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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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einzelnen Schwankungen mehr und mehr kompensieren zu dem
Effekt des mittleren Wertes, um den herum sie stattfinden.
Und das schliessliche Resultat der Zusammenfassung wird an-
nähernd dasselbe sein, als ob die thatsächlich veränderlichen
Ursachen nicht nur begrifflich sondern auch numerisch ganz
dieselben geblieben wären. Der Durchschnittswert ist also
in diesen Fällen der adäquate zahlenmässige Repräsentant
eines begrifflich bestimmten, wohlumschriebenen Zusammen-
wirkens; wird ein Glied der Konfiguration variiert, so geben
wiederum die begleitenden Veränderungen dieses Durchschnitts-
wertes die richtigen Masse für den Effekt jener Variierungen
auf den gesamten Komplex.

Bei den statistischen Konstanten dagegen kann man unter
keinem möglichen Gesichtspunkt mehr sagen, dass jeder Einzel-
wert durch das Zusammenwirken von denselben Ursachen
erzeugt worden sei, die teilweise, innerhalb mässiger Grenzen
und im ganzen in symmetrischer Weise schwankende Werte
gehabt hätten. Die Einzeleffekte entspringen vielmehr einer
oft unentwirrbaren Fülle von ganz verschiedenartigen Ursachen-
kombinationen, die zwar zahlreiche Momente mit einander
teilen mögen, aber im ganzen keine begriffliche Ge-
meinschaft
haben und wesentlich nur in irgend einem
Merkmal der Effekte übereinstimmen. Dass die Werte der
einzelnen Effekte dabei sehr verschieden werden müssen, ist
sozusagen selbstverständlich. Dass nichtsdestoweniger auch
hier bei Zusammenfassung grosser Gruppen annähernd kon-
stante Zahlen zu Tage treten, bringen wir uns dadurch näher,
dass wir sagen, in gleichen und ziemlich grossen Zeitstrecken
oder Raumgebieten werden die einzelnen Ursachenkombina-
tionen annähernd gleich häufig verwirklicht; ohne dass wir
freilich damit mehr thun, als eine eigenartige und wunder-
bare Veranstaltung der Natur als solche zu konstatieren.

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einzelnen Schwankungen mehr und mehr kompensieren zu dem
Effekt des mittleren Wertes, um den herum sie stattfinden.
Und das schlieſsliche Resultat der Zusammenfassung wird an-
nähernd dasselbe sein, als ob die thatsächlich veränderlichen
Ursachen nicht nur begrifflich sondern auch numerisch ganz
dieselben geblieben wären. Der Durchschnittswert ist also
in diesen Fällen der adäquate zahlenmäſsige Repräsentant
eines begrifflich bestimmten, wohlumschriebenen Zusammen-
wirkens; wird ein Glied der Konfiguration variiert, so geben
wiederum die begleitenden Veränderungen dieses Durchschnitts-
wertes die richtigen Maſse für den Effekt jener Variierungen
auf den gesamten Komplex.

Bei den statistischen Konstanten dagegen kann man unter
keinem möglichen Gesichtspunkt mehr sagen, daſs jeder Einzel-
wert durch das Zusammenwirken von denselben Ursachen
erzeugt worden sei, die teilweise, innerhalb mäſsiger Grenzen
und im ganzen in symmetrischer Weise schwankende Werte
gehabt hätten. Die Einzeleffekte entspringen vielmehr einer
oft unentwirrbaren Fülle von ganz verschiedenartigen Ursachen-
kombinationen, die zwar zahlreiche Momente mit einander
teilen mögen, aber im ganzen keine begriffliche Ge-
meinschaft
haben und wesentlich nur in irgend einem
Merkmal der Effekte übereinstimmen. Daſs die Werte der
einzelnen Effekte dabei sehr verschieden werden müssen, ist
sozusagen selbstverständlich. Daſs nichtsdestoweniger auch
hier bei Zusammenfassung groſser Gruppen annähernd kon-
stante Zahlen zu Tage treten, bringen wir uns dadurch näher,
daſs wir sagen, in gleichen und ziemlich groſsen Zeitstrecken
oder Raumgebieten werden die einzelnen Ursachenkombina-
tionen annähernd gleich häufig verwirklicht; ohne daſs wir
freilich damit mehr thun, als eine eigenartige und wunder-
bare Veranstaltung der Natur als solche zu konstatieren.

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[19/0035] einzelnen Schwankungen mehr und mehr kompensieren zu dem Effekt des mittleren Wertes, um den herum sie stattfinden. Und das schlieſsliche Resultat der Zusammenfassung wird an- nähernd dasselbe sein, als ob die thatsächlich veränderlichen Ursachen nicht nur begrifflich sondern auch numerisch ganz dieselben geblieben wären. Der Durchschnittswert ist also in diesen Fällen der adäquate zahlenmäſsige Repräsentant eines begrifflich bestimmten, wohlumschriebenen Zusammen- wirkens; wird ein Glied der Konfiguration variiert, so geben wiederum die begleitenden Veränderungen dieses Durchschnitts- wertes die richtigen Maſse für den Effekt jener Variierungen auf den gesamten Komplex. Bei den statistischen Konstanten dagegen kann man unter keinem möglichen Gesichtspunkt mehr sagen, daſs jeder Einzel- wert durch das Zusammenwirken von denselben Ursachen erzeugt worden sei, die teilweise, innerhalb mäſsiger Grenzen und im ganzen in symmetrischer Weise schwankende Werte gehabt hätten. Die Einzeleffekte entspringen vielmehr einer oft unentwirrbaren Fülle von ganz verschiedenartigen Ursachen- kombinationen, die zwar zahlreiche Momente mit einander teilen mögen, aber im ganzen keine begriffliche Ge- meinschaft haben und wesentlich nur in irgend einem Merkmal der Effekte übereinstimmen. Daſs die Werte der einzelnen Effekte dabei sehr verschieden werden müssen, ist sozusagen selbstverständlich. Daſs nichtsdestoweniger auch hier bei Zusammenfassung groſser Gruppen annähernd kon- stante Zahlen zu Tage treten, bringen wir uns dadurch näher, daſs wir sagen, in gleichen und ziemlich groſsen Zeitstrecken oder Raumgebieten werden die einzelnen Ursachenkombina- tionen annähernd gleich häufig verwirklicht; ohne daſs wir freilich damit mehr thun, als eine eigenartige und wunder- bare Veranstaltung der Natur als solche zu konstatieren. 2*

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/35>, abgerufen am 25.04.2024.