fort ſtei-
gerte, bis die Nacht hereinbrach. Als es dunkelte, trat
Boges bei ihr ein und erzählte ihr mit bitterem Hohn,
daß der König ihren Brief an Bartja beſitze, und der Gärt-
nerknabe, welcher denſelben überbringen ſollte, hingerichtet
worden ſei. Die gemarterten Nerven der Königstochter
vermochten dieſem neuen Schlage nicht zu widerſtehen. Ehe
Boges ſie verließ, trug er die Beſinnungsloſe in ihr Schlaf-
gemach und riegelte daſſelbe ſorglich zu.

Wenige Minuten ſpäter entſtiegen zwei Männer, ein
Jüngling und ein Greis, der Fallthüre, welche Boges vor
zwei Tagen ſo ſorgſam geprüft hatte. Der Alte blieb, ſich
an die Wand des Hauſes drängend, ſtehen, während der
Jüngling einer aus einem Fenſter winkenden Hand folgte
und ſich mit einem Satze in das Zimmer ſchwang. Liebes-
worte und die Namen Gaumata und Mandane wurden
leiſe geflüſtert, Küſſe gewechſelt und Schwüre geleiſtet. End-
lich klatſchte der Alte in die Hände. Der Jüngling folgte
ſogleich dieſem Winke, umarmte die Dienerin der Nitetis
noch einmal, ſprang wieder durch das Fenſter in den Gar-
ten, eilte an den nahenden Bewunderern der blauen Lilie

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[181/0183] Schwächling vom Fieber erfaßt wird, ſo quält die Eifer- ſucht ein kräftig liebendes Herz furchtbarer, als ein nur obenhin von der Leidenſchaft ergriffenes.“ Wenn der große Kenner der Liebe recht hatte, ſo mußte Kambyſes, deſſen Eiferſucht ſo ſchnell und furchtbar entflammt war, eine große Leidenſchaft für ſie empfinden. — Jn dieſe Zuverſicht miſchten ſich fortwährend trübe Gedanken an die Heimat und finſtere Ahnungen, denen ſie ihr Herz nicht verſchließen konnte. Als die Mittagsſonne glühend am Himmel brannte, und noch immer keine Nach- richt von denen, die ſie liebte, kam, wurde ſie von einer fieberhaften Unruhe ergriffen, welche ſich fort und fort ſtei- gerte, bis die Nacht hereinbrach. Als es dunkelte, trat Boges bei ihr ein und erzählte ihr mit bitterem Hohn, daß der König ihren Brief an Bartja beſitze, und der Gärt- nerknabe, welcher denſelben überbringen ſollte, hingerichtet worden ſei. Die gemarterten Nerven der Königstochter vermochten dieſem neuen Schlage nicht zu widerſtehen. Ehe Boges ſie verließ, trug er die Beſinnungsloſe in ihr Schlaf- gemach und riegelte daſſelbe ſorglich zu. Wenige Minuten ſpäter entſtiegen zwei Männer, ein Jüngling und ein Greis, der Fallthüre, welche Boges vor zwei Tagen ſo ſorgſam geprüft hatte. Der Alte blieb, ſich an die Wand des Hauſes drängend, ſtehen, während der Jüngling einer aus einem Fenſter winkenden Hand folgte und ſich mit einem Satze in das Zimmer ſchwang. Liebes- worte und die Namen Gaumata und Mandane wurden leiſe geflüſtert, Küſſe gewechſelt und Schwüre geleiſtet. End- lich klatſchte der Alte in die Hände. Der Jüngling folgte ſogleich dieſem Winke, umarmte die Dienerin der Nitetis noch einmal, ſprang wieder durch das Fenſter in den Gar- ten, eilte an den nahenden Bewunderern der blauen Lilie

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/183>, abgerufen am 20.04.2024.