Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

untersuche ich die Gruppierung der einzelnen, zu einem
Durchschnittswert zusammengefassten Zahlen. Entspricht die-
selbe derjenigen Verteilung, die in den Naturwissenschaften
überall gefunden wird, wo die wiederholte Beobachtung eines
gleichartigen Geschehens differierende Einzelwerte giebt, so
nehme ich -- wiederum versuchsweise -- an, dass auch der
betreffende wiederholt untersuchte psychische Vorgang allemal
unter genügend gleichen Umständen für unsere Zwecke
von statten gegangen sei. Zwingend ist diese Annahme nicht,
aber sehr wahrscheinlich. Ist sie falsch, so wird der Fort-
gang der Untersuchungen dies voraussichtlich von selbst leh-
ren: die von verschiedenen Gesichtspunkten gestellten Fragen
werden zu widersprechenden Resultaten führen.

§ 10.
Der wahrscheinliche Fehler.

Die Grösse, welche die Dichtigkeit der gewonnenen Be-
obachtungen misst und die ihre Verteilung darstellende For-
mel für jeden Fall zu einer bestimmten macht, kann man,
wie schon erwähnt, verschieden wählen. Ich benutze den
sogenannten "wahrscheinlichen Fehler" (w), d. h. diejenige
Abweichung von dem Mittelwert nach oben und nach unten,
welche von den Einzelwerten ebenso oft überschritten wie
nicht erreicht wird, welche also zwischen ihrem positiven und
negativen Betrag gerade die Hälfte aller Beobachtungsresul-
tate, symmetrisch um den Mittelwert gelagert, einschliesst.
Man kann sie, wie aus ihrem Begriff ersichtlich, aus diesen
Resultaten durch einfaches Abzählen herausfinden, genauer
geschieht dies durch eine theoretisch begründete Berechnung.

Hat man nun für irgend eine Gruppe von Beobachtungs-
werten diese Berechnung versuchsweise angestellt, dann erkennt

untersuche ich die Gruppierung der einzelnen, zu einem
Durchschnittswert zusammengefaſsten Zahlen. Entspricht die-
selbe derjenigen Verteilung, die in den Naturwissenschaften
überall gefunden wird, wo die wiederholte Beobachtung eines
gleichartigen Geschehens differierende Einzelwerte giebt, so
nehme ich — wiederum versuchsweise — an, daſs auch der
betreffende wiederholt untersuchte psychische Vorgang allemal
unter genügend gleichen Umständen für unsere Zwecke
von statten gegangen sei. Zwingend ist diese Annahme nicht,
aber sehr wahrscheinlich. Ist sie falsch, so wird der Fort-
gang der Untersuchungen dies voraussichtlich von selbst leh-
ren: die von verschiedenen Gesichtspunkten gestellten Fragen
werden zu widersprechenden Resultaten führen.

§ 10.
Der wahrscheinliche Fehler.

Die Gröſse, welche die Dichtigkeit der gewonnenen Be-
obachtungen miſst und die ihre Verteilung darstellende For-
mel für jeden Fall zu einer bestimmten macht, kann man,
wie schon erwähnt, verschieden wählen. Ich benutze den
sogenannten „wahrscheinlichen Fehler“ (w), d. h. diejenige
Abweichung von dem Mittelwert nach oben und nach unten,
welche von den Einzelwerten ebenso oft überschritten wie
nicht erreicht wird, welche also zwischen ihrem positiven und
negativen Betrag gerade die Hälfte aller Beobachtungsresul-
tate, symmetrisch um den Mittelwert gelagert, einschlieſst.
Man kann sie, wie aus ihrem Begriff ersichtlich, aus diesen
Resultaten durch einfaches Abzählen herausfinden, genauer
geschieht dies durch eine theoretisch begründete Berechnung.

Hat man nun für irgend eine Gruppe von Beobachtungs-
werten diese Berechnung versuchsweise angestellt, dann erkennt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0043" n="27"/>
untersuche ich die Gruppierung der einzelnen, zu einem<lb/>
Durchschnittswert zusammengefa&#x017F;sten Zahlen. Entspricht die-<lb/>
selbe derjenigen Verteilung, die in den Naturwissenschaften<lb/>
überall gefunden wird, wo die wiederholte Beobachtung eines<lb/>
gleichartigen Geschehens differierende Einzelwerte giebt, so<lb/>
nehme ich &#x2014; wiederum versuchsweise &#x2014; an, da&#x017F;s auch der<lb/>
betreffende wiederholt untersuchte psychische Vorgang allemal<lb/>
unter <hi rendition="#g">genügend</hi> gleichen Umständen für unsere Zwecke<lb/>
von statten gegangen sei. Zwingend ist diese Annahme nicht,<lb/>
aber sehr wahrscheinlich. Ist sie falsch, so wird der Fort-<lb/>
gang der Untersuchungen dies voraussichtlich von selbst leh-<lb/>
ren: die von verschiedenen Gesichtspunkten gestellten Fragen<lb/>
werden zu widersprechenden Resultaten führen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 10.<lb/><hi rendition="#b">Der wahrscheinliche Fehler.</hi></head><lb/>
          <p>Die Grö&#x017F;se, welche die Dichtigkeit der gewonnenen Be-<lb/>
obachtungen mi&#x017F;st und die ihre Verteilung darstellende For-<lb/>
mel für jeden Fall zu einer bestimmten macht, kann man,<lb/>
wie schon erwähnt, verschieden wählen. Ich benutze den<lb/>
sogenannten &#x201E;wahrscheinlichen Fehler&#x201C; (<hi rendition="#i">w</hi>), d. h. diejenige<lb/>
Abweichung von dem Mittelwert nach oben und nach unten,<lb/>
welche von den Einzelwerten ebenso oft überschritten wie<lb/>
nicht erreicht wird, welche also zwischen ihrem positiven und<lb/>
negativen Betrag gerade die Hälfte aller Beobachtungsresul-<lb/>
tate, symmetrisch um den Mittelwert gelagert, einschlie&#x017F;st.<lb/>
Man kann sie, wie aus ihrem Begriff ersichtlich, aus diesen<lb/>
Resultaten durch einfaches Abzählen herausfinden, genauer<lb/>
geschieht dies durch eine theoretisch begründete Berechnung.</p><lb/>
          <p>Hat man nun für irgend eine Gruppe von Beobachtungs-<lb/>
werten diese Berechnung versuchsweise angestellt, dann erkennt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0043] untersuche ich die Gruppierung der einzelnen, zu einem Durchschnittswert zusammengefaſsten Zahlen. Entspricht die- selbe derjenigen Verteilung, die in den Naturwissenschaften überall gefunden wird, wo die wiederholte Beobachtung eines gleichartigen Geschehens differierende Einzelwerte giebt, so nehme ich — wiederum versuchsweise — an, daſs auch der betreffende wiederholt untersuchte psychische Vorgang allemal unter genügend gleichen Umständen für unsere Zwecke von statten gegangen sei. Zwingend ist diese Annahme nicht, aber sehr wahrscheinlich. Ist sie falsch, so wird der Fort- gang der Untersuchungen dies voraussichtlich von selbst leh- ren: die von verschiedenen Gesichtspunkten gestellten Fragen werden zu widersprechenden Resultaten führen. § 10. Der wahrscheinliche Fehler. Die Gröſse, welche die Dichtigkeit der gewonnenen Be- obachtungen miſst und die ihre Verteilung darstellende For- mel für jeden Fall zu einer bestimmten macht, kann man, wie schon erwähnt, verschieden wählen. Ich benutze den sogenannten „wahrscheinlichen Fehler“ (w), d. h. diejenige Abweichung von dem Mittelwert nach oben und nach unten, welche von den Einzelwerten ebenso oft überschritten wie nicht erreicht wird, welche also zwischen ihrem positiven und negativen Betrag gerade die Hälfte aller Beobachtungsresul- tate, symmetrisch um den Mittelwert gelagert, einschlieſst. Man kann sie, wie aus ihrem Begriff ersichtlich, aus diesen Resultaten durch einfaches Abzählen herausfinden, genauer geschieht dies durch eine theoretisch begründete Berechnung. Hat man nun für irgend eine Gruppe von Beobachtungs- werten diese Berechnung versuchsweise angestellt, dann erkennt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/43
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/43>, abgerufen am 18.04.2024.