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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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kostbarste Kleinod empfangen, welches ich besitze. Nimm
dieses Amulet von blauem Gestein. Meine Schwester
Tachot hängte es um meinen Hals, als ich zum Letzten-
male vor dem Schlafengehen den Nachtkuß auf ihre Lip-
pen drückte. Sie sagte mir, dieser Talisman verschaffe
denen, welche ihn trügen, süßes Glück der Liebe. Sie
weinte dabei, Bartja! Jch weiß nicht, an wen die Gute
dachte; aber ich hoffe in ihrem Sinne zu handeln, wenn
ich ihr Kleinod in Deine Hände lege. Denke, Tachot
reiche es Dir durch mich, ihre Schwester, und erinnere
Dich manchmal an unsere Spiele in den Gärten von
Sais."

Bis dahin hatte sie griechisch gesprochen. Jetzt wen-
dete sie sich an die in ehrerbietiger Entfernung harrende
Dienerschaft und sagte in gebrochenem persisch: "Nehmt
auch ihr meinen Dank! Zu Babylon sollt ihr tausend
Goldstatern 9) erhalten. Jch befehle Dir, Boges," fügte
sie, sich an den Eunuchen wendend, hinzu: "die angegebene
Summe bis spätestens übermorgen unter die Leute verthei-
len zu lassen. -- Führe mich zu meinem Wagen, Krösus!"

Der Greis beeilte sich dieser Aufforderung Folge zu
leisten. Während er Nitetis dem Fuhrwerke entgegen
führte, flüsterte ihm dieselbe, seinen Arm an ihre Brust
drückend, zu: "Bist Du mit mir zufrieden, mein Vater?
Habe ich die Perser königlich behandelt; bin ich meinem
eitlen Wärter stolz und herablassend genug begegnet?"

"Jch sage Dir, Mädchen," antwortete der Greis,
"Du wirst an diesem Hofe, nach der Mutter des Königs,
die Erste werden, denn Du besitzest die Kunst, mit We-
nigem viel zu verrichten. Glaube mir, daß eine kleine
Gabe, wie Du sie zu wählen und darzureichen verstehst,
dem Edlen größere Freude bereitet, als ein Haufen Gol-

koſtbarſte Kleinod empfangen, welches ich beſitze. Nimm
dieſes Amulet von blauem Geſtein. Meine Schweſter
Tachot hängte es um meinen Hals, als ich zum Letzten-
male vor dem Schlafengehen den Nachtkuß auf ihre Lip-
pen drückte. Sie ſagte mir, dieſer Talisman verſchaffe
denen, welche ihn trügen, ſüßes Glück der Liebe. Sie
weinte dabei, Bartja! Jch weiß nicht, an wen die Gute
dachte; aber ich hoffe in ihrem Sinne zu handeln, wenn
ich ihr Kleinod in Deine Hände lege. Denke, Tachot
reiche es Dir durch mich, ihre Schweſter, und erinnere
Dich manchmal an unſere Spiele in den Gärten von
Sais.“

Bis dahin hatte ſie griechiſch geſprochen. Jetzt wen-
dete ſie ſich an die in ehrerbietiger Entfernung harrende
Dienerſchaft und ſagte in gebrochenem perſiſch: „Nehmt
auch ihr meinen Dank! Zu Babylon ſollt ihr tauſend
Goldſtatern 9) erhalten. Jch befehle Dir, Boges,“ fügte
ſie, ſich an den Eunuchen wendend, hinzu: „die angegebene
Summe bis ſpäteſtens übermorgen unter die Leute verthei-
len zu laſſen. — Führe mich zu meinem Wagen, Kröſus!“

Der Greis beeilte ſich dieſer Aufforderung Folge zu
leiſten. Während er Nitetis dem Fuhrwerke entgegen
führte, flüſterte ihm dieſelbe, ſeinen Arm an ihre Bruſt
drückend, zu: „Biſt Du mit mir zufrieden, mein Vater?
Habe ich die Perſer königlich behandelt; bin ich meinem
eitlen Wärter ſtolz und herablaſſend genug begegnet?“

„Jch ſage Dir, Mädchen,“ antwortete der Greis,
„Du wirſt an dieſem Hofe, nach der Mutter des Königs,
die Erſte werden, denn Du beſitzeſt die Kunſt, mit We-
nigem viel zu verrichten. Glaube mir, daß eine kleine
Gabe, wie Du ſie zu wählen und darzureichen verſtehſt,
dem Edlen größere Freude bereitet, als ein Haufen Gol-

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[8/0010] koſtbarſte Kleinod empfangen, welches ich beſitze. Nimm dieſes Amulet von blauem Geſtein. Meine Schweſter Tachot hängte es um meinen Hals, als ich zum Letzten- male vor dem Schlafengehen den Nachtkuß auf ihre Lip- pen drückte. Sie ſagte mir, dieſer Talisman verſchaffe denen, welche ihn trügen, ſüßes Glück der Liebe. Sie weinte dabei, Bartja! Jch weiß nicht, an wen die Gute dachte; aber ich hoffe in ihrem Sinne zu handeln, wenn ich ihr Kleinod in Deine Hände lege. Denke, Tachot reiche es Dir durch mich, ihre Schweſter, und erinnere Dich manchmal an unſere Spiele in den Gärten von Sais.“ Bis dahin hatte ſie griechiſch geſprochen. Jetzt wen- dete ſie ſich an die in ehrerbietiger Entfernung harrende Dienerſchaft und ſagte in gebrochenem perſiſch: „Nehmt auch ihr meinen Dank! Zu Babylon ſollt ihr tauſend Goldſtatern 9) erhalten. Jch befehle Dir, Boges,“ fügte ſie, ſich an den Eunuchen wendend, hinzu: „die angegebene Summe bis ſpäteſtens übermorgen unter die Leute verthei- len zu laſſen. — Führe mich zu meinem Wagen, Kröſus!“ Der Greis beeilte ſich dieſer Aufforderung Folge zu leiſten. Während er Nitetis dem Fuhrwerke entgegen führte, flüſterte ihm dieſelbe, ſeinen Arm an ihre Bruſt drückend, zu: „Biſt Du mit mir zufrieden, mein Vater? Habe ich die Perſer königlich behandelt; bin ich meinem eitlen Wärter ſtolz und herablaſſend genug begegnet?“ „Jch ſage Dir, Mädchen,“ antwortete der Greis, „Du wirſt an dieſem Hofe, nach der Mutter des Königs, die Erſte werden, denn Du beſitzeſt die Kunſt, mit We- nigem viel zu verrichten. Glaube mir, daß eine kleine Gabe, wie Du ſie zu wählen und darzureichen verſtehſt, dem Edlen größere Freude bereitet, als ein Haufen Gol-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/10>, abgerufen am 29.03.2024.