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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Zweites Kapitel.
Das Macedonische Königthum. Alexanders Regierungs-
antritt.

Aber waren Philipp und seine Macedonier Griechen, um den
Perserkrieg im Sinne des Griechischen Volkes und der Griechischen
Geschichte übernehmen zu können? Die Vertheidiger der alten de-
mokratischen Freiheit haben oft und laut das Gegentheil behauptet,
und ihr großer Wortführer Demosthenes geht in seinem patriotischen
Eifer so weit, zu versichern, daß Philipp weder ein Grieche, noch
mit Griechen verwandt, sondern zu den Barbaren zu zählen sei, die
man nicht einmal als Sclaven brauchen könne 1). Aber uralte
und glaubwürdige Traditionen beweisen das Gegentheil; sie berich-
ten, daß in grauer Vorzeit drei Brüder aus dem Heraklidischen
Fürstengeschlechte von Argos gen Norden in das Land der rossekun-
digen Päonier gewandert seien, sich am Ostabhange des Gebirges
in der Stadt Edessa niedergelassen, und die Landschaft Emathia in
Besitz genommen hätten; der jüngste dieser drei Brüder, Perdikkas,
wurde der Stammvater des Macedonischen Königshauses 2). In
allmähligem Wachsthum dehnte sich das neue Reich über den gan-
zen Landstrich aus, der, von der Natur auf eine augenfällige Weise
abgegränzt, bis in späte Zeiten den Namen des eigentlichen oder
unteren Macedoniens behielt, und die Landschaften Emathia, Am-

1) Demosth. Olynth. II. p. 23. Philipp III. p. 69.
2) Herod.
V. 22. VIII. 139. Thucyd. II.
99. Die Sage von Karanus (Diod.
I. 18. 20. VII. 8. etc.
) ist jüngeren Ursprungs.
Zweites Kapitel.
Das Macedoniſche Koͤnigthum. Alexanders Regierungs-
antritt.

Aber waren Philipp und ſeine Macedonier Griechen, um den
Perſerkrieg im Sinne des Griechiſchen Volkes und der Griechiſchen
Geſchichte übernehmen zu können? Die Vertheidiger der alten de-
mokratiſchen Freiheit haben oft und laut das Gegentheil behauptet,
und ihr großer Wortführer Demoſthenes geht in ſeinem patriotiſchen
Eifer ſo weit, zu verſichern, daß Philipp weder ein Grieche, noch
mit Griechen verwandt, ſondern zu den Barbaren zu zählen ſei, die
man nicht einmal als Sclaven brauchen könne 1). Aber uralte
und glaubwürdige Traditionen beweiſen das Gegentheil; ſie berich-
ten, daß in grauer Vorzeit drei Brüder aus dem Heraklidiſchen
Fürſtengeſchlechte von Argos gen Norden in das Land der roſſekun-
digen Päonier gewandert ſeien, ſich am Oſtabhange des Gebirges
in der Stadt Edeſſa niedergelaſſen, und die Landſchaft Emathia in
Beſitz genommen hätten; der jüngſte dieſer drei Brüder, Perdikkas,
wurde der Stammvater des Macedoniſchen Königshauſes 2). In
allmähligem Wachsthum dehnte ſich das neue Reich über den gan-
zen Landſtrich aus, der, von der Natur auf eine augenfällige Weiſe
abgegränzt, bis in ſpäte Zeiten den Namen des eigentlichen oder
unteren Macedoniens behielt, und die Landſchaften Emathia, Am-

1) Demosth. Olynth. II. p. 23. Philipp III. p. 69.
2) Herod.
V. 22. VIII. 139. Thucyd. II.
99. Die Sage von Karanus (Diod.
I. 18. 20. VII. 8. etc.
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[[34]/0048] Zweites Kapitel. Das Macedoniſche Koͤnigthum. Alexanders Regierungs- antritt. Aber waren Philipp und ſeine Macedonier Griechen, um den Perſerkrieg im Sinne des Griechiſchen Volkes und der Griechiſchen Geſchichte übernehmen zu können? Die Vertheidiger der alten de- mokratiſchen Freiheit haben oft und laut das Gegentheil behauptet, und ihr großer Wortführer Demoſthenes geht in ſeinem patriotiſchen Eifer ſo weit, zu verſichern, daß Philipp weder ein Grieche, noch mit Griechen verwandt, ſondern zu den Barbaren zu zählen ſei, die man nicht einmal als Sclaven brauchen könne 1). Aber uralte und glaubwürdige Traditionen beweiſen das Gegentheil; ſie berich- ten, daß in grauer Vorzeit drei Brüder aus dem Heraklidiſchen Fürſtengeſchlechte von Argos gen Norden in das Land der roſſekun- digen Päonier gewandert ſeien, ſich am Oſtabhange des Gebirges in der Stadt Edeſſa niedergelaſſen, und die Landſchaft Emathia in Beſitz genommen hätten; der jüngſte dieſer drei Brüder, Perdikkas, wurde der Stammvater des Macedoniſchen Königshauſes 2). In allmähligem Wachsthum dehnte ſich das neue Reich über den gan- zen Landſtrich aus, der, von der Natur auf eine augenfällige Weiſe abgegränzt, bis in ſpäte Zeiten den Namen des eigentlichen oder unteren Macedoniens behielt, und die Landſchaften Emathia, Am- 1) Demosth. Olynth. II. p. 23. Philipp III. p. 69. 2) Herod. V. 22. VIII. 139. Thucyd. II. 99. Die Sage von Karanus (Diod. I. 18. 20. VII. 8. etc.) iſt jüngeren Urſprungs.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. [34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/48>, abgerufen am 28.03.2024.