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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sinnung beseelt, folgen wollten, so habe er sie herbeschieden, um
entweder sie von der Räthlichkeit des weiteren Zuges zu überzeugen,
oder von ihnen überzeugt zurückzukehren; erscheine ihnen das bisher
Durchkämpfte und seine eigene Führung tadelnswerth, so habe
er nichts Weiteres zu sagen; er kenne für den hochherzigen Mann
kein anderes Ziel alles Kämpfens, als die Kämpfe selbst; wolle je-
mand das Ende seiner Züge wissen, so sei er nicht mehr weit
bis zum Ganges, bis zum Meere im Osten, dort werde er seinen
Macedoniern den Seeweg zum Hyrkanischen, zum Persischen Meere,
zum Lybischen Strande, zu den Säulen des Herakles zeigen; die
Grenzen, die der Gott dieser Welt gegeben, sollten die Grenzen
des Macedonischen Reichs sein; noch aber sei jenseit des Hyphasis
bis zum Meer im Osten manches Volk zu bewältigen, und von
dort bis zum Hyrkanischen Meere schweiften noch die Horden der
Scythen unabhängig umher; seien denn die Macedonier vor Ge-
fahren bange? vergäßen sie ihres Ruhmes und der Hoffnung?
einst, wenn die Welt überwunden, werde er sie heimführen gen
Macedonien, überreich an Habe, an Ruhm, an Erinnerungen."
Nach dieser Rede Alexanders entstand ein langes Schweigen, nie-
mand wagte entgegen zu sprechen, niemand beizustimmen; umsonst
forderte der König wiederholentlich zum Sprechen auf: er werde
auch der entgegengesetzten Meinung Gehör schenken. Lange schwieg
man; endlich erhob sich Könus, des Polemokrates Sohn: "der Kö-
nig wolle, daß das Heer nicht sowohl seinem Befehl, als
der eigenen Ueberzeugung folge; so spreche er denn nicht für sich,
denn er sei zu Allem bereit, sondern für das Herr, nicht um der
Menge zu gefallen, sondern was ihm die Zeitumstände zu sagen
geböten; sein graues Haupt, seine Wunden, des Königs Vertrauen
gäben ihm ein Recht offen zu sein; je mehr Alexander und das
Heer vollbracht, desto nothwendiger sei es ein endliches Ziel zu se-
tzen; wer von den alten Kriegern noch übrig sei, wenige im Heere,
andere in den Städten zerstreut, sehnten sich nach der Heimath, nach
Vater und Mutter, nach Weib und Kind zurück; dort wollten sie
den Abend ihres Lebens, im Schooß der Ihrigen, in der Erinne-
rung ihres thatenreichen Lebens, im Genuß des Ruhmes und der
Habe, die Alexander mit ihnen getheilt, verleben; solches Heer sei
nicht zu neuen Kämpfen geschickt, Alexander möge sie heimführen,

er

ſinnung beſeelt, folgen wollten, ſo habe er ſie herbeſchieden, um
entweder ſie von der Raͤthlichkeit des weiteren Zuges zu uͤberzeugen,
oder von ihnen uͤberzeugt zuruͤckzukehren; erſcheine ihnen das bisher
Durchkaͤmpfte und ſeine eigene Fuͤhrung tadelnswerth, ſo habe
er nichts Weiteres zu ſagen; er kenne fuͤr den hochherzigen Mann
kein anderes Ziel alles Kaͤmpfens, als die Kaͤmpfe ſelbſt; wolle je-
mand das Ende ſeiner Zuͤge wiſſen, ſo ſei er nicht mehr weit
bis zum Ganges, bis zum Meere im Oſten, dort werde er ſeinen
Macedoniern den Seeweg zum Hyrkaniſchen, zum Perſiſchen Meere,
zum Lybiſchen Strande, zu den Saͤulen des Herakles zeigen; die
Grenzen, die der Gott dieſer Welt gegeben, ſollten die Grenzen
des Macedoniſchen Reichs ſein; noch aber ſei jenſeit des Hyphaſis
bis zum Meer im Oſten manches Volk zu bewaͤltigen, und von
dort bis zum Hyrkaniſchen Meere ſchweiften noch die Horden der
Scythen unabhaͤngig umher; ſeien denn die Macedonier vor Ge-
fahren bange? vergaͤßen ſie ihres Ruhmes und der Hoffnung?
einſt, wenn die Welt uͤberwunden, werde er ſie heimfuͤhren gen
Macedonien, uͤberreich an Habe, an Ruhm, an Erinnerungen.“
Nach dieſer Rede Alexanders entſtand ein langes Schweigen, nie-
mand wagte entgegen zu ſprechen, niemand beizuſtimmen; umſonſt
forderte der Koͤnig wiederholentlich zum Sprechen auf: er werde
auch der entgegengeſetzten Meinung Gehoͤr ſchenken. Lange ſchwieg
man; endlich erhob ſich Koͤnus, des Polemokrates Sohn: „der Koͤ-
nig wolle, daß das Heer nicht ſowohl ſeinem Befehl, als
der eigenen Ueberzeugung folge; ſo ſpreche er denn nicht fuͤr ſich,
denn er ſei zu Allem bereit, ſondern fuͤr das Herr, nicht um der
Menge zu gefallen, ſondern was ihm die Zeitumſtaͤnde zu ſagen
geboͤten; ſein graues Haupt, ſeine Wunden, des Koͤnigs Vertrauen
gaͤben ihm ein Recht offen zu ſein; je mehr Alexander und das
Heer vollbracht, deſto nothwendiger ſei es ein endliches Ziel zu ſe-
tzen; wer von den alten Kriegern noch uͤbrig ſei, wenige im Heere,
andere in den Staͤdten zerſtreut, ſehnten ſich nach der Heimath, nach
Vater und Mutter, nach Weib und Kind zuruͤck; dort wollten ſie
den Abend ihres Lebens, im Schooß der Ihrigen, in der Erinne-
rung ihres thatenreichen Lebens, im Genuß des Ruhmes und der
Habe, die Alexander mit ihnen getheilt, verleben; ſolches Heer ſei
nicht zu neuen Kaͤmpfen geſchickt, Alexander moͤge ſie heimfuͤhren,

er
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[416/0430] ſinnung beſeelt, folgen wollten, ſo habe er ſie herbeſchieden, um entweder ſie von der Raͤthlichkeit des weiteren Zuges zu uͤberzeugen, oder von ihnen uͤberzeugt zuruͤckzukehren; erſcheine ihnen das bisher Durchkaͤmpfte und ſeine eigene Fuͤhrung tadelnswerth, ſo habe er nichts Weiteres zu ſagen; er kenne fuͤr den hochherzigen Mann kein anderes Ziel alles Kaͤmpfens, als die Kaͤmpfe ſelbſt; wolle je- mand das Ende ſeiner Zuͤge wiſſen, ſo ſei er nicht mehr weit bis zum Ganges, bis zum Meere im Oſten, dort werde er ſeinen Macedoniern den Seeweg zum Hyrkaniſchen, zum Perſiſchen Meere, zum Lybiſchen Strande, zu den Saͤulen des Herakles zeigen; die Grenzen, die der Gott dieſer Welt gegeben, ſollten die Grenzen des Macedoniſchen Reichs ſein; noch aber ſei jenſeit des Hyphaſis bis zum Meer im Oſten manches Volk zu bewaͤltigen, und von dort bis zum Hyrkaniſchen Meere ſchweiften noch die Horden der Scythen unabhaͤngig umher; ſeien denn die Macedonier vor Ge- fahren bange? vergaͤßen ſie ihres Ruhmes und der Hoffnung? einſt, wenn die Welt uͤberwunden, werde er ſie heimfuͤhren gen Macedonien, uͤberreich an Habe, an Ruhm, an Erinnerungen.“ Nach dieſer Rede Alexanders entſtand ein langes Schweigen, nie- mand wagte entgegen zu ſprechen, niemand beizuſtimmen; umſonſt forderte der Koͤnig wiederholentlich zum Sprechen auf: er werde auch der entgegengeſetzten Meinung Gehoͤr ſchenken. Lange ſchwieg man; endlich erhob ſich Koͤnus, des Polemokrates Sohn: „der Koͤ- nig wolle, daß das Heer nicht ſowohl ſeinem Befehl, als der eigenen Ueberzeugung folge; ſo ſpreche er denn nicht fuͤr ſich, denn er ſei zu Allem bereit, ſondern fuͤr das Herr, nicht um der Menge zu gefallen, ſondern was ihm die Zeitumſtaͤnde zu ſagen geboͤten; ſein graues Haupt, ſeine Wunden, des Koͤnigs Vertrauen gaͤben ihm ein Recht offen zu ſein; je mehr Alexander und das Heer vollbracht, deſto nothwendiger ſei es ein endliches Ziel zu ſe- tzen; wer von den alten Kriegern noch uͤbrig ſei, wenige im Heere, andere in den Staͤdten zerſtreut, ſehnten ſich nach der Heimath, nach Vater und Mutter, nach Weib und Kind zuruͤck; dort wollten ſie den Abend ihres Lebens, im Schooß der Ihrigen, in der Erinne- rung ihres thatenreichen Lebens, im Genuß des Ruhmes und der Habe, die Alexander mit ihnen getheilt, verleben; ſolches Heer ſei nicht zu neuen Kaͤmpfen geſchickt, Alexander moͤge ſie heimfuͤhren, er

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/430>, abgerufen am 16.04.2024.