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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Indeß genas Alexander bald; der Angriff auf die Scythen
hatte ganz den erwünschten Erfolg; es kamen Gesandte ihres Kö-
nigs, das Vorgefallene zu entschuldigen, es sei die Nation ohne
Antheil an jenem Zuge, den ein einzelner Haufe beutelüstern auf
eigene Hand unternommen; ihr König bedauere die durch denselben
veranlaßten Verwirrungen; er sei bereit, sich den Befehlen des gro-
ßen Königs zu unterwerfen 50). Alexander antwortete ihnen auf
das Huldreichste, und gab die in dem Gefechte Gefangenen, etwa
150 an der Zahl, zum Zeichen seiner Versöhnung, ohne Lösegeld
frei 51), eine Großmuth, die auf die Gemüther der Barbaren nicht
ihren Eindruck zu machen verfehlte, und die, mit den leuchtenden
Heldenthaten des erobernden Fremdlings vereint, seinem Namen jene
Glorie übermenschlicher Hoheit gaben, an welche die Einfalt roher
Naturvölker eher zu glauben als zu zweifeln geneigt ist. Wie sieben
Jahre früher an der Donau auch unbesiegte Völker ihre Huldigun-
gen darbrachten, so kamen jetzt voll Bewunderung gegen den Helden,
dem selbst die Scythen der Bergsteppen erlegen waren, Gesandte
der Sakischen Scythen, dem Könige Frieden und Freundschaft anzu-
tragen. So waren sämmtliche Völker in der Nachbarschaft von
Alexandria beruhigt und traten zum Reiche in das Verhältniß, mit
welchem Alexander für jetzt sich begnügen mußte, um desto schneller
in Sogdiana erscheinen zu können.

Und allerdings standen die Sachen in Sogdiana sehr gefähr-
lich; dem Aufstande, welcher von Spitamenes und seinem Anhange
begonnen war, hatte sich der sonst friedliche feldbautreibende Theil
der Bevölkerung, vielleicht mehr aus Furcht als aus Neigung 52),

ange-
50) Arrian IV. 5.
51) Curt. VII. 9. 19.
52) Curt.
VII.
6. 24. Diese Angabe ist durch nichts im Arrian widerlegt,
sondern durch einige Andeutungen bestätigt: er sagt IV. 2. "die meisten
Sogdianer" nahmen Antheil, er berichtet, daß Pharnuches "zum Un-
terhandeln" abgeschickt sei. Es scheint damals wie jetzt in dem
Chanat Bochara gewesen zu sein, daß nämlich der größere Theil
der Bevölkerung, friedlich gesinnt und dem Ackerbau und Handel er-
geben, Unterthan eines herrschenden Stammes war. Die Tadjiks
von Bochara, fleißig, gebildet, unkriegerisch, erzählen noch heute:
daß sie seit Iskanders Zeiten dieß Land bewohnen, daß nie einer
aus

Indeß genas Alexander bald; der Angriff auf die Scythen
hatte ganz den erwuͤnſchten Erfolg; es kamen Geſandte ihres Koͤ-
nigs, das Vorgefallene zu entſchuldigen, es ſei die Nation ohne
Antheil an jenem Zuge, den ein einzelner Haufe beuteluͤſtern auf
eigene Hand unternommen; ihr Koͤnig bedauere die durch denſelben
veranlaßten Verwirrungen; er ſei bereit, ſich den Befehlen des gro-
ßen Koͤnigs zu unterwerfen 50). Alexander antwortete ihnen auf
das Huldreichſte, und gab die in dem Gefechte Gefangenen, etwa
150 an der Zahl, zum Zeichen ſeiner Verſoͤhnung, ohne Loͤſegeld
frei 51), eine Großmuth, die auf die Gemuͤther der Barbaren nicht
ihren Eindruck zu machen verfehlte, und die, mit den leuchtenden
Heldenthaten des erobernden Fremdlings vereint, ſeinem Namen jene
Glorie uͤbermenſchlicher Hoheit gaben, an welche die Einfalt roher
Naturvoͤlker eher zu glauben als zu zweifeln geneigt iſt. Wie ſieben
Jahre fruͤher an der Donau auch unbeſiegte Voͤlker ihre Huldigun-
gen darbrachten, ſo kamen jetzt voll Bewunderung gegen den Helden,
dem ſelbſt die Scythen der Bergſteppen erlegen waren, Geſandte
der Sakiſchen Scythen, dem Koͤnige Frieden und Freundſchaft anzu-
tragen. So waren ſaͤmmtliche Voͤlker in der Nachbarſchaft von
Alexandria beruhigt und traten zum Reiche in das Verhaͤltniß, mit
welchem Alexander fuͤr jetzt ſich begnuͤgen mußte, um deſto ſchneller
in Sogdiana erſcheinen zu koͤnnen.

Und allerdings ſtanden die Sachen in Sogdiana ſehr gefaͤhr-
lich; dem Aufſtande, welcher von Spitamenes und ſeinem Anhange
begonnen war, hatte ſich der ſonſt friedliche feldbautreibende Theil
der Bevoͤlkerung, vielleicht mehr aus Furcht als aus Neigung 52),

ange-
50) Arrian IV. 5.
51) Curt. VII. 9. 19.
52) Curt.
VII.
6. 24. Dieſe Angabe iſt durch nichts im Arrian widerlegt,
ſondern durch einige Andeutungen beſtaͤtigt: er ſagt IV. 2. „die meiſten
Sogdianer“ nahmen Antheil, er berichtet, daß Pharnuches „zum Un-
terhandeln“ abgeſchickt ſei. Es ſcheint damals wie jetzt in dem
Chanat Bochara geweſen zu ſein, daß naͤmlich der groͤßere Theil
der Bevoͤlkerung, friedlich geſinnt und dem Ackerbau und Handel er-
geben, Unterthan eines herrſchenden Stammes war. Die Tadjiks
von Bochara, fleißig, gebildet, unkriegeriſch, erzaͤhlen noch heute:
daß ſie ſeit Iskanders Zeiten dieß Land bewohnen, daß nie einer
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[320/0334] Indeß genas Alexander bald; der Angriff auf die Scythen hatte ganz den erwuͤnſchten Erfolg; es kamen Geſandte ihres Koͤ- nigs, das Vorgefallene zu entſchuldigen, es ſei die Nation ohne Antheil an jenem Zuge, den ein einzelner Haufe beuteluͤſtern auf eigene Hand unternommen; ihr Koͤnig bedauere die durch denſelben veranlaßten Verwirrungen; er ſei bereit, ſich den Befehlen des gro- ßen Koͤnigs zu unterwerfen 50). Alexander antwortete ihnen auf das Huldreichſte, und gab die in dem Gefechte Gefangenen, etwa 150 an der Zahl, zum Zeichen ſeiner Verſoͤhnung, ohne Loͤſegeld frei 51), eine Großmuth, die auf die Gemuͤther der Barbaren nicht ihren Eindruck zu machen verfehlte, und die, mit den leuchtenden Heldenthaten des erobernden Fremdlings vereint, ſeinem Namen jene Glorie uͤbermenſchlicher Hoheit gaben, an welche die Einfalt roher Naturvoͤlker eher zu glauben als zu zweifeln geneigt iſt. Wie ſieben Jahre fruͤher an der Donau auch unbeſiegte Voͤlker ihre Huldigun- gen darbrachten, ſo kamen jetzt voll Bewunderung gegen den Helden, dem ſelbſt die Scythen der Bergſteppen erlegen waren, Geſandte der Sakiſchen Scythen, dem Koͤnige Frieden und Freundſchaft anzu- tragen. So waren ſaͤmmtliche Voͤlker in der Nachbarſchaft von Alexandria beruhigt und traten zum Reiche in das Verhaͤltniß, mit welchem Alexander fuͤr jetzt ſich begnuͤgen mußte, um deſto ſchneller in Sogdiana erſcheinen zu koͤnnen. Und allerdings ſtanden die Sachen in Sogdiana ſehr gefaͤhr- lich; dem Aufſtande, welcher von Spitamenes und ſeinem Anhange begonnen war, hatte ſich der ſonſt friedliche feldbautreibende Theil der Bevoͤlkerung, vielleicht mehr aus Furcht als aus Neigung 52), ange- 50) Arrian IV. 5. 51) Curt. VII. 9. 19. 52) Curt. VII. 6. 24. Dieſe Angabe iſt durch nichts im Arrian widerlegt, ſondern durch einige Andeutungen beſtaͤtigt: er ſagt IV. 2. „die meiſten Sogdianer“ nahmen Antheil, er berichtet, daß Pharnuches „zum Un- terhandeln“ abgeſchickt ſei. Es ſcheint damals wie jetzt in dem Chanat Bochara geweſen zu ſein, daß naͤmlich der groͤßere Theil der Bevoͤlkerung, friedlich geſinnt und dem Ackerbau und Handel er- geben, Unterthan eines herrſchenden Stammes war. Die Tadjiks von Bochara, fleißig, gebildet, unkriegeriſch, erzaͤhlen noch heute: daß ſie ſeit Iskanders Zeiten dieß Land bewohnen, daß nie einer aus

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/334>, abgerufen am 25.04.2024.