Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen. -- He, Sclav, sorge für Lampen! Die Sonne ist
untergegangen, und der Wein mundet nur, wenn helles
Licht die Tafel bescheint!"

"Hört, wie schön der Vogel Gulgul singt!" rief
Darius, welcher aus der Laube in's Freie getreten war,
den Freunden zu.

"Beim Mithra, Sohn des Hystaspes, Du bist ver-
liebt," unterbrach Araspes den Ausruf des Jünglings.
"Wer den Wein verläßt, um der Nachtigall zu lauschen,
den hat der Blütenpfeil der Liebe 96) so sicher getroffen,
als ich Araspes heiße!"

"Du hast recht, Väterchen," rief Bartja. "Philomele,
wie die Hellenen unsre Gulgul nennen, der die Liebe so
schöne Gesänge in die Brust haucht, ist bei allen Völkern
der Vogel der Liebenden. Von welcher Schönen träumtest
Du, Darius, als Du in die Nacht hinaus tratest, um
der Gulgul zu lauschen?"

"Von keiner," antwortete der Befragte. "Jhr wißt,
daß ich den gestirnten Himmel gern beobachte. Der Ti-
starstern ging heute so wunderbar strahlend auf, daß ich
den Wein verließ, um ihn näher zu betrachten. Jch hätte
meine Ohren verschließen müssen, um den lauten Wechsel-
gesang der Nachtigallen nicht zu vernehmen."

"Du hast sie weit genug geöffnet, denn Dein ent-
zückter Ausruf bewies, daß Dir der Gesang des Vogels
bis in's tiefste Herz gedrungen!" lachte Araspes.

"Genug!" rief Darius, den diese Neckereien ver-
drossen. "Jch verbitte mir jede Anspielung auf Dinge, von
denen ich nichts zu hören wünsche!"

"Unvorsichtiger," flüsterte jetzt der Alte dem Jüng-
linge zu, "nun hast Du Dich ganz verrathen! Wärest Du
nicht verliebt, so würdest Du lachen, statt aufzubrausen!

laſſen. — He, Sclav, ſorge für Lampen! Die Sonne iſt
untergegangen, und der Wein mundet nur, wenn helles
Licht die Tafel beſcheint!“

„Hört, wie ſchön der Vogel Gulgul ſingt!“ rief
Darius, welcher aus der Laube in’s Freie getreten war,
den Freunden zu.

„Beim Mithra, Sohn des Hyſtaspes, Du biſt ver-
liebt,“ unterbrach Araspes den Ausruf des Jünglings.
„Wer den Wein verläßt, um der Nachtigall zu lauſchen,
den hat der Blütenpfeil der Liebe 96) ſo ſicher getroffen,
als ich Araspes heiße!“

„Du haſt recht, Väterchen,“ rief Bartja. „Philomele,
wie die Hellenen unſre Gulgul nennen, der die Liebe ſo
ſchöne Geſänge in die Bruſt haucht, iſt bei allen Völkern
der Vogel der Liebenden. Von welcher Schönen träumteſt
Du, Darius, als Du in die Nacht hinaus trateſt, um
der Gulgul zu lauſchen?“

„Von keiner,“ antwortete der Befragte. „Jhr wißt,
daß ich den geſtirnten Himmel gern beobachte. Der Ti-
ſtarſtern ging heute ſo wunderbar ſtrahlend auf, daß ich
den Wein verließ, um ihn näher zu betrachten. Jch hätte
meine Ohren verſchließen müſſen, um den lauten Wechſel-
geſang der Nachtigallen nicht zu vernehmen.“

„Du haſt ſie weit genug geöffnet, denn Dein ent-
zückter Ausruf bewies, daß Dir der Geſang des Vogels
bis in’s tiefſte Herz gedrungen!“ lachte Araspes.

„Genug!“ rief Darius, den dieſe Neckereien ver-
droſſen. „Jch verbitte mir jede Anſpielung auf Dinge, von
denen ich nichts zu hören wünſche!“

„Unvorſichtiger,“ flüſterte jetzt der Alte dem Jüng-
linge zu, „nun haſt Du Dich ganz verrathen! Wäreſt Du
nicht verliebt, ſo würdeſt Du lachen, ſtatt aufzubrauſen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="146"/>
la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; He, Sclav, &#x017F;orge für Lampen! Die Sonne i&#x017F;t<lb/>
untergegangen, und der Wein mundet nur, wenn helles<lb/>
Licht die Tafel be&#x017F;cheint!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hört, wie &#x017F;chön der Vogel Gulgul &#x017F;ingt!&#x201C; rief<lb/>
Darius, welcher aus der Laube in&#x2019;s Freie getreten war,<lb/>
den Freunden zu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Beim Mithra, Sohn des Hy&#x017F;taspes, Du bi&#x017F;t ver-<lb/>
liebt,&#x201C; unterbrach Araspes den Ausruf des Jünglings.<lb/>
&#x201E;Wer den Wein verläßt, um der Nachtigall zu lau&#x017F;chen,<lb/>
den hat der Blütenpfeil der Liebe <hi rendition="#sup">96</hi>) &#x017F;o &#x017F;icher getroffen,<lb/>
als ich Araspes heiße!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t recht, Väterchen,&#x201C; rief Bartja. &#x201E;Philomele,<lb/>
wie die Hellenen un&#x017F;re Gulgul nennen, der die Liebe &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chöne Ge&#x017F;änge in die Bru&#x017F;t haucht, i&#x017F;t bei allen Völkern<lb/>
der Vogel der Liebenden. Von welcher Schönen träumte&#x017F;t<lb/>
Du, Darius, als Du in die Nacht hinaus trate&#x017F;t, um<lb/>
der Gulgul zu lau&#x017F;chen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von keiner,&#x201C; antwortete der Befragte. &#x201E;Jhr wißt,<lb/>
daß ich den ge&#x017F;tirnten Himmel gern beobachte. Der Ti-<lb/>
&#x017F;tar&#x017F;tern ging heute &#x017F;o wunderbar &#x017F;trahlend auf, daß ich<lb/>
den Wein verließ, um ihn näher zu betrachten. Jch hätte<lb/>
meine Ohren ver&#x017F;chließen mü&#x017F;&#x017F;en, um den lauten Wech&#x017F;el-<lb/>
ge&#x017F;ang der Nachtigallen nicht zu vernehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t &#x017F;ie weit genug geöffnet, denn Dein ent-<lb/>
zückter Ausruf bewies, daß Dir der Ge&#x017F;ang des Vogels<lb/>
bis in&#x2019;s tief&#x017F;te Herz gedrungen!&#x201C; lachte Araspes.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Genug!&#x201C; rief Darius, den die&#x017F;e Neckereien ver-<lb/>
dro&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Jch verbitte mir jede An&#x017F;pielung auf Dinge, von<lb/>
denen ich nichts zu hören wün&#x017F;che!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unvor&#x017F;ichtiger,&#x201C; flü&#x017F;terte jetzt der Alte dem Jüng-<lb/>
linge zu, &#x201E;nun ha&#x017F;t Du Dich ganz verrathen! Wäre&#x017F;t Du<lb/>
nicht verliebt, &#x017F;o würde&#x017F;t Du lachen, &#x017F;tatt aufzubrau&#x017F;en!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0148] laſſen. — He, Sclav, ſorge für Lampen! Die Sonne iſt untergegangen, und der Wein mundet nur, wenn helles Licht die Tafel beſcheint!“ „Hört, wie ſchön der Vogel Gulgul ſingt!“ rief Darius, welcher aus der Laube in’s Freie getreten war, den Freunden zu. „Beim Mithra, Sohn des Hyſtaspes, Du biſt ver- liebt,“ unterbrach Araspes den Ausruf des Jünglings. „Wer den Wein verläßt, um der Nachtigall zu lauſchen, den hat der Blütenpfeil der Liebe 96) ſo ſicher getroffen, als ich Araspes heiße!“ „Du haſt recht, Väterchen,“ rief Bartja. „Philomele, wie die Hellenen unſre Gulgul nennen, der die Liebe ſo ſchöne Geſänge in die Bruſt haucht, iſt bei allen Völkern der Vogel der Liebenden. Von welcher Schönen träumteſt Du, Darius, als Du in die Nacht hinaus trateſt, um der Gulgul zu lauſchen?“ „Von keiner,“ antwortete der Befragte. „Jhr wißt, daß ich den geſtirnten Himmel gern beobachte. Der Ti- ſtarſtern ging heute ſo wunderbar ſtrahlend auf, daß ich den Wein verließ, um ihn näher zu betrachten. Jch hätte meine Ohren verſchließen müſſen, um den lauten Wechſel- geſang der Nachtigallen nicht zu vernehmen.“ „Du haſt ſie weit genug geöffnet, denn Dein ent- zückter Ausruf bewies, daß Dir der Geſang des Vogels bis in’s tiefſte Herz gedrungen!“ lachte Araspes. „Genug!“ rief Darius, den dieſe Neckereien ver- droſſen. „Jch verbitte mir jede Anſpielung auf Dinge, von denen ich nichts zu hören wünſche!“ „Unvorſichtiger,“ flüſterte jetzt der Alte dem Jüng- linge zu, „nun haſt Du Dich ganz verrathen! Wäreſt Du nicht verliebt, ſo würdeſt Du lachen, ſtatt aufzubrauſen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/148
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/148>, abgerufen am 28.03.2024.