Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Könus mit seiner Phalanx zurück, um für den Uebergang der
nachrückenden Heeresabtheilungen Sorge zu tragen, und aus den
Ländern des Porus und Taxiles alles zur Verpflegung der großen
Armee Gehörige zu beschaffen. Alexander selbst eilte durch den
nördlichen Theil der Gandaritis, ohne Widerstand zu finden, gen
Osten weiter; er hoffte, den treulosen Porus noch einzuholen; er
ließ in den wichtigsten Plätzen Besatzungen zurück, die die nach-
rückenden Corps des Kraterus und Könus erwarten sollten. Am
Hyarotis, dem östlichen Grenzfluß der Gandaritis 59), wurde He-
phästion mit zwei Phalangen, zwei Macedonischen Geschwadern
und der Hälfte der Schützen südwärts detaschirt, die Herrschaft
des landesflüchtigen Fürsten in ihrer ganzen Ausdehnung zu durch-
ziehen, die etwa innerhalb des Hyarotis und des Acesines ansässi-
gen freien Stämme zu unterwerfen, auf dem linken Ufer des Ace-
sines an der großen Straße eine Stadt zu gründen, und das ge-
sammte Land an den getreuen Porus zu übergeben. Mit dem
Hauptheere ging Alexander selbst über den minder schwer zu passi-
renden Strom, und betrat nun das Gebiet der sogenannten freien
Indier 60).

Es ist eine merkwürdige und in den eigenthümlichen Natur-
verhältnissen des Panschad's tief begründete Erscheinung, daß sich hier
in allen Jahrhunderten, wenn auch unter anderen und anderen Namen,
republikanische Staaten gebildet und erhalten haben, wie sie dem
sonstigen Despotismus Asiens gerade entgegen und dem strenggläubi-
gen Indier des Gangeslandes ein Gräuel sind; die Panschanadas
nennt er mit Verachtung Aratta's, die Königslosen, denn ihre Für-
sten, nicht aus alter und heiliger Kaste, sind Usurpatoren, ohne
anderes Recht als das der Gewalt. Und in der That, fast scheint
es, als ob das Fürstenthum des Porus selbst diesen Charakter an
sich getragen hätte 61); aber der Versuch, das ganze Königslose

59) Daß ich der Schreibart Strabos lieber als der Arrians
(der Hydraotes) folge, geschieht auf A. W. v. Schlegels Autorität cf.
Indische Biblioth. II., 305. Doch schreibt Lassen ziemlich durch-
gängig Hydraotes.
60) Arrian V. 21. Diod. XVII. 91.
61) Helladius Chrest. apd Phot. 530. a. 35. sagt, Porus Vater
sei ein Barbier gewesen; Divdor und Curtius sagen dasselbe von dem

Koͤnus mit ſeiner Phalanx zuruͤck, um fuͤr den Uebergang der
nachruͤckenden Heeresabtheilungen Sorge zu tragen, und aus den
Laͤndern des Porus und Taxiles alles zur Verpflegung der großen
Armee Gehoͤrige zu beſchaffen. Alexander ſelbſt eilte durch den
noͤrdlichen Theil der Gandaritis, ohne Widerſtand zu finden, gen
Oſten weiter; er hoffte, den treuloſen Porus noch einzuholen; er
ließ in den wichtigſten Plaͤtzen Beſatzungen zuruͤck, die die nach-
ruͤckenden Corps des Kraterus und Koͤnus erwarten ſollten. Am
Hyarotis, dem oͤſtlichen Grenzfluß der Gandaritis 59), wurde He-
phaͤſtion mit zwei Phalangen, zwei Macedoniſchen Geſchwadern
und der Haͤlfte der Schuͤtzen ſuͤdwaͤrts detaſchirt, die Herrſchaft
des landesfluͤchtigen Fuͤrſten in ihrer ganzen Ausdehnung zu durch-
ziehen, die etwa innerhalb des Hyarotis und des Aceſines anſaͤſſi-
gen freien Staͤmme zu unterwerfen, auf dem linken Ufer des Ace-
ſines an der großen Straße eine Stadt zu gruͤnden, und das ge-
ſammte Land an den getreuen Porus zu uͤbergeben. Mit dem
Hauptheere ging Alexander ſelbſt uͤber den minder ſchwer zu paſſi-
renden Strom, und betrat nun das Gebiet der ſogenannten freien
Indier 60).

Es iſt eine merkwuͤrdige und in den eigenthuͤmlichen Natur-
verhaͤltniſſen des Panſchad’s tief begruͤndete Erſcheinung, daß ſich hier
in allen Jahrhunderten, wenn auch unter anderen und anderen Namen,
republikaniſche Staaten gebildet und erhalten haben, wie ſie dem
ſonſtigen Despotismus Aſiens gerade entgegen und dem ſtrengglaͤubi-
gen Indier des Gangeslandes ein Graͤuel ſind; die Panſchanadas
nennt er mit Verachtung Aratta’s, die Koͤnigsloſen, denn ihre Fuͤr-
ſten, nicht aus alter und heiliger Kaſte, ſind Uſurpatoren, ohne
anderes Recht als das der Gewalt. Und in der That, faſt ſcheint
es, als ob das Fuͤrſtenthum des Porus ſelbſt dieſen Charakter an
ſich getragen haͤtte 61); aber der Verſuch, das ganze Koͤnigsloſe

59) Daß ich der Schreibart Strabos lieber als der Arrians
(der Hydraotes) folge, geſchieht auf A. W. v. Schlegels Autoritaͤt cf.
Indiſche Biblioth. II., 305. Doch ſchreibt Laſſen ziemlich durch-
gaͤngig Hydraotes.
60) Arrian V. 21. Diod. XVII. 91.
61) Helladius Chrest. apd Phot. 530. a. 35. ſagt, Porus Vater
ſei ein Barbier geweſen; Divdor und Curtius ſagen daſſelbe von dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0421" n="407"/>
Ko&#x0364;nus mit &#x017F;einer Phalanx zuru&#x0364;ck, um fu&#x0364;r den Uebergang der<lb/>
nachru&#x0364;ckenden Heeresabtheilungen Sorge zu tragen, und aus den<lb/>
La&#x0364;ndern des Porus und Taxiles alles zur Verpflegung der großen<lb/>
Armee Geho&#x0364;rige zu be&#x017F;chaffen. Alexander &#x017F;elb&#x017F;t eilte durch den<lb/>
no&#x0364;rdlichen Theil der Gandaritis, ohne Wider&#x017F;tand zu finden, gen<lb/>
O&#x017F;ten weiter; er hoffte, den treulo&#x017F;en Porus noch einzuholen; er<lb/>
ließ in den wichtig&#x017F;ten Pla&#x0364;tzen Be&#x017F;atzungen zuru&#x0364;ck, die die nach-<lb/>
ru&#x0364;ckenden Corps des Kraterus und Ko&#x0364;nus erwarten &#x017F;ollten. Am<lb/>
Hyarotis, dem o&#x0364;&#x017F;tlichen Grenzfluß der Gandaritis <note place="foot" n="59)">Daß ich der Schreibart Strabos lieber als der Arrians<lb/>
(der Hydraotes) folge, ge&#x017F;chieht auf A. W. v. Schlegels Autorita&#x0364;t <hi rendition="#aq">cf</hi>.<lb/>
Indi&#x017F;che Biblioth. <hi rendition="#aq">II</hi>., 305. Doch &#x017F;chreibt La&#x017F;&#x017F;en ziemlich durch-<lb/>
ga&#x0364;ngig Hydraotes.</note>, wurde He-<lb/>
pha&#x0364;&#x017F;tion mit zwei Phalangen, zwei Macedoni&#x017F;chen Ge&#x017F;chwadern<lb/>
und der Ha&#x0364;lfte der Schu&#x0364;tzen &#x017F;u&#x0364;dwa&#x0364;rts deta&#x017F;chirt, die Herr&#x017F;chaft<lb/>
des landesflu&#x0364;chtigen Fu&#x0364;r&#x017F;ten in ihrer ganzen Ausdehnung zu durch-<lb/>
ziehen, die etwa innerhalb des Hyarotis und des Ace&#x017F;ines an&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
gen freien Sta&#x0364;mme zu unterwerfen, auf dem linken Ufer des Ace-<lb/>
&#x017F;ines an der großen Straße eine Stadt zu gru&#x0364;nden, und das ge-<lb/>
&#x017F;ammte Land an den getreuen Porus zu u&#x0364;bergeben. Mit dem<lb/>
Hauptheere ging Alexander &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber den minder &#x017F;chwer zu pa&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
renden Strom, und betrat nun das Gebiet der &#x017F;ogenannten freien<lb/>
Indier <note place="foot" n="60)"><hi rendition="#aq">Arrian V. 21. Diod. XVII. 91</hi>.</note>.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t eine merkwu&#x0364;rdige und in den eigenthu&#x0364;mlichen Natur-<lb/>
verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en des Pan&#x017F;chad&#x2019;s tief begru&#x0364;ndete Er&#x017F;cheinung, daß &#x017F;ich hier<lb/>
in allen Jahrhunderten, wenn auch unter anderen und anderen Namen,<lb/>
republikani&#x017F;che Staaten gebildet und erhalten haben, wie &#x017F;ie dem<lb/>
&#x017F;on&#x017F;tigen Despotismus A&#x017F;iens gerade entgegen und dem &#x017F;trenggla&#x0364;ubi-<lb/>
gen Indier des Gangeslandes ein Gra&#x0364;uel &#x017F;ind; die Pan&#x017F;chanadas<lb/>
nennt er mit Verachtung Aratta&#x2019;s, die Ko&#x0364;nigslo&#x017F;en, denn ihre Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten, nicht aus alter und heiliger Ka&#x017F;te, &#x017F;ind U&#x017F;urpatoren, ohne<lb/>
anderes Recht als das der Gewalt. Und in der That, fa&#x017F;t &#x017F;cheint<lb/>
es, als ob das Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum des Porus &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;en Charakter an<lb/>
&#x017F;ich getragen ha&#x0364;tte <note xml:id="note-0421" next="#note-0422" place="foot" n="61)"><hi rendition="#aq">Helladius Chrest. apd Phot. 530. a. 35</hi>. &#x017F;agt, Porus Vater<lb/>
&#x017F;ei ein Barbier gewe&#x017F;en; Divdor und Curtius &#x017F;agen da&#x017F;&#x017F;elbe von dem</note>; aber der Ver&#x017F;uch, das ganze Ko&#x0364;nigslo&#x017F;e<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0421] Koͤnus mit ſeiner Phalanx zuruͤck, um fuͤr den Uebergang der nachruͤckenden Heeresabtheilungen Sorge zu tragen, und aus den Laͤndern des Porus und Taxiles alles zur Verpflegung der großen Armee Gehoͤrige zu beſchaffen. Alexander ſelbſt eilte durch den noͤrdlichen Theil der Gandaritis, ohne Widerſtand zu finden, gen Oſten weiter; er hoffte, den treuloſen Porus noch einzuholen; er ließ in den wichtigſten Plaͤtzen Beſatzungen zuruͤck, die die nach- ruͤckenden Corps des Kraterus und Koͤnus erwarten ſollten. Am Hyarotis, dem oͤſtlichen Grenzfluß der Gandaritis 59), wurde He- phaͤſtion mit zwei Phalangen, zwei Macedoniſchen Geſchwadern und der Haͤlfte der Schuͤtzen ſuͤdwaͤrts detaſchirt, die Herrſchaft des landesfluͤchtigen Fuͤrſten in ihrer ganzen Ausdehnung zu durch- ziehen, die etwa innerhalb des Hyarotis und des Aceſines anſaͤſſi- gen freien Staͤmme zu unterwerfen, auf dem linken Ufer des Ace- ſines an der großen Straße eine Stadt zu gruͤnden, und das ge- ſammte Land an den getreuen Porus zu uͤbergeben. Mit dem Hauptheere ging Alexander ſelbſt uͤber den minder ſchwer zu paſſi- renden Strom, und betrat nun das Gebiet der ſogenannten freien Indier 60). Es iſt eine merkwuͤrdige und in den eigenthuͤmlichen Natur- verhaͤltniſſen des Panſchad’s tief begruͤndete Erſcheinung, daß ſich hier in allen Jahrhunderten, wenn auch unter anderen und anderen Namen, republikaniſche Staaten gebildet und erhalten haben, wie ſie dem ſonſtigen Despotismus Aſiens gerade entgegen und dem ſtrengglaͤubi- gen Indier des Gangeslandes ein Graͤuel ſind; die Panſchanadas nennt er mit Verachtung Aratta’s, die Koͤnigsloſen, denn ihre Fuͤr- ſten, nicht aus alter und heiliger Kaſte, ſind Uſurpatoren, ohne anderes Recht als das der Gewalt. Und in der That, faſt ſcheint es, als ob das Fuͤrſtenthum des Porus ſelbſt dieſen Charakter an ſich getragen haͤtte 61); aber der Verſuch, das ganze Koͤnigsloſe 59) Daß ich der Schreibart Strabos lieber als der Arrians (der Hydraotes) folge, geſchieht auf A. W. v. Schlegels Autoritaͤt cf. Indiſche Biblioth. II., 305. Doch ſchreibt Laſſen ziemlich durch- gaͤngig Hydraotes. 60) Arrian V. 21. Diod. XVII. 91. 61) Helladius Chrest. apd Phot. 530. a. 35. ſagt, Porus Vater ſei ein Barbier geweſen; Divdor und Curtius ſagen daſſelbe von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/421
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/421>, abgerufen am 28.03.2024.