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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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selben zu lösen. Dann sagte er nach kurzem Sinnen: "Jch
will Dir glauben, denn ich vermag nicht, Dich für den
verworfensten aller Menschen zu halten. Morgen wollen
wir die Sternendeuter, Weissager und Priester befragen.
Vielleicht vermögen sie die Wahrheit an den Tag zu brin-
gen. Siehst Du ein Licht in dieser Finsterniß, Oro-
pastes?"

"Dein Knecht vermuthet, daß ein Diw die Gestalt
des Bartja angenommen habe, um Deinen Bruder zu ver-
derben, und Deine königliche Seele mit dem Blute des
Sohnes Deines Vaters zu beflecken."

Kambyses und alle Anwesenden nickten beifällig; ja
Kambyses wollte eben seinem Bruder die Hand reichen,
als ein Stabträger eintrat, welcher dem Könige ein Dolch-
messer überreichte. Ein Eunuch hatte dasselbe unter dem
Fenster des Schlafzimmers der Nitetis gefunden.

Kambyses schaute die Waffe, deren kostbarer Griff von
Rubinen und Türkisen wimmelte, prüfend an, erblaßte und
warf den Dolch plötzlich so heftig vor die Füße seines
Bruders, daß die Edelsteine aus ihrer Fassung fielen.

"Dieß ist Dein Dolch, Du Elender!" schrie er und
brauste von Neuem jähzornig auf. "Heute Morgen beim Ja-
gen hast Du mit demselben dem Eber, den ich erlegte, den
letzten Stoß gegeben. Auch Du, Krösus, mußt ihn
kennen, denn mein Vater nahm ihn aus Deiner Schatz-
kammer zu Sardes. Jetzt bist Du überführt, Du Lügner
und Betrüger! Die Diws brauchen keine Waffen, und Mes-
ser gleich diesem findet man nicht auf allen Wegen. Du
faßt nach Deinem Gürtel? Du erbleichst? Dein Messer ist
fort?"

"Es ist fort. Jch muß es verloren, und ein Feind
von mir ..."

ſelben zu löſen. Dann ſagte er nach kurzem Sinnen: „Jch
will Dir glauben, denn ich vermag nicht, Dich für den
verworfenſten aller Menſchen zu halten. Morgen wollen
wir die Sternendeuter, Weiſſager und Prieſter befragen.
Vielleicht vermögen ſie die Wahrheit an den Tag zu brin-
gen. Siehſt Du ein Licht in dieſer Finſterniß, Oro-
paſtes?“

„Dein Knecht vermuthet, daß ein Diw die Geſtalt
des Bartja angenommen habe, um Deinen Bruder zu ver-
derben, und Deine königliche Seele mit dem Blute des
Sohnes Deines Vaters zu beflecken.“

Kambyſes und alle Anweſenden nickten beifällig; ja
Kambyſes wollte eben ſeinem Bruder die Hand reichen,
als ein Stabträger eintrat, welcher dem Könige ein Dolch-
meſſer überreichte. Ein Eunuch hatte daſſelbe unter dem
Fenſter des Schlafzimmers der Nitetis gefunden.

Kambyſes ſchaute die Waffe, deren koſtbarer Griff von
Rubinen und Türkiſen wimmelte, prüfend an, erblaßte und
warf den Dolch plötzlich ſo heftig vor die Füße ſeines
Bruders, daß die Edelſteine aus ihrer Faſſung fielen.

„Dieß iſt Dein Dolch, Du Elender!“ ſchrie er und
brauſte von Neuem jähzornig auf. „Heute Morgen beim Ja-
gen haſt Du mit demſelben dem Eber, den ich erlegte, den
letzten Stoß gegeben. Auch Du, Kröſus, mußt ihn
kennen, denn mein Vater nahm ihn aus Deiner Schatz-
kammer zu Sardes. Jetzt biſt Du überführt, Du Lügner
und Betrüger! Die Diws brauchen keine Waffen, und Meſ-
ſer gleich dieſem findet man nicht auf allen Wegen. Du
faßt nach Deinem Gürtel? Du erbleichſt? Dein Meſſer iſt
fort?“

„Es iſt fort. Jch muß es verloren, und ein Feind
von mir ...“

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[165/0167] ſelben zu löſen. Dann ſagte er nach kurzem Sinnen: „Jch will Dir glauben, denn ich vermag nicht, Dich für den verworfenſten aller Menſchen zu halten. Morgen wollen wir die Sternendeuter, Weiſſager und Prieſter befragen. Vielleicht vermögen ſie die Wahrheit an den Tag zu brin- gen. Siehſt Du ein Licht in dieſer Finſterniß, Oro- paſtes?“ „Dein Knecht vermuthet, daß ein Diw die Geſtalt des Bartja angenommen habe, um Deinen Bruder zu ver- derben, und Deine königliche Seele mit dem Blute des Sohnes Deines Vaters zu beflecken.“ Kambyſes und alle Anweſenden nickten beifällig; ja Kambyſes wollte eben ſeinem Bruder die Hand reichen, als ein Stabträger eintrat, welcher dem Könige ein Dolch- meſſer überreichte. Ein Eunuch hatte daſſelbe unter dem Fenſter des Schlafzimmers der Nitetis gefunden. Kambyſes ſchaute die Waffe, deren koſtbarer Griff von Rubinen und Türkiſen wimmelte, prüfend an, erblaßte und warf den Dolch plötzlich ſo heftig vor die Füße ſeines Bruders, daß die Edelſteine aus ihrer Faſſung fielen. „Dieß iſt Dein Dolch, Du Elender!“ ſchrie er und brauſte von Neuem jähzornig auf. „Heute Morgen beim Ja- gen haſt Du mit demſelben dem Eber, den ich erlegte, den letzten Stoß gegeben. Auch Du, Kröſus, mußt ihn kennen, denn mein Vater nahm ihn aus Deiner Schatz- kammer zu Sardes. Jetzt biſt Du überführt, Du Lügner und Betrüger! Die Diws brauchen keine Waffen, und Meſ- ſer gleich dieſem findet man nicht auf allen Wegen. Du faßt nach Deinem Gürtel? Du erbleichſt? Dein Meſſer iſt fort?“ „Es iſt fort. Jch muß es verloren, und ein Feind von mir ...“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/167>, abgerufen am 24.04.2024.