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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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füllte die Nacht aus; furchtbare Regengüsse, von Sturm und Ge-
witter begleitet, machten es möglich, daß das Klirren der Waffen,
das Hauen der Zimmerer jenseits nicht gehört wurde, der dichte
Wald auf dem Vorgebirge und auf der Insel verbarg die Wacht-
feuer der Macedonier.

Gegen Morgen legte sich der Sturm, der Regen hörte auf,
der Strom fluthete brausend an den hohen Ufern der Insel vorü-
ber; oberhalb derselben sollte das Heer übersetzen; der König selbst,
von Perdikkas, Lysimachus und Seleukus nebst einer auserlesenen
Schaar Hypaspisten begleitet, befand sich auf der Jacht, welche den
Zug eröffnete; auf den andern Jachten folgten die übrigen Hypas-
pisten, auf Boten, Stromkähnen, Flößen und Fähren die Reuterei
und das Fußvolk, mit Ausschluß der beiden Phalangen, die zur
Deckung und Beobachtung des Weges von Kaschmir zurückblie-
ben 43). Und schon steuerten die Jachten an dem hohen und wal-
digen Ufer der Insel vorüber; sobald man an deren Nordecke vor-
über war, sah man die Reuter der feindlichen Vorposten, die beim
Anblick der herüberfahrenden Heeresmacht, eiligst über das Blach-
feld zurücksprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi-
gern entblößt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan-
der war der erste am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten
an, bald folgte die Reuterei und das übrige Heer, bald war Alles
in Marschkolonnen formirt, um weiter zu rücken; da zeigte sich,
daß man auf einer Insel war; die Gewalt des Stromes, dessen
Bett sich an dieser Stelle plötzlich gen Westen wendet, hatte das
niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen wasser-
reichen Arm gebildet. Lange suchten die Reuter vergebens und mit
Lebensgefahr eine Furth hindurch, überall war das Wasser zu breit
und zu tief, es schien nichts übrig zu bleiben, als die Fahrzeuge
und Fähren um die Spitze dieser Insel herbeizuschaffen, es war
die höchste Gefahr, daß durch den daraus entstehenden Zeitverlust

43) Dieß ergiebt sich aus der spätern Angabe, daß die Schlacht-
linie des schweren Fußvolks sechstausend Mann betragen habe, (Ar
rian. V.
14. 1.), so viel betrugen die Hypaspisten allein; wären
beide Phalangen mit übergesetzt, so müßten zwölftausend Mann ge-
nannt werden.

fuͤllte die Nacht aus; furchtbare Regenguͤſſe, von Sturm und Ge-
witter begleitet, machten es moͤglich, daß das Klirren der Waffen,
das Hauen der Zimmerer jenſeits nicht gehoͤrt wurde, der dichte
Wald auf dem Vorgebirge und auf der Inſel verbarg die Wacht-
feuer der Macedonier.

Gegen Morgen legte ſich der Sturm, der Regen hoͤrte auf,
der Strom fluthete brauſend an den hohen Ufern der Inſel voruͤ-
ber; oberhalb derſelben ſollte das Heer uͤberſetzen; der Koͤnig ſelbſt,
von Perdikkas, Lyſimachus und Seleukus nebſt einer auserleſenen
Schaar Hypaspiſten begleitet, befand ſich auf der Jacht, welche den
Zug eroͤffnete; auf den andern Jachten folgten die uͤbrigen Hypas-
piſten, auf Boten, Stromkaͤhnen, Floͤßen und Faͤhren die Reuterei
und das Fußvolk, mit Ausſchluß der beiden Phalangen, die zur
Deckung und Beobachtung des Weges von Kaſchmir zuruͤckblie-
ben 43). Und ſchon ſteuerten die Jachten an dem hohen und wal-
digen Ufer der Inſel voruͤber; ſobald man an deren Nordecke vor-
uͤber war, ſah man die Reuter der feindlichen Vorpoſten, die beim
Anblick der heruͤberfahrenden Heeresmacht, eiligſt uͤber das Blach-
feld zuruͤckſprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi-
gern entbloͤßt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan-
der war der erſte am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten
an, bald folgte die Reuterei und das uͤbrige Heer, bald war Alles
in Marſchkolonnen formirt, um weiter zu ruͤcken; da zeigte ſich,
daß man auf einer Inſel war; die Gewalt des Stromes, deſſen
Bett ſich an dieſer Stelle ploͤtzlich gen Weſten wendet, hatte das
niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen waſſer-
reichen Arm gebildet. Lange ſuchten die Reuter vergebens und mit
Lebensgefahr eine Furth hindurch, uͤberall war das Waſſer zu breit
und zu tief, es ſchien nichts uͤbrig zu bleiben, als die Fahrzeuge
und Faͤhren um die Spitze dieſer Inſel herbeizuſchaffen, es war
die hoͤchſte Gefahr, daß durch den daraus entſtehenden Zeitverluſt

43) Dieß ergiebt ſich aus der ſpaͤtern Angabe, daß die Schlacht-
linie des ſchweren Fußvolks ſechstauſend Mann betragen habe, (Ar
rian. V.
14. 1.), ſo viel betrugen die Hypaspiſten allein; waͤren
beide Phalangen mit uͤbergeſetzt, ſo muͤßten zwoͤlftauſend Mann ge-
nannt werden.
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[391/0405] fuͤllte die Nacht aus; furchtbare Regenguͤſſe, von Sturm und Ge- witter begleitet, machten es moͤglich, daß das Klirren der Waffen, das Hauen der Zimmerer jenſeits nicht gehoͤrt wurde, der dichte Wald auf dem Vorgebirge und auf der Inſel verbarg die Wacht- feuer der Macedonier. Gegen Morgen legte ſich der Sturm, der Regen hoͤrte auf, der Strom fluthete brauſend an den hohen Ufern der Inſel voruͤ- ber; oberhalb derſelben ſollte das Heer uͤberſetzen; der Koͤnig ſelbſt, von Perdikkas, Lyſimachus und Seleukus nebſt einer auserleſenen Schaar Hypaspiſten begleitet, befand ſich auf der Jacht, welche den Zug eroͤffnete; auf den andern Jachten folgten die uͤbrigen Hypas- piſten, auf Boten, Stromkaͤhnen, Floͤßen und Faͤhren die Reuterei und das Fußvolk, mit Ausſchluß der beiden Phalangen, die zur Deckung und Beobachtung des Weges von Kaſchmir zuruͤckblie- ben 43). Und ſchon ſteuerten die Jachten an dem hohen und wal- digen Ufer der Inſel voruͤber; ſobald man an deren Nordecke vor- uͤber war, ſah man die Reuter der feindlichen Vorpoſten, die beim Anblick der heruͤberfahrenden Heeresmacht, eiligſt uͤber das Blach- feld zuruͤckſprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi- gern entbloͤßt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan- der war der erſte am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten an, bald folgte die Reuterei und das uͤbrige Heer, bald war Alles in Marſchkolonnen formirt, um weiter zu ruͤcken; da zeigte ſich, daß man auf einer Inſel war; die Gewalt des Stromes, deſſen Bett ſich an dieſer Stelle ploͤtzlich gen Weſten wendet, hatte das niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen waſſer- reichen Arm gebildet. Lange ſuchten die Reuter vergebens und mit Lebensgefahr eine Furth hindurch, uͤberall war das Waſſer zu breit und zu tief, es ſchien nichts uͤbrig zu bleiben, als die Fahrzeuge und Faͤhren um die Spitze dieſer Inſel herbeizuſchaffen, es war die hoͤchſte Gefahr, daß durch den daraus entſtehenden Zeitverluſt 43) Dieß ergiebt ſich aus der ſpaͤtern Angabe, daß die Schlacht- linie des ſchweren Fußvolks ſechstauſend Mann betragen habe, (Ar rian. V. 14. 1.), ſo viel betrugen die Hypaspiſten allein; waͤren beide Phalangen mit uͤbergeſetzt, ſo muͤßten zwoͤlftauſend Mann ge- nannt werden.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/405>, abgerufen am 29.03.2024.