Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

drängte seinen Sohn zur Seite, näherte sich Bartja und
flüsterte ihm in's Ohr: "Unseliger, Du bist noch hier?
Säume nicht länger und fliehe! Die Peitschenträger, welche
Dich verhaften sollen, folgen mir auf dem Fuße! Denke
an Sappho und glaube mir, daß Du, wenn Du nicht
eilst, Deine doppelte Unvorsichtigkeit mit dem Tode büßen
mußt."

"Aber Krösus, ich habe --"

"Du hast das Gesetz dieses Landes, dieses Hofes ver-
höhnt und, wenigstens dem Scheine nach, die Ehre Deines
Bruders gekränkt ..."

"Du redest --"

"Fliehe, flieh', sag' ich Dir; denn wärest Du auch
in der unschuldigsten Absicht von der Welt auf den hän-
genden Gärten und bei der Aegypterin gewesen, so hast
Du dennoch Alles zu fürchten! Wie konntest Du, der doch
den Jähzorn des Kambyses kennt, sein ausdrückliches Ge-
bot so freventlich verletzen!"

"Jch verstehe nicht --"

"Keine Entschuldigungen! Flieh! Du weißt nicht, daß
Dich Kambyses schon lange mit Eifersucht betrachtet, daß
Dein nächtlicher Besuch bei der Aegypterin --"

"Jch habe, seitdem Nitetis hier ist, die hängenden
Gärten mit keinem Fuße betreten!"

"Füge nicht zum Frevel die Lüge, ich --"

"Jch schwöre Dir --"

"Willst Du eine That des Leichtsinns durch Meineid
zum Verbrechen machen? -- Die Peitschenträger kommen
schon, flieh, flieh!"

"Jch bleibe, denn ich beharre bei meinem
Schwur."

"Verblendeter! Wisse, daß ich selbst, Hystaspes und

drängte ſeinen Sohn zur Seite, näherte ſich Bartja und
flüſterte ihm in’s Ohr: „Unſeliger, Du biſt noch hier?
Säume nicht länger und fliehe! Die Peitſchenträger, welche
Dich verhaften ſollen, folgen mir auf dem Fuße! Denke
an Sappho und glaube mir, daß Du, wenn Du nicht
eilſt, Deine doppelte Unvorſichtigkeit mit dem Tode büßen
mußt.“

„Aber Kröſus, ich habe —“

„Du haſt das Geſetz dieſes Landes, dieſes Hofes ver-
höhnt und, wenigſtens dem Scheine nach, die Ehre Deines
Bruders gekränkt ...“

„Du redeſt —“

„Fliehe, flieh’, ſag’ ich Dir; denn wäreſt Du auch
in der unſchuldigſten Abſicht von der Welt auf den hän-
genden Gärten und bei der Aegypterin geweſen, ſo haſt
Du dennoch Alles zu fürchten! Wie konnteſt Du, der doch
den Jähzorn des Kambyſes kennt, ſein ausdrückliches Ge-
bot ſo freventlich verletzen!“

„Jch verſtehe nicht —“

„Keine Entſchuldigungen! Flieh! Du weißt nicht, daß
Dich Kambyſes ſchon lange mit Eiferſucht betrachtet, daß
Dein nächtlicher Beſuch bei der Aegypterin —“

„Jch habe, ſeitdem Nitetis hier iſt, die hängenden
Gärten mit keinem Fuße betreten!“

„Füge nicht zum Frevel die Lüge, ich —“

„Jch ſchwöre Dir —“

„Willſt Du eine That des Leichtſinns durch Meineid
zum Verbrechen machen? — Die Peitſchenträger kommen
ſchon, flieh, flieh!“

„Jch bleibe, denn ich beharre bei meinem
Schwur.“

„Verblendeter! Wiſſe, daß ich ſelbſt, Hyſtaspes und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="154"/>
drängte &#x017F;einen Sohn zur Seite, näherte &#x017F;ich Bartja und<lb/>
flü&#x017F;terte ihm in&#x2019;s Ohr: &#x201E;Un&#x017F;eliger, Du bi&#x017F;t noch hier?<lb/>
Säume nicht länger und fliehe! Die Peit&#x017F;chenträger, welche<lb/>
Dich verhaften &#x017F;ollen, folgen mir auf dem Fuße! Denke<lb/>
an Sappho und glaube mir, daß Du, wenn Du nicht<lb/>
eil&#x017F;t, Deine doppelte Unvor&#x017F;ichtigkeit mit dem Tode büßen<lb/>
mußt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Krö&#x017F;us, ich habe &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t das Ge&#x017F;etz die&#x017F;es Landes, die&#x017F;es Hofes ver-<lb/>
höhnt und, wenig&#x017F;tens dem Scheine nach, die Ehre Deines<lb/>
Bruders gekränkt ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du rede&#x017F;t &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fliehe, flieh&#x2019;, &#x017F;ag&#x2019; ich Dir; denn wäre&#x017F;t Du auch<lb/>
in der un&#x017F;chuldig&#x017F;ten Ab&#x017F;icht von der Welt auf den hän-<lb/>
genden Gärten und bei der Aegypterin gewe&#x017F;en, &#x017F;o ha&#x017F;t<lb/>
Du dennoch Alles zu fürchten! Wie konnte&#x017F;t Du, der doch<lb/>
den Jähzorn des Kamby&#x017F;es kennt, &#x017F;ein ausdrückliches Ge-<lb/>
bot &#x017F;o freventlich verletzen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch ver&#x017F;tehe nicht &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Keine Ent&#x017F;chuldigungen! Flieh! Du weißt nicht, daß<lb/>
Dich Kamby&#x017F;es &#x017F;chon lange mit Eifer&#x017F;ucht betrachtet, daß<lb/>
Dein nächtlicher Be&#x017F;uch bei der Aegypterin &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch habe, &#x017F;eitdem Nitetis hier i&#x017F;t, die hängenden<lb/>
Gärten mit keinem Fuße betreten!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Füge nicht zum Frevel die Lüge, ich &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch &#x017F;chwöre Dir &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Will&#x017F;t Du eine That des Leicht&#x017F;inns durch Meineid<lb/>
zum Verbrechen machen? &#x2014; Die Peit&#x017F;chenträger kommen<lb/>
&#x017F;chon, flieh, flieh!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch bleibe, denn ich beharre bei meinem<lb/>
Schwur.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verblendeter! Wi&#x017F;&#x017F;e, daß ich &#x017F;elb&#x017F;t, Hy&#x017F;taspes und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0156] drängte ſeinen Sohn zur Seite, näherte ſich Bartja und flüſterte ihm in’s Ohr: „Unſeliger, Du biſt noch hier? Säume nicht länger und fliehe! Die Peitſchenträger, welche Dich verhaften ſollen, folgen mir auf dem Fuße! Denke an Sappho und glaube mir, daß Du, wenn Du nicht eilſt, Deine doppelte Unvorſichtigkeit mit dem Tode büßen mußt.“ „Aber Kröſus, ich habe —“ „Du haſt das Geſetz dieſes Landes, dieſes Hofes ver- höhnt und, wenigſtens dem Scheine nach, die Ehre Deines Bruders gekränkt ...“ „Du redeſt —“ „Fliehe, flieh’, ſag’ ich Dir; denn wäreſt Du auch in der unſchuldigſten Abſicht von der Welt auf den hän- genden Gärten und bei der Aegypterin geweſen, ſo haſt Du dennoch Alles zu fürchten! Wie konnteſt Du, der doch den Jähzorn des Kambyſes kennt, ſein ausdrückliches Ge- bot ſo freventlich verletzen!“ „Jch verſtehe nicht —“ „Keine Entſchuldigungen! Flieh! Du weißt nicht, daß Dich Kambyſes ſchon lange mit Eiferſucht betrachtet, daß Dein nächtlicher Beſuch bei der Aegypterin —“ „Jch habe, ſeitdem Nitetis hier iſt, die hängenden Gärten mit keinem Fuße betreten!“ „Füge nicht zum Frevel die Lüge, ich —“ „Jch ſchwöre Dir —“ „Willſt Du eine That des Leichtſinns durch Meineid zum Verbrechen machen? — Die Peitſchenträger kommen ſchon, flieh, flieh!“ „Jch bleibe, denn ich beharre bei meinem Schwur.“ „Verblendeter! Wiſſe, daß ich ſelbſt, Hyſtaspes und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/156
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/156>, abgerufen am 29.03.2024.