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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Grimm, welchen die Erniedrigung ihrer Tochter und En-
kelin in ihnen erweckte, und manches Achämeniden Auge
sah mit hoher Theilnahme auf die unglückliche Phädyme,
mit stillem Groll auf die bevorzugte, schöne Fremde.

Alle Ceremonieen waren beendet und die Schmauserei 88)
begann. -- Vor dem Könige lag in einem goldnen Korbe,
von andern Früchten zierlich umgeben, ein riesiger Gra-
natapfel in der Größe eines Kinderkopfes 89).

Jetzt erst bemerkte er denselben, musterte die Schön-
heit der seltnen, ungeheueren Frucht mit Kennerblicken und
fragte: "Wer hat diesen wunderbaren Apfel gezogen?"

"Dein Knecht Oropastes," antwortete der Oberste der
Magier, sich tief verbeugend. "Seit vielen Jahren treibe
ich die Gärtnerkunst und habe es gewagt, in dieser herr-
lichen Frucht den schönsten Erfolg meiner Mühen zu Dei-
nen Füßen niederzulegen."

"Jch danke Dir!" rief der König, "denn, meine
Freunde, dieser Granatapfel wird mir die Wahl eines
Statthalters erleichtern, wenn wir in den Krieg ziehen.
Beim Mithra, wer einen kleinen Baum so sorgsam zu
pflegen versteht, der wird auch in großen Dingen tüchtig
sein! Welch' eine Frucht! Wer sah ihresgleichen. Noch
einmal danke ich Dir, Oropastes, und weil der Dank des
Königs nicht in Worten allein bestehen darf, so ernenne
ich Dich heute schon, für den Fall eines Krieges, zum Statt-
halter des gesammten Reichs. -- Ja, meine Freunde, wir
werden nicht mehr lange in träger Ruhe unsre Zeit ver-
träumen. Der Perser verliert seine Fröhlichkeit ohne die
Lust des Krieges!"

Ein Murmeln des Beifalls zog durch die Reihen
der Achämeniden. "Sieg dem Könige!" erklang es von
Neuem.

Grimm, welchen die Erniedrigung ihrer Tochter und En-
kelin in ihnen erweckte, und manches Achämeniden Auge
ſah mit hoher Theilnahme auf die unglückliche Phädyme,
mit ſtillem Groll auf die bevorzugte, ſchöne Fremde.

Alle Ceremonieen waren beendet und die Schmauſerei 88)
begann. — Vor dem Könige lag in einem goldnen Korbe,
von andern Früchten zierlich umgeben, ein rieſiger Gra-
natapfel in der Größe eines Kinderkopfes 89).

Jetzt erſt bemerkte er denſelben, muſterte die Schön-
heit der ſeltnen, ungeheueren Frucht mit Kennerblicken und
fragte: „Wer hat dieſen wunderbaren Apfel gezogen?“

„Dein Knecht Oropaſtes,“ antwortete der Oberſte der
Magier, ſich tief verbeugend. „Seit vielen Jahren treibe
ich die Gärtnerkunſt und habe es gewagt, in dieſer herr-
lichen Frucht den ſchönſten Erfolg meiner Mühen zu Dei-
nen Füßen niederzulegen.“

„Jch danke Dir!“ rief der König, „denn, meine
Freunde, dieſer Granatapfel wird mir die Wahl eines
Statthalters erleichtern, wenn wir in den Krieg ziehen.
Beim Mithra, wer einen kleinen Baum ſo ſorgſam zu
pflegen verſteht, der wird auch in großen Dingen tüchtig
ſein! Welch’ eine Frucht! Wer ſah ihresgleichen. Noch
einmal danke ich Dir, Oropaſtes, und weil der Dank des
Königs nicht in Worten allein beſtehen darf, ſo ernenne
ich Dich heute ſchon, für den Fall eines Krieges, zum Statt-
halter des geſammten Reichs. — Ja, meine Freunde, wir
werden nicht mehr lange in träger Ruhe unſre Zeit ver-
träumen. Der Perſer verliert ſeine Fröhlichkeit ohne die
Luſt des Krieges!“

Ein Murmeln des Beifalls zog durch die Reihen
der Achämeniden. „Sieg dem Könige!“ erklang es von
Neuem.

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[121/0123] Grimm, welchen die Erniedrigung ihrer Tochter und En- kelin in ihnen erweckte, und manches Achämeniden Auge ſah mit hoher Theilnahme auf die unglückliche Phädyme, mit ſtillem Groll auf die bevorzugte, ſchöne Fremde. Alle Ceremonieen waren beendet und die Schmauſerei 88) begann. — Vor dem Könige lag in einem goldnen Korbe, von andern Früchten zierlich umgeben, ein rieſiger Gra- natapfel in der Größe eines Kinderkopfes 89). Jetzt erſt bemerkte er denſelben, muſterte die Schön- heit der ſeltnen, ungeheueren Frucht mit Kennerblicken und fragte: „Wer hat dieſen wunderbaren Apfel gezogen?“ „Dein Knecht Oropaſtes,“ antwortete der Oberſte der Magier, ſich tief verbeugend. „Seit vielen Jahren treibe ich die Gärtnerkunſt und habe es gewagt, in dieſer herr- lichen Frucht den ſchönſten Erfolg meiner Mühen zu Dei- nen Füßen niederzulegen.“ „Jch danke Dir!“ rief der König, „denn, meine Freunde, dieſer Granatapfel wird mir die Wahl eines Statthalters erleichtern, wenn wir in den Krieg ziehen. Beim Mithra, wer einen kleinen Baum ſo ſorgſam zu pflegen verſteht, der wird auch in großen Dingen tüchtig ſein! Welch’ eine Frucht! Wer ſah ihresgleichen. Noch einmal danke ich Dir, Oropaſtes, und weil der Dank des Königs nicht in Worten allein beſtehen darf, ſo ernenne ich Dich heute ſchon, für den Fall eines Krieges, zum Statt- halter des geſammten Reichs. — Ja, meine Freunde, wir werden nicht mehr lange in träger Ruhe unſre Zeit ver- träumen. Der Perſer verliert ſeine Fröhlichkeit ohne die Luſt des Krieges!“ Ein Murmeln des Beifalls zog durch die Reihen der Achämeniden. „Sieg dem Könige!“ erklang es von Neuem.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/123>, abgerufen am 23.04.2024.