Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

wurden durch je einhundert funfzig Wagen gedeckt, von denen je-
der zwei Schwerbewaffnete, zwei Schützen mit großen Bogen und
zwei bewaffnete Wagenlenker trug. Die Stärke dieser Schlacht-
linie bestand in den zweihundert Elephanten, deren Wirkung um
so entscheidender sein mußte, da die Reuterei, auf welche Alexan-
der den Erfolg des Tages berechnet hatte, nicht im Stande war,
ihnen gegenüber das Feld zu halten.

In der That hätte ein gut geführter Angriff die Macedonier
vernichten müssen, die Elephanten hätten gegen die feindliche Linie
losbrechen, und, von den einzelnen Abtheilungen Fußvolk wie Ge-
schütz durch Scharfschützen gedeckt, die Reiterei aus dem Felde
jagen und die Phalanx zerstampfen, die Indische Reuterei nebst den
Schlachtwagen die Fliehenden verfolgen und die Flucht über den
Strom abschneiden müssen; selbst die außerordentlich gedehnte und
den Feind weit überflügelnde Schlachtlinie konnte von großem Er-
folg sein, wenn die Wagen und Reuter auf beiden Flügeln sogleich,
wenn die Elephanten losbrachen, dem Feinde mit einer halben
Schwenkung in die Flanke fielen; in jedem Falle mußte Porus,
sobald er den Feind zu Gesicht bekam, den Angriff beginnen, um
nicht die Vortheile der Offensive und namentlich die Wahl des
Punktes, wo das Gefecht beginnen sollte, dem Feinde zu überlas-
sen. Er zögerte, Alexander kam ihm zuvor, und benutzte seiner-
seits Alles mit der Umsicht und Kühnheit, die allein der Ueber-
macht des Feindes das Gleichgewicht zu halten vermochte. Da die
Ueberlegenheit der Indier in den Elephanten bestand, so mußte
der entscheidende Schlag diese vermeiden, er mußte gegen den
schwächsten Punkt der feindlichen Linie, und, um vollkommen zu
gelingen, mit dem Theil des Heeres ausgeführt werden, dessen
Ueberlegenheit unzweifelhalft war. Alexander hatte fünftausend
Mann Reuterei, während der Feind auf jedem Flügel deren nur
etwa zweitausend hatte, welche, zu weit von einander entfernt,
um sich gegenseitig unterstützen zu können, nur in den einhundert
funfzig Wagen, die neben ihnen aufgefahren, eine zweideutige Un-
terstützung fanden. Theils der Macedonische Kriegsgebrauch, theils
die Rücksicht, möglichst in der Nähe des Flusses anzugreifen, um
nicht ganz von dem jenseits aufgestellten Corps des Ptolemäus ab-
geschnitten zu werden, veranlaßten den König, den rechten Flügel

wurden durch je einhundert funfzig Wagen gedeckt, von denen je-
der zwei Schwerbewaffnete, zwei Schuͤtzen mit großen Bogen und
zwei bewaffnete Wagenlenker trug. Die Staͤrke dieſer Schlacht-
linie beſtand in den zweihundert Elephanten, deren Wirkung um
ſo entſcheidender ſein mußte, da die Reuterei, auf welche Alexan-
der den Erfolg des Tages berechnet hatte, nicht im Stande war,
ihnen gegenuͤber das Feld zu halten.

In der That haͤtte ein gut gefuͤhrter Angriff die Macedonier
vernichten muͤſſen, die Elephanten haͤtten gegen die feindliche Linie
losbrechen, und, von den einzelnen Abtheilungen Fußvolk wie Ge-
ſchuͤtz durch Scharfſchuͤtzen gedeckt, die Reiterei aus dem Felde
jagen und die Phalanx zerſtampfen, die Indiſche Reuterei nebſt den
Schlachtwagen die Fliehenden verfolgen und die Flucht uͤber den
Strom abſchneiden muͤſſen; ſelbſt die außerordentlich gedehnte und
den Feind weit uͤberfluͤgelnde Schlachtlinie konnte von großem Er-
folg ſein, wenn die Wagen und Reuter auf beiden Fluͤgeln ſogleich,
wenn die Elephanten losbrachen, dem Feinde mit einer halben
Schwenkung in die Flanke fielen; in jedem Falle mußte Porus,
ſobald er den Feind zu Geſicht bekam, den Angriff beginnen, um
nicht die Vortheile der Offenſive und namentlich die Wahl des
Punktes, wo das Gefecht beginnen ſollte, dem Feinde zu uͤberlaſ-
ſen. Er zoͤgerte, Alexander kam ihm zuvor, und benutzte ſeiner-
ſeits Alles mit der Umſicht und Kuͤhnheit, die allein der Ueber-
macht des Feindes das Gleichgewicht zu halten vermochte. Da die
Ueberlegenheit der Indier in den Elephanten beſtand, ſo mußte
der entſcheidende Schlag dieſe vermeiden, er mußte gegen den
ſchwaͤchſten Punkt der feindlichen Linie, und, um vollkommen zu
gelingen, mit dem Theil des Heeres ausgefuͤhrt werden, deſſen
Ueberlegenheit unzweifelhalft war. Alexander hatte fuͤnftauſend
Mann Reuterei, waͤhrend der Feind auf jedem Fluͤgel deren nur
etwa zweitauſend hatte, welche, zu weit von einander entfernt,
um ſich gegenſeitig unterſtuͤtzen zu koͤnnen, nur in den einhundert
funfzig Wagen, die neben ihnen aufgefahren, eine zweideutige Un-
terſtuͤtzung fanden. Theils der Macedoniſche Kriegsgebrauch, theils
die Ruͤckſicht, moͤglichſt in der Naͤhe des Fluſſes anzugreifen, um
nicht ganz von dem jenſeits aufgeſtellten Corps des Ptolemaͤus ab-
geſchnitten zu werden, veranlaßten den Koͤnig, den rechten Fluͤgel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0409" n="395"/>
wurden durch je einhundert funfzig Wagen gedeckt, von denen je-<lb/>
der zwei Schwerbewaffnete, zwei Schu&#x0364;tzen mit großen Bogen und<lb/>
zwei bewaffnete Wagenlenker trug. Die Sta&#x0364;rke die&#x017F;er Schlacht-<lb/>
linie be&#x017F;tand in den zweihundert Elephanten, deren Wirkung um<lb/>
&#x017F;o ent&#x017F;cheidender &#x017F;ein mußte, da die Reuterei, auf welche Alexan-<lb/>
der den Erfolg des Tages berechnet hatte, nicht im Stande war,<lb/>
ihnen gegenu&#x0364;ber das Feld zu halten.</p><lb/>
          <p>In der That ha&#x0364;tte ein gut gefu&#x0364;hrter Angriff die Macedonier<lb/>
vernichten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die Elephanten ha&#x0364;tten gegen die feindliche Linie<lb/>
losbrechen, und, von den einzelnen Abtheilungen Fußvolk wie Ge-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tz durch Scharf&#x017F;chu&#x0364;tzen gedeckt, die Reiterei aus dem Felde<lb/>
jagen und die Phalanx zer&#x017F;tampfen, die Indi&#x017F;che Reuterei neb&#x017F;t den<lb/>
Schlachtwagen die Fliehenden verfolgen und die Flucht u&#x0364;ber den<lb/>
Strom ab&#x017F;chneiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;elb&#x017F;t die außerordentlich gedehnte und<lb/>
den Feind weit u&#x0364;berflu&#x0364;gelnde Schlachtlinie konnte von großem Er-<lb/>
folg &#x017F;ein, wenn die Wagen und Reuter auf beiden Flu&#x0364;geln &#x017F;ogleich,<lb/>
wenn die Elephanten losbrachen, dem Feinde mit einer halben<lb/>
Schwenkung in die Flanke fielen; in jedem Falle mußte Porus,<lb/>
&#x017F;obald er den Feind zu Ge&#x017F;icht bekam, den Angriff beginnen, um<lb/>
nicht die Vortheile der Offen&#x017F;ive und namentlich die Wahl des<lb/>
Punktes, wo das Gefecht beginnen &#x017F;ollte, dem Feinde zu u&#x0364;berla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Er zo&#x0364;gerte, Alexander kam ihm zuvor, und benutzte &#x017F;einer-<lb/>
&#x017F;eits Alles mit der Um&#x017F;icht und Ku&#x0364;hnheit, die allein der Ueber-<lb/>
macht des Feindes das Gleichgewicht zu halten vermochte. Da die<lb/>
Ueberlegenheit der Indier in den Elephanten be&#x017F;tand, &#x017F;o mußte<lb/>
der ent&#x017F;cheidende Schlag die&#x017F;e vermeiden, er mußte gegen den<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;ch&#x017F;ten Punkt der feindlichen Linie, und, um vollkommen zu<lb/>
gelingen, mit dem Theil des Heeres ausgefu&#x0364;hrt werden, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ueberlegenheit unzweifelhalft war. Alexander hatte fu&#x0364;nftau&#x017F;end<lb/>
Mann Reuterei, wa&#x0364;hrend der Feind auf jedem Flu&#x0364;gel deren nur<lb/>
etwa zweitau&#x017F;end hatte, welche, zu weit von einander entfernt,<lb/>
um &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig unter&#x017F;tu&#x0364;tzen zu ko&#x0364;nnen, nur in den einhundert<lb/>
funfzig Wagen, die neben ihnen aufgefahren, eine zweideutige Un-<lb/>
ter&#x017F;tu&#x0364;tzung fanden. Theils der Macedoni&#x017F;che Kriegsgebrauch, theils<lb/>
die Ru&#x0364;ck&#x017F;icht, mo&#x0364;glich&#x017F;t in der Na&#x0364;he des Flu&#x017F;&#x017F;es anzugreifen, um<lb/>
nicht ganz von dem jen&#x017F;eits aufge&#x017F;tellten Corps des Ptolema&#x0364;us ab-<lb/>
ge&#x017F;chnitten zu werden, veranlaßten den Ko&#x0364;nig, den rechten Flu&#x0364;gel<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0409] wurden durch je einhundert funfzig Wagen gedeckt, von denen je- der zwei Schwerbewaffnete, zwei Schuͤtzen mit großen Bogen und zwei bewaffnete Wagenlenker trug. Die Staͤrke dieſer Schlacht- linie beſtand in den zweihundert Elephanten, deren Wirkung um ſo entſcheidender ſein mußte, da die Reuterei, auf welche Alexan- der den Erfolg des Tages berechnet hatte, nicht im Stande war, ihnen gegenuͤber das Feld zu halten. In der That haͤtte ein gut gefuͤhrter Angriff die Macedonier vernichten muͤſſen, die Elephanten haͤtten gegen die feindliche Linie losbrechen, und, von den einzelnen Abtheilungen Fußvolk wie Ge- ſchuͤtz durch Scharfſchuͤtzen gedeckt, die Reiterei aus dem Felde jagen und die Phalanx zerſtampfen, die Indiſche Reuterei nebſt den Schlachtwagen die Fliehenden verfolgen und die Flucht uͤber den Strom abſchneiden muͤſſen; ſelbſt die außerordentlich gedehnte und den Feind weit uͤberfluͤgelnde Schlachtlinie konnte von großem Er- folg ſein, wenn die Wagen und Reuter auf beiden Fluͤgeln ſogleich, wenn die Elephanten losbrachen, dem Feinde mit einer halben Schwenkung in die Flanke fielen; in jedem Falle mußte Porus, ſobald er den Feind zu Geſicht bekam, den Angriff beginnen, um nicht die Vortheile der Offenſive und namentlich die Wahl des Punktes, wo das Gefecht beginnen ſollte, dem Feinde zu uͤberlaſ- ſen. Er zoͤgerte, Alexander kam ihm zuvor, und benutzte ſeiner- ſeits Alles mit der Umſicht und Kuͤhnheit, die allein der Ueber- macht des Feindes das Gleichgewicht zu halten vermochte. Da die Ueberlegenheit der Indier in den Elephanten beſtand, ſo mußte der entſcheidende Schlag dieſe vermeiden, er mußte gegen den ſchwaͤchſten Punkt der feindlichen Linie, und, um vollkommen zu gelingen, mit dem Theil des Heeres ausgefuͤhrt werden, deſſen Ueberlegenheit unzweifelhalft war. Alexander hatte fuͤnftauſend Mann Reuterei, waͤhrend der Feind auf jedem Fluͤgel deren nur etwa zweitauſend hatte, welche, zu weit von einander entfernt, um ſich gegenſeitig unterſtuͤtzen zu koͤnnen, nur in den einhundert funfzig Wagen, die neben ihnen aufgefahren, eine zweideutige Un- terſtuͤtzung fanden. Theils der Macedoniſche Kriegsgebrauch, theils die Ruͤckſicht, moͤglichſt in der Naͤhe des Fluſſes anzugreifen, um nicht ganz von dem jenſeits aufgeſtellten Corps des Ptolemaͤus ab- geſchnitten zu werden, veranlaßten den Koͤnig, den rechten Fluͤgel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/409
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/409>, abgerufen am 29.03.2024.