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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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rüstet sind und unsre Schwerter schon zu lange geruht
haben, so brauchen wir einen Krieg. -- Um diesen führen
zu können, fehlt uns nichts als ein paar guter Feinde,
und sich Feinde zu machen ist die leichteste Arbeit, die ich
kenne!"

Die Perser brachen bei diesen Worten in lauten Ju-
bel aus; Krösus aber ergriff, als der Lärm verstummte,
das Wort und sprach: "Du bist ein Greis, wie ich, Hy-
staspes; aber als echter Perser wähnst Du nur in Schlach-
ten und Kämpfen glücklich sein zu können. Der Stab,
einst das Zeichen Deiner Feldherrnwürde, ist jetzt Deine
Stütze; dennoch redest Du gleich einem heißblütigen Jüng-
linge! Feinde, das geb' ich zu, sind leicht gefunden; aber
nur Thoren bemühen sich, solche mit Gewalt zu erwerben.
Einen Feind zu haben ist ein Unglück. Wer sich muth-
willigerweise Feinde macht, gleicht einem Frevler, welcher
sich selbst verstümmelt. Haben wir Feinde, dann ziemt
sich's gegen dieselben zu kämpfen, wie es sich für den
Weisen schickt, dem Unglücke eine feste Stirn entgegen zu
setzen! -- Laßt uns keinen Frevel begehn, meine Freunde,
und keinen ungerechten, den Göttern verhaßten Krieg be-
ginnen, sondern warten, bis man uns ein Unrecht zufügt
und dann, mit dem Bewußtsein, wegen einer gerechten
Sache in den Kampf zu ziehn, siegen oder sterben."

Ein leises Murmeln des Beifalls, übertönt von dem
Rufe: "Hystaspes hat das Rechte getroffen! Suchen wir
einen Feind!" unterbrach die Rede des Greises.

Der Botschafter Prexaspes, welcher nun das Wort
erhielt, rief lachend: "Folgen wir den beiden edlen Grei-
sen; dem Krösus, indem wir auf ein Unrecht, welches man
uns zufügt, warten, dem Hystaspes, indem wir unsre
Empfindlichkeit steigern und annehmen, daß Jeder, der sich

rüſtet ſind und unſre Schwerter ſchon zu lange geruht
haben, ſo brauchen wir einen Krieg. — Um dieſen führen
zu können, fehlt uns nichts als ein paar guter Feinde,
und ſich Feinde zu machen iſt die leichteſte Arbeit, die ich
kenne!“

Die Perſer brachen bei dieſen Worten in lauten Ju-
bel aus; Kröſus aber ergriff, als der Lärm verſtummte,
das Wort und ſprach: „Du biſt ein Greis, wie ich, Hy-
ſtaspes; aber als echter Perſer wähnſt Du nur in Schlach-
ten und Kämpfen glücklich ſein zu können. Der Stab,
einſt das Zeichen Deiner Feldherrnwürde, iſt jetzt Deine
Stütze; dennoch redeſt Du gleich einem heißblütigen Jüng-
linge! Feinde, das geb’ ich zu, ſind leicht gefunden; aber
nur Thoren bemühen ſich, ſolche mit Gewalt zu erwerben.
Einen Feind zu haben iſt ein Unglück. Wer ſich muth-
willigerweiſe Feinde macht, gleicht einem Frevler, welcher
ſich ſelbſt verſtümmelt. Haben wir Feinde, dann ziemt
ſich’s gegen dieſelben zu kämpfen, wie es ſich für den
Weiſen ſchickt, dem Unglücke eine feſte Stirn entgegen zu
ſetzen! — Laßt uns keinen Frevel begehn, meine Freunde,
und keinen ungerechten, den Göttern verhaßten Krieg be-
ginnen, ſondern warten, bis man uns ein Unrecht zufügt
und dann, mit dem Bewußtſein, wegen einer gerechten
Sache in den Kampf zu ziehn, ſiegen oder ſterben.“

Ein leiſes Murmeln des Beifalls, übertönt von dem
Rufe: „Hyſtaspes hat das Rechte getroffen! Suchen wir
einen Feind!“ unterbrach die Rede des Greiſes.

Der Botſchafter Prexaspes, welcher nun das Wort
erhielt, rief lachend: „Folgen wir den beiden edlen Grei-
ſen; dem Kröſus, indem wir auf ein Unrecht, welches man
uns zufügt, warten, dem Hyſtaspes, indem wir unſre
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[130/0132] rüſtet ſind und unſre Schwerter ſchon zu lange geruht haben, ſo brauchen wir einen Krieg. — Um dieſen führen zu können, fehlt uns nichts als ein paar guter Feinde, und ſich Feinde zu machen iſt die leichteſte Arbeit, die ich kenne!“ Die Perſer brachen bei dieſen Worten in lauten Ju- bel aus; Kröſus aber ergriff, als der Lärm verſtummte, das Wort und ſprach: „Du biſt ein Greis, wie ich, Hy- ſtaspes; aber als echter Perſer wähnſt Du nur in Schlach- ten und Kämpfen glücklich ſein zu können. Der Stab, einſt das Zeichen Deiner Feldherrnwürde, iſt jetzt Deine Stütze; dennoch redeſt Du gleich einem heißblütigen Jüng- linge! Feinde, das geb’ ich zu, ſind leicht gefunden; aber nur Thoren bemühen ſich, ſolche mit Gewalt zu erwerben. Einen Feind zu haben iſt ein Unglück. Wer ſich muth- willigerweiſe Feinde macht, gleicht einem Frevler, welcher ſich ſelbſt verſtümmelt. Haben wir Feinde, dann ziemt ſich’s gegen dieſelben zu kämpfen, wie es ſich für den Weiſen ſchickt, dem Unglücke eine feſte Stirn entgegen zu ſetzen! — Laßt uns keinen Frevel begehn, meine Freunde, und keinen ungerechten, den Göttern verhaßten Krieg be- ginnen, ſondern warten, bis man uns ein Unrecht zufügt und dann, mit dem Bewußtſein, wegen einer gerechten Sache in den Kampf zu ziehn, ſiegen oder ſterben.“ Ein leiſes Murmeln des Beifalls, übertönt von dem Rufe: „Hyſtaspes hat das Rechte getroffen! Suchen wir einen Feind!“ unterbrach die Rede des Greiſes. Der Botſchafter Prexaspes, welcher nun das Wort erhielt, rief lachend: „Folgen wir den beiden edlen Grei- ſen; dem Kröſus, indem wir auf ein Unrecht, welches man uns zufügt, warten, dem Hyſtaspes, indem wir unſre Empfindlichkeit ſteigern und annehmen, daß Jeder, der ſich

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/132>, abgerufen am 24.04.2024.