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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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aufgehört hatte, noch immer stumm. Endlich rief Bartja,
seine Hände zum Himmel erhebend: "O großer Auramazda!
Warum läßt Du mich nicht enden wie Abradat; warum
müssen wir gleich Mördern eines schmählichen Todes
sterben?"

Jn diesem Augenblicke trat Krösus, von Peitschenträ-
gern geleitet, mit gefesselten Händen in die Halle. Die
Freunde eilten dem Greise entgegen und bestürmten ihn
mit Fragen. Gyges warf sich an die Brust seines Vaters,
und Bartja näherte sich dem Lenker seiner Jugend mit ge-
öffneten Armen.

Die heiteren Züge des Greises waren streng und ernst,
und seine sonst so milden Augen düster, fast drohend. Mit
einer kalten, gebieterischen Handbewegung wies er den Kö-
nigssohn zurück und sagte mit zitternder, Schmerz und Vor-
würfe athmender Stimme: "Laß meine Hand, verblendeter
Knabe; Du bist nicht werth der Liebe, die ich Dir bis zu
diesem Tage schenkte. Vierfach treulos hast Du Deine
Braut verrathen, Deinen Bruder betrogen, Deine Freunde
hintergangen und das Herz der unglücklichen Tochter des
Amasis vergiftet."

Anfänglich hörte Bartja gelassen zu; als aber Krösus
das Wort "betrogen" aussprach, ballten sich seine Fäuste,
und, wild mit dem Fuße stampfend, rief er aus: "Deine
Jahre, Deine Schwäche und der Dank, den ich Dir
schulde, schützen Dich, Greis, sonst würden diese Schmäh-
reden Deine letzten gewesen sein!"

Krösus hörte diesen Ausbruch gerechten Zornes gelassen
an und sagte: "Kambyses und Du seid eines Blutes; dieß
beweist Dein thörichtes Toben. Es würde Dir besser
stehen, wenn Du, Deine Frevelthaten bereuend, mich,
Deinen Lehrer und Freund, um Verzeihung bitten,

aufgehört hatte, noch immer ſtumm. Endlich rief Bartja,
ſeine Hände zum Himmel erhebend: „O großer Auramazda!
Warum läßt Du mich nicht enden wie Abradat; warum
müſſen wir gleich Mördern eines ſchmählichen Todes
ſterben?“

Jn dieſem Augenblicke trat Kröſus, von Peitſchenträ-
gern geleitet, mit gefeſſelten Händen in die Halle. Die
Freunde eilten dem Greiſe entgegen und beſtürmten ihn
mit Fragen. Gyges warf ſich an die Bruſt ſeines Vaters,
und Bartja näherte ſich dem Lenker ſeiner Jugend mit ge-
öffneten Armen.

Die heiteren Züge des Greiſes waren ſtreng und ernſt,
und ſeine ſonſt ſo milden Augen düſter, faſt drohend. Mit
einer kalten, gebieteriſchen Handbewegung wies er den Kö-
nigsſohn zurück und ſagte mit zitternder, Schmerz und Vor-
würfe athmender Stimme: „Laß meine Hand, verblendeter
Knabe; Du biſt nicht werth der Liebe, die ich Dir bis zu
dieſem Tage ſchenkte. Vierfach treulos haſt Du Deine
Braut verrathen, Deinen Bruder betrogen, Deine Freunde
hintergangen und das Herz der unglücklichen Tochter des
Amaſis vergiftet.“

Anfänglich hörte Bartja gelaſſen zu; als aber Kröſus
das Wort „betrogen“ ausſprach, ballten ſich ſeine Fäuſte,
und, wild mit dem Fuße ſtampfend, rief er aus: „Deine
Jahre, Deine Schwäche und der Dank, den ich Dir
ſchulde, ſchützen Dich, Greis, ſonſt würden dieſe Schmäh-
reden Deine letzten geweſen ſein!“

Kröſus hörte dieſen Ausbruch gerechten Zornes gelaſſen
an und ſagte: „Kambyſes und Du ſeid eines Blutes; dieß
beweist Dein thörichtes Toben. Es würde Dir beſſer
ſtehen, wenn Du, Deine Frevelthaten bereuend, mich,
Deinen Lehrer und Freund, um Verzeihung bitten,

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[175/0177] aufgehört hatte, noch immer ſtumm. Endlich rief Bartja, ſeine Hände zum Himmel erhebend: „O großer Auramazda! Warum läßt Du mich nicht enden wie Abradat; warum müſſen wir gleich Mördern eines ſchmählichen Todes ſterben?“ Jn dieſem Augenblicke trat Kröſus, von Peitſchenträ- gern geleitet, mit gefeſſelten Händen in die Halle. Die Freunde eilten dem Greiſe entgegen und beſtürmten ihn mit Fragen. Gyges warf ſich an die Bruſt ſeines Vaters, und Bartja näherte ſich dem Lenker ſeiner Jugend mit ge- öffneten Armen. Die heiteren Züge des Greiſes waren ſtreng und ernſt, und ſeine ſonſt ſo milden Augen düſter, faſt drohend. Mit einer kalten, gebieteriſchen Handbewegung wies er den Kö- nigsſohn zurück und ſagte mit zitternder, Schmerz und Vor- würfe athmender Stimme: „Laß meine Hand, verblendeter Knabe; Du biſt nicht werth der Liebe, die ich Dir bis zu dieſem Tage ſchenkte. Vierfach treulos haſt Du Deine Braut verrathen, Deinen Bruder betrogen, Deine Freunde hintergangen und das Herz der unglücklichen Tochter des Amaſis vergiftet.“ Anfänglich hörte Bartja gelaſſen zu; als aber Kröſus das Wort „betrogen“ ausſprach, ballten ſich ſeine Fäuſte, und, wild mit dem Fuße ſtampfend, rief er aus: „Deine Jahre, Deine Schwäche und der Dank, den ich Dir ſchulde, ſchützen Dich, Greis, ſonſt würden dieſe Schmäh- reden Deine letzten geweſen ſein!“ Kröſus hörte dieſen Ausbruch gerechten Zornes gelaſſen an und ſagte: „Kambyſes und Du ſeid eines Blutes; dieß beweist Dein thörichtes Toben. Es würde Dir beſſer ſtehen, wenn Du, Deine Frevelthaten bereuend, mich, Deinen Lehrer und Freund, um Verzeihung bitten,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/177>, abgerufen am 29.03.2024.