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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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eignen Sohn, unterbrach den Jüngling und sagte: "Du
brauchst von Deinen Freunden nicht Abschied zu nehmen,
denn der König, der wie ein Rasender todt, hat befohlen,
ich sollte Dich und jeden, den ich bei Dir finden würde,
verhaften."

Dann fügte er leise hinzu: "Der König ist außer sich vor
Zorn und bedroht Dein Leben. Du mußt fliehn. Meine
Leute gehorchen mir blindlings und werden Dich nicht ver-
folgen; ich aber bin alt und Persien verliert nur wenig,
wenn mein Kopf des Ungehorsams wegen fallen sollte."

"Jch danke Dir, Freund," erwiederte Bartja tief
gerührt, "aber ich kann Dein Opfer nicht annehmen, denn
ich bin unschuldig und weiß, daß Kambyses wohl jähzor-
nig, aber keineswegs ungerecht ist. Kommt, ihr Lieben;
ich glaube, daß der König uns heute noch verhören wird."

"Möge die göttliche Sonne dieses Dunkel aufklären!"
rief Krösus der Leibwache und den Freunden folgend, in-
dem er seine Hände betend zum Himmel emporhob.



eignen Sohn, unterbrach den Jüngling und ſagte: „Du
brauchſt von Deinen Freunden nicht Abſchied zu nehmen,
denn der König, der wie ein Raſender todt, hat befohlen,
ich ſollte Dich und jeden, den ich bei Dir finden würde,
verhaften.“

Dann fügte er leiſe hinzu: „Der König iſt außer ſich vor
Zorn und bedroht Dein Leben. Du mußt fliehn. Meine
Leute gehorchen mir blindlings und werden Dich nicht ver-
folgen; ich aber bin alt und Perſien verliert nur wenig,
wenn mein Kopf des Ungehorſams wegen fallen ſollte.“

„Jch danke Dir, Freund,“ erwiederte Bartja tief
gerührt, „aber ich kann Dein Opfer nicht annehmen, denn
ich bin unſchuldig und weiß, daß Kambyſes wohl jähzor-
nig, aber keineswegs ungerecht iſt. Kommt, ihr Lieben;
ich glaube, daß der König uns heute noch verhören wird.“

„Möge die göttliche Sonne dieſes Dunkel aufklären!“
rief Kröſus der Leibwache und den Freunden folgend, in-
dem er ſeine Hände betend zum Himmel emporhob.



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[157/0159] eignen Sohn, unterbrach den Jüngling und ſagte: „Du brauchſt von Deinen Freunden nicht Abſchied zu nehmen, denn der König, der wie ein Raſender todt, hat befohlen, ich ſollte Dich und jeden, den ich bei Dir finden würde, verhaften.“ Dann fügte er leiſe hinzu: „Der König iſt außer ſich vor Zorn und bedroht Dein Leben. Du mußt fliehn. Meine Leute gehorchen mir blindlings und werden Dich nicht ver- folgen; ich aber bin alt und Perſien verliert nur wenig, wenn mein Kopf des Ungehorſams wegen fallen ſollte.“ „Jch danke Dir, Freund,“ erwiederte Bartja tief gerührt, „aber ich kann Dein Opfer nicht annehmen, denn ich bin unſchuldig und weiß, daß Kambyſes wohl jähzor- nig, aber keineswegs ungerecht iſt. Kommt, ihr Lieben; ich glaube, daß der König uns heute noch verhören wird.“ „Möge die göttliche Sonne dieſes Dunkel aufklären!“ rief Kröſus der Leibwache und den Freunden folgend, in- dem er ſeine Hände betend zum Himmel emporhob.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/159>, abgerufen am 19.04.2024.