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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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hirns, einander berühren.10 Er behauptete zweitens, dass
die im Weltall vorhandene Bewegungsgrösse beständig
sei.12 Je sicherer daraus die Unmöglichkeit zu folgen
scheint, dass die Seele Bewegung der Materie erzeuge,
um so mehr erstaunt man, wenn nun Descartes, um
die Willensfreiheit zu retten, die Seele einfach die Zir¬
beldrüse in dem nöthigen Sinne bewegen lässt, damit
die thierischen Geister, wir würden sagen das Nerven¬
princip, den richtigen Muskeln zuströmen. Umgekehrt
die durch Sinneseindrücke erregten thierischen Geister
bewegen die Zirbeldrüse, und die mit dieser verbundene
Seele merkt die Bewegung.12

Descartes' unmittelbare Nachfolger, Clauberg13,
Malebranche15, Geulincx15 bemühen sich, einen so offen¬
baren Missgriff zu verbessern. Sie halten fest an der
Unmöglichkeit einer Wechselwirkung von Geist und
Materie, als zweier verschiedener Substanzen. Um aber
zu verstehen, wie dennoch die Seele den Körper bewegt
und von ihm erregt werde, nehmen sie an, dass das
Wollen der Seele Gott veranlasse, den Körper jedesmal
nach Wunsch der Seele zu bewegen. Umgekehrt die
Sinneseindrücke veranlassen Gott, die Seele jedesmal in
Uebereinstimmung damit zu verändern. Die Causa effi¬
ciens
der Veränderungen des Körpers durch die Seele
und umgekehrt ist also stets nur Gott; das Wollen der
Seele und die Sinneseindrücke sind nur die Causae occa¬

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hirns, einander berühren.10 Er behauptete zweitens, dass
die im Weltall vorhandene Bewegungsgrösse beständig
sei.12 Je sicherer daraus die Unmöglichkeit zu folgen
scheint, dass die Seele Bewegung der Materie erzeuge,
um so mehr erstaunt man, wenn nun Descartes, um
die Willensfreiheit zu retten, die Seele einfach die Zir¬
beldrüse in dem nöthigen Sinne bewegen lässt, damit
die thierischen Geister, wir würden sagen das Nerven¬
princip, den richtigen Muskeln zuströmen. Umgekehrt
die durch Sinneseindrücke erregten thierischen Geister
bewegen die Zirbeldrüse, und die mit dieser verbundene
Seele merkt die Bewegung.12

Descartes' unmittelbare Nachfolger, Clauberg13,
Malebranche15, Geulincx15 bemühen sich, einen so offen¬
baren Missgriff zu verbessern. Sie halten fest an der
Unmöglichkeit einer Wechselwirkung von Geist und
Materie, als zweier verschiedener Substanzen. Um aber
zu verstehen, wie dennoch die Seele den Körper bewegt
und von ihm erregt werde, nehmen sie an, dass das
Wollen der Seele Gott veranlasse, den Körper jedesmal
nach Wunsch der Seele zu bewegen. Umgekehrt die
Sinneseindrücke veranlassen Gott, die Seele jedesmal in
Uebereinstimmung damit zu verändern. Die Causa effi¬
ciens
der Veränderungen des Körpers durch die Seele
und umgekehrt ist also stets nur Gott; das Wollen der
Seele und die Sinneseindrücke sind nur die Causae occa¬

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[19/0027] hirns, einander berühren. ¹⁰ Er behauptete zweitens, dass die im Weltall vorhandene Bewegungsgrösse beständig sei. ¹² Je sicherer daraus die Unmöglichkeit zu folgen scheint, dass die Seele Bewegung der Materie erzeuge, um so mehr erstaunt man, wenn nun Descartes, um die Willensfreiheit zu retten, die Seele einfach die Zir¬ beldrüse in dem nöthigen Sinne bewegen lässt, damit die thierischen Geister, wir würden sagen das Nerven¬ princip, den richtigen Muskeln zuströmen. Umgekehrt die durch Sinneseindrücke erregten thierischen Geister bewegen die Zirbeldrüse, und die mit dieser verbundene Seele merkt die Bewegung.12 Descartes' unmittelbare Nachfolger, Clauberg ¹³ , Malebranche ¹⁵ , Geulincx15 bemühen sich, einen so offen¬ baren Missgriff zu verbessern. Sie halten fest an der Unmöglichkeit einer Wechselwirkung von Geist und Materie, als zweier verschiedener Substanzen. Um aber zu verstehen, wie dennoch die Seele den Körper bewegt und von ihm erregt werde, nehmen sie an, dass das Wollen der Seele Gott veranlasse, den Körper jedesmal nach Wunsch der Seele zu bewegen. Umgekehrt die Sinneseindrücke veranlassen Gott, die Seele jedesmal in Uebereinstimmung damit zu verändern. Die Causa effi¬ ciens der Veränderungen des Körpers durch die Seele und umgekehrt ist also stets nur Gott; das Wollen der Seele und die Sinneseindrücke sind nur die Causae occa¬ 2 *

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/27>, abgerufen am 19.04.2024.