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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Jst Einem dort der Aufenthalt verweigert,
So fehlt ihm, was sein Glück auf's Höchste steigert 107)."

"Und Kai Kawus hörte auf die Worte des in Sän-
gergestalt verwandelten Diw und zog nach Masenderan,
und wurde dort von den Diws geschlagen und des Augen-
lichts beraubt."

"Aber," fiel Darius ein, "Rustem, der große Held
kam und schlug den Erscheng und die anderen bösen Gei-
ster, und befreite die Gefangenen und machte die Blinden
sehend, indem er ihnen das Blut der getödteten Diws in
die Augen träufelte. Ebenso wird es uns ergehen, ihr
Freunde! Wir, die Gefangenen, werden befreit, und dem
Kambyses und unsern verblendeten Vätern die Augen ge-
öffnet werden, daß sie unsre Unschuld erkennen. Höre,
Bischen, gehe, wenn wir dennoch getödtet werden sollten,
zu den Magiern, den Chaldäern und dem Aegypter Ne-
benchari und sage denselben, sie möchten nicht mehr nach
den Sternen schauen, denn dieselben hätten dem Darius
bewiesen, daß sie Lügner und Betrüger wären!"

"Jch habe es immer gesagt," unterbrach ihn Aras-
pes, "daß nur die Träume zu weissagen verstehn. Eh'
Abradat in der Schlacht vor Sardes fiel, sah die unver-
gleichliche Panthea im Traum', wie derselbe von einem
lydischen Pfeile durchbohrt wurde."

"Schlechter Mensch," rief Zopyros, "mußt Du uns
daran erinnern, daß sich's schöner auf dem Schlachtfelde
als mit zusammengeschnürtem Halse stirbt?!"

"Hast recht!" erwiederte der Alte; "ich habe manchen
Tod gesehn, der mir wünschenswerther vorkam als der
unsre, ja selbst als das Leben. Ach, Kinder, es gab eine
Zeit, in der es besser war als heut!"

"Erzähle uns etwas aus jenen Tagen!"

Jſt Einem dort der Aufenthalt verweigert,
So fehlt ihm, was ſein Glück auf’s Höchſte ſteigert 107).“

„Und Kai Kawus hörte auf die Worte des in Sän-
gergeſtalt verwandelten Diw und zog nach Maſenderan,
und wurde dort von den Diws geſchlagen und des Augen-
lichts beraubt.“

„Aber,“ fiel Darius ein, „Ruſtem, der große Held
kam und ſchlug den Erſcheng und die anderen böſen Gei-
ſter, und befreite die Gefangenen und machte die Blinden
ſehend, indem er ihnen das Blut der getödteten Diws in
die Augen träufelte. Ebenſo wird es uns ergehen, ihr
Freunde! Wir, die Gefangenen, werden befreit, und dem
Kambyſes und unſern verblendeten Vätern die Augen ge-
öffnet werden, daß ſie unſre Unſchuld erkennen. Höre,
Biſchen, gehe, wenn wir dennoch getödtet werden ſollten,
zu den Magiern, den Chaldäern und dem Aegypter Ne-
benchari und ſage denſelben, ſie möchten nicht mehr nach
den Sternen ſchauen, denn dieſelben hätten dem Darius
bewieſen, daß ſie Lügner und Betrüger wären!“

„Jch habe es immer geſagt,“ unterbrach ihn Aras-
pes, „daß nur die Träume zu weiſſagen verſtehn. Eh’
Abradat in der Schlacht vor Sardes fiel, ſah die unver-
gleichliche Panthea im Traum’, wie derſelbe von einem
lydiſchen Pfeile durchbohrt wurde.“

„Schlechter Menſch,“ rief Zopyros, „mußt Du uns
daran erinnern, daß ſich’s ſchöner auf dem Schlachtfelde
als mit zuſammengeſchnürtem Halſe ſtirbt?!“

„Haſt recht!“ erwiederte der Alte; „ich habe manchen
Tod geſehn, der mir wünſchenswerther vorkam als der
unſre, ja ſelbſt als das Leben. Ach, Kinder, es gab eine
Zeit, in der es beſſer war als heut!“

„Erzähle uns etwas aus jenen Tagen!“

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[173/0175] Jſt Einem dort der Aufenthalt verweigert, So fehlt ihm, was ſein Glück auf’s Höchſte ſteigert 107).“ „Und Kai Kawus hörte auf die Worte des in Sän- gergeſtalt verwandelten Diw und zog nach Maſenderan, und wurde dort von den Diws geſchlagen und des Augen- lichts beraubt.“ „Aber,“ fiel Darius ein, „Ruſtem, der große Held kam und ſchlug den Erſcheng und die anderen böſen Gei- ſter, und befreite die Gefangenen und machte die Blinden ſehend, indem er ihnen das Blut der getödteten Diws in die Augen träufelte. Ebenſo wird es uns ergehen, ihr Freunde! Wir, die Gefangenen, werden befreit, und dem Kambyſes und unſern verblendeten Vätern die Augen ge- öffnet werden, daß ſie unſre Unſchuld erkennen. Höre, Biſchen, gehe, wenn wir dennoch getödtet werden ſollten, zu den Magiern, den Chaldäern und dem Aegypter Ne- benchari und ſage denſelben, ſie möchten nicht mehr nach den Sternen ſchauen, denn dieſelben hätten dem Darius bewieſen, daß ſie Lügner und Betrüger wären!“ „Jch habe es immer geſagt,“ unterbrach ihn Aras- pes, „daß nur die Träume zu weiſſagen verſtehn. Eh’ Abradat in der Schlacht vor Sardes fiel, ſah die unver- gleichliche Panthea im Traum’, wie derſelbe von einem lydiſchen Pfeile durchbohrt wurde.“ „Schlechter Menſch,“ rief Zopyros, „mußt Du uns daran erinnern, daß ſich’s ſchöner auf dem Schlachtfelde als mit zuſammengeſchnürtem Halſe ſtirbt?!“ „Haſt recht!“ erwiederte der Alte; „ich habe manchen Tod geſehn, der mir wünſchenswerther vorkam als der unſre, ja ſelbſt als das Leben. Ach, Kinder, es gab eine Zeit, in der es beſſer war als heut!“ „Erzähle uns etwas aus jenen Tagen!“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/175>, abgerufen am 29.03.2024.