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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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ich glauben, wenn die Augen meiner bewährtesten Helden
trügen könnten; wer möchte Richter sein, wenn Zeugnisse
wie die euren keine Gültigkeit haben sollten?"

"Andre eben so gültige Aussagen als die unsern,
werden Dir beweisen, daß wir uns geirrt haben müssen."

"Wer wagt es für jenen Frevler Zeugniß abzulegen?"
fragte Kambyses aufspringend und mit dem Fuße stam-
pfend.

"Wir," "ich," "wir!" riefen Araspes, Darius, Gy-
ges und Zopyros, wie mit einer Stimme.

"Verräther, Schurken!" schrie der König. Als aber
seine Blicke den mahnenden Augen des Krösus begegneten,
senkte er seine Stimme und rief: "Was habt ihr für den
Frevler vorzubringen? Bedenket euch wohl, eh' ihr redet,
und erwägt die Strafe, welche des falschen Zeugnisses
wartet."

"Wir bedürfen dieser Mahnung nicht," sagte Aras-
pes; "doch können wir beim Mithra beschwören, daß wir,
seit der Heimkehr von der Jagd, Bartja und den Garten
desselben keinen Augenblick verlassen haben."

"Und," fügte Darius hinzu, "ich, der Sohn des
Hystaspes, kann die Unschuld Deines Bruders ganz be-
sonders klar beweisen, denn ich beobachtete mit ihm den
Tistarstern, welcher ja, nach der Aussage des Boges, seine
Flucht beleuchtet haben soll."

Hystaspes sah nach diesen Worten staunend und fra-
gend auf seinen Sohn; Kambyses schaute bald den einen,
bald den andern Theil der Zeugen, welche sich gegenseitig
zu glauben wünschten und einander doch nicht glauben
konnten, prüfend und unschlüssig an.

Bartja, der bis dahin geschwiegen und schmerzlich
auf die Ketten, welche seine Hände fesselten, geschaut hatte,

ich glauben, wenn die Augen meiner bewährteſten Helden
trügen könnten; wer möchte Richter ſein, wenn Zeugniſſe
wie die euren keine Gültigkeit haben ſollten?“

„Andre eben ſo gültige Ausſagen als die unſern,
werden Dir beweiſen, daß wir uns geirrt haben müſſen.“

„Wer wagt es für jenen Frevler Zeugniß abzulegen?“
fragte Kambyſes aufſpringend und mit dem Fuße ſtam-
pfend.

„Wir,“ „ich,“ „wir!“ riefen Araspes, Darius, Gy-
ges und Zopyros, wie mit einer Stimme.

„Verräther, Schurken!“ ſchrie der König. Als aber
ſeine Blicke den mahnenden Augen des Kröſus begegneten,
ſenkte er ſeine Stimme und rief: „Was habt ihr für den
Frevler vorzubringen? Bedenket euch wohl, eh’ ihr redet,
und erwägt die Strafe, welche des falſchen Zeugniſſes
wartet.“

„Wir bedürfen dieſer Mahnung nicht,“ ſagte Aras-
pes; „doch können wir beim Mithra beſchwören, daß wir,
ſeit der Heimkehr von der Jagd, Bartja und den Garten
deſſelben keinen Augenblick verlaſſen haben.“

„Und,“ fügte Darius hinzu, „ich, der Sohn des
Hyſtaspes, kann die Unſchuld Deines Bruders ganz be-
ſonders klar beweiſen, denn ich beobachtete mit ihm den
Tiſtarſtern, welcher ja, nach der Ausſage des Boges, ſeine
Flucht beleuchtet haben ſoll.“

Hyſtaspes ſah nach dieſen Worten ſtaunend und fra-
gend auf ſeinen Sohn; Kambyſes ſchaute bald den einen,
bald den andern Theil der Zeugen, welche ſich gegenſeitig
zu glauben wünſchten und einander doch nicht glauben
konnten, prüfend und unſchlüſſig an.

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[163/0165] ich glauben, wenn die Augen meiner bewährteſten Helden trügen könnten; wer möchte Richter ſein, wenn Zeugniſſe wie die euren keine Gültigkeit haben ſollten?“ „Andre eben ſo gültige Ausſagen als die unſern, werden Dir beweiſen, daß wir uns geirrt haben müſſen.“ „Wer wagt es für jenen Frevler Zeugniß abzulegen?“ fragte Kambyſes aufſpringend und mit dem Fuße ſtam- pfend. „Wir,“ „ich,“ „wir!“ riefen Araspes, Darius, Gy- ges und Zopyros, wie mit einer Stimme. „Verräther, Schurken!“ ſchrie der König. Als aber ſeine Blicke den mahnenden Augen des Kröſus begegneten, ſenkte er ſeine Stimme und rief: „Was habt ihr für den Frevler vorzubringen? Bedenket euch wohl, eh’ ihr redet, und erwägt die Strafe, welche des falſchen Zeugniſſes wartet.“ „Wir bedürfen dieſer Mahnung nicht,“ ſagte Aras- pes; „doch können wir beim Mithra beſchwören, daß wir, ſeit der Heimkehr von der Jagd, Bartja und den Garten deſſelben keinen Augenblick verlaſſen haben.“ „Und,“ fügte Darius hinzu, „ich, der Sohn des Hyſtaspes, kann die Unſchuld Deines Bruders ganz be- ſonders klar beweiſen, denn ich beobachtete mit ihm den Tiſtarſtern, welcher ja, nach der Ausſage des Boges, ſeine Flucht beleuchtet haben ſoll.“ Hyſtaspes ſah nach dieſen Worten ſtaunend und fra- gend auf ſeinen Sohn; Kambyſes ſchaute bald den einen, bald den andern Theil der Zeugen, welche ſich gegenſeitig zu glauben wünſchten und einander doch nicht glauben konnten, prüfend und unſchlüſſig an. Bartja, der bis dahin geſchwiegen und ſchmerzlich auf die Ketten, welche ſeine Hände feſſelten, geſchaut hatte,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/165>, abgerufen am 29.03.2024.