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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Kambyses entriß ihm das Blatt und stampfte
wüthend mit dem Fuße, als er griechische Schriftzeichen,
welche er nicht zu lesen vermochte, auf demselben er-
blickte.

Nachdem er sich gesammelt hatte, fragte er den Kna-
ben, indem er ihn mit einem furchtbaren Blick anschaute:
"Wer hat Dir dieß übergeben?"

"Die Zofe der ägyptischen Herrin, die Magiertochter
Mandane."

"Für meinen Bruder Bartja?"

"Sie sagte, ich solle dieses Blatt dem schönen Prin-
zen vor dem Schmause einhändigen, ihm einen Gruß von
der Herrin Nitetis bestellen und ihm mittheilen, Deine
hohe Schwester Atossa werde ihm morgen den Jnhalt der
Schrift erklären."

Der König schwieg noch immer.

"Jch konnte den Herrn vor dem Schmause nicht an-
reden, weil er dicht neben Dir ging. Jetzt erwart' ich
ihn hier, denn Mandane versprach mir zwei Goldstateren,
wenn ich den Auftrag geschickt ausrichten würde."

"Das hast Du nicht gethan!" donnerte der nach sei-
ner Ansicht auf's Schändlichste hintergangne Mann. "Das
hast Du nicht gethan! Jhr Trabanten ergreift den Bur-
schen!"

Der Knabe erhob flehentlich bittend Blick und Stimme,
aber vergebens; denn, schnell wie der Gedanke, hatten
ihn die Peitschenträger ergriffen, und der König, welcher
mit raschen Schritten seinen Gemächern zueilte, vernahm
nicht mehr sein winselndes Flehen um Schonung und
Gnade.

Boges rieb, dem Herrscher folgend, seine fleischigen
Hände und lachte still vor sich hin.

Kambyſes entriß ihm das Blatt und ſtampfte
wüthend mit dem Fuße, als er griechiſche Schriftzeichen,
welche er nicht zu leſen vermochte, auf demſelben er-
blickte.

Nachdem er ſich geſammelt hatte, fragte er den Kna-
ben, indem er ihn mit einem furchtbaren Blick anſchaute:
„Wer hat Dir dieß übergeben?“

„Die Zofe der ägyptiſchen Herrin, die Magiertochter
Mandane.“

„Für meinen Bruder Bartja?“

„Sie ſagte, ich ſolle dieſes Blatt dem ſchönen Prin-
zen vor dem Schmauſe einhändigen, ihm einen Gruß von
der Herrin Nitetis beſtellen und ihm mittheilen, Deine
hohe Schweſter Atoſſa werde ihm morgen den Jnhalt der
Schrift erklären.“

Der König ſchwieg noch immer.

„Jch konnte den Herrn vor dem Schmauſe nicht an-
reden, weil er dicht neben Dir ging. Jetzt erwart’ ich
ihn hier, denn Mandane verſprach mir zwei Goldſtateren,
wenn ich den Auftrag geſchickt ausrichten würde.“

„Das haſt Du nicht gethan!“ donnerte der nach ſei-
ner Anſicht auf’s Schändlichſte hintergangne Mann. „Das
haſt Du nicht gethan! Jhr Trabanten ergreift den Bur-
ſchen!“

Der Knabe erhob flehentlich bittend Blick und Stimme,
aber vergebens; denn, ſchnell wie der Gedanke, hatten
ihn die Peitſchenträger ergriffen, und der König, welcher
mit raſchen Schritten ſeinen Gemächern zueilte, vernahm
nicht mehr ſein winſelndes Flehen um Schonung und
Gnade.

Boges rieb, dem Herrſcher folgend, ſeine fleiſchigen
Hände und lachte ſtill vor ſich hin.

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[134/0136] Kambyſes entriß ihm das Blatt und ſtampfte wüthend mit dem Fuße, als er griechiſche Schriftzeichen, welche er nicht zu leſen vermochte, auf demſelben er- blickte. Nachdem er ſich geſammelt hatte, fragte er den Kna- ben, indem er ihn mit einem furchtbaren Blick anſchaute: „Wer hat Dir dieß übergeben?“ „Die Zofe der ägyptiſchen Herrin, die Magiertochter Mandane.“ „Für meinen Bruder Bartja?“ „Sie ſagte, ich ſolle dieſes Blatt dem ſchönen Prin- zen vor dem Schmauſe einhändigen, ihm einen Gruß von der Herrin Nitetis beſtellen und ihm mittheilen, Deine hohe Schweſter Atoſſa werde ihm morgen den Jnhalt der Schrift erklären.“ Der König ſchwieg noch immer. „Jch konnte den Herrn vor dem Schmauſe nicht an- reden, weil er dicht neben Dir ging. Jetzt erwart’ ich ihn hier, denn Mandane verſprach mir zwei Goldſtateren, wenn ich den Auftrag geſchickt ausrichten würde.“ „Das haſt Du nicht gethan!“ donnerte der nach ſei- ner Anſicht auf’s Schändlichſte hintergangne Mann. „Das haſt Du nicht gethan! Jhr Trabanten ergreift den Bur- ſchen!“ Der Knabe erhob flehentlich bittend Blick und Stimme, aber vergebens; denn, ſchnell wie der Gedanke, hatten ihn die Peitſchenträger ergriffen, und der König, welcher mit raſchen Schritten ſeinen Gemächern zueilte, vernahm nicht mehr ſein winſelndes Flehen um Schonung und Gnade. Boges rieb, dem Herrſcher folgend, ſeine fleiſchigen Hände und lachte ſtill vor ſich hin.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/136>, abgerufen am 28.03.2024.