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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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in Hyrkanien und Parthien, Phrataphernes, den Befehl zukommen,
mit seinen Reuterschaaren zu jenen zu stoßen. Zu gleicher Zeit war
das Hauptheer, mit dem sich bereits die zwei in Ekbatana zurück-
gelassenen Phalangen, von Klitus geführt, so wie fünftausend Griechische
Söldner und vierhundert Reuter 25) vereinigt hatten, aus dem Ara-
chosischen aufgebrochen und unter der strengsten Winterkälte über die
nackten Paßhöhen, welche das Gebiet der Arachosier von dem der
Paropamisaden trennen, gezogen. Alexander fand dies Hochland
stark bevölkert, und obschon jetzt tiefer Schnee die Felder überdeckte,
doch Vorräthe genug in den zahlreichen Dörfern, die ihn freundlich
aufnahmen 26). Die Strenge des Winters zwang ihn einige Zeit
zu rasten, da es für jetzt nicht seine Absicht war, dem Lauf der
Gewässer ostwärts in die wärmeren Thäler des Induslandes hinab
zu folgen, sondern zuvörderst der Usurpator Bessus, der jenseits des
himmelhohen Hindukuhgebirges sich seines Turanischen Königthums
zu sicher glaubte, vernichtet werden mußte.

Aus dem Hochlande von Kabul führen sieben Pässe über das
Gebirge Hindukuh nach dem Stromthale des Oxus; drei von die-
sen führen an den Quellflüssen des Pundschir aufwärts und am
weitesten östlich über den Kamm der Gebirge, diese und noch mehr
die drei nächsten, welche zu den Quellen des Surkab und Anderab
hinabführen, sind vier bis fünf Monate hindurch vom Schnee so
bedeckt, daß man sie nicht passiren kann; man muß dann den west-
lichsten Paß, den von Dundan Shikan, einschlagen, auf dem man mit
etwa sechzig Meilen von Kabul nach Balk gelangt; dieser Weg führt
durch mehrere Bergketten diesseits und jenseits des Hauptgebirges,
und die Thäler zwischen denselben sind an Quellen, an Weide und
Heerden reich, von friedlichen Hirtenstämmen bewohnt 27). Alexander

gehabt hatte, den Oberbefehl über diesen Theil des schwerbewaffneten
Fußvolkes erhalten hatte; offenbar wurde er als Perser besonders zu dieser
Expedition ausersehen.
25) Curt. VII. 3. 4.
26) Strabo XVI. p. 312.
Curtius schildert den Uebergang über dies Plateau von Ghizni mit sehr
starken Uebertreibungen, dennoch findet man viele seiner geographischen
Notizen durch die Angaben Babers, Elphinstons und Anderer bestätigt.
27) Die classische Stelle für diese Paßgegend findet sich in den Me-
moiren des Sultan Baber p. 139; die östlichen Paßgegenden durchzog
Timur, und Chereffeddin schreibt zu Anfang und zu Ende des vierten

in Hyrkanien und Parthien, Phrataphernes, den Befehl zukommen,
mit ſeinen Reuterſchaaren zu jenen zu ſtoßen. Zu gleicher Zeit war
das Hauptheer, mit dem ſich bereits die zwei in Ekbatana zurück-
gelaſſenen Phalangen, von Klitus geführt, ſo wie fünftauſend Griechiſche
Söldner und vierhundert Reuter 25) vereinigt hatten, aus dem Ara-
choſiſchen aufgebrochen und unter der ſtrengſten Winterkälte über die
nackten Paßhöhen, welche das Gebiet der Arachoſier von dem der
Paropamiſaden trennen, gezogen. Alexander fand dies Hochland
ſtark bevölkert, und obſchon jetzt tiefer Schnee die Felder überdeckte,
doch Vorräthe genug in den zahlreichen Dörfern, die ihn freundlich
aufnahmen 26). Die Strenge des Winters zwang ihn einige Zeit
zu raſten, da es für jetzt nicht ſeine Abſicht war, dem Lauf der
Gewäſſer oſtwärts in die wärmeren Thäler des Induslandes hinab
zu folgen, ſondern zuvörderſt der Uſurpator Beſſus, der jenſeits des
himmelhohen Hindukuhgebirges ſich ſeines Turaniſchen Königthums
zu ſicher glaubte, vernichtet werden mußte.

Aus dem Hochlande von Kabul führen ſieben Päſſe über das
Gebirge Hindukuh nach dem Stromthale des Oxus; drei von die-
ſen führen an den Quellflüſſen des Pundſchir aufwärts und am
weiteſten öſtlich über den Kamm der Gebirge, dieſe und noch mehr
die drei nächſten, welche zu den Quellen des Surkab und Anderab
hinabführen, ſind vier bis fünf Monate hindurch vom Schnee ſo
bedeckt, daß man ſie nicht paſſiren kann; man muß dann den weſt-
lichſten Paß, den von Dundan Shikan, einſchlagen, auf dem man mit
etwa ſechzig Meilen von Kabul nach Balk gelangt; dieſer Weg führt
durch mehrere Bergketten dieſſeits und jenſeits des Hauptgebirges,
und die Thäler zwiſchen denſelben ſind an Quellen, an Weide und
Heerden reich, von friedlichen Hirtenſtämmen bewohnt 27). Alexander

gehabt hatte, den Oberbefehl über dieſen Theil des ſchwerbewaffneten
Fußvolkes erhalten hatte; offenbar wurde er als Perſer beſonders zu dieſer
Expedition auserſehen.
25) Curt. VII. 3. 4.
26) Strabo XVI. p. 312.
Curtius ſchildert den Uebergang über dies Plateau von Ghizni mit ſehr
ſtarken Uebertreibungen, dennoch findet man viele ſeiner geographiſchen
Notizen durch die Angaben Babers, Elphinſtons und Anderer beſtätigt.
27) Die claſſiſche Stelle für dieſe Paßgegend findet ſich in den Me-
moiren des Sultan Baber p. 139; die öſtlichen Paßgegenden durchzog
Timur, und Chereffeddin ſchreibt zu Anfang und zu Ende des vierten
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[301/0315] in Hyrkanien und Parthien, Phrataphernes, den Befehl zukommen, mit ſeinen Reuterſchaaren zu jenen zu ſtoßen. Zu gleicher Zeit war das Hauptheer, mit dem ſich bereits die zwei in Ekbatana zurück- gelaſſenen Phalangen, von Klitus geführt, ſo wie fünftauſend Griechiſche Söldner und vierhundert Reuter 25) vereinigt hatten, aus dem Ara- choſiſchen aufgebrochen und unter der ſtrengſten Winterkälte über die nackten Paßhöhen, welche das Gebiet der Arachoſier von dem der Paropamiſaden trennen, gezogen. Alexander fand dies Hochland ſtark bevölkert, und obſchon jetzt tiefer Schnee die Felder überdeckte, doch Vorräthe genug in den zahlreichen Dörfern, die ihn freundlich aufnahmen 26). Die Strenge des Winters zwang ihn einige Zeit zu raſten, da es für jetzt nicht ſeine Abſicht war, dem Lauf der Gewäſſer oſtwärts in die wärmeren Thäler des Induslandes hinab zu folgen, ſondern zuvörderſt der Uſurpator Beſſus, der jenſeits des himmelhohen Hindukuhgebirges ſich ſeines Turaniſchen Königthums zu ſicher glaubte, vernichtet werden mußte. Aus dem Hochlande von Kabul führen ſieben Päſſe über das Gebirge Hindukuh nach dem Stromthale des Oxus; drei von die- ſen führen an den Quellflüſſen des Pundſchir aufwärts und am weiteſten öſtlich über den Kamm der Gebirge, dieſe und noch mehr die drei nächſten, welche zu den Quellen des Surkab und Anderab hinabführen, ſind vier bis fünf Monate hindurch vom Schnee ſo bedeckt, daß man ſie nicht paſſiren kann; man muß dann den weſt- lichſten Paß, den von Dundan Shikan, einſchlagen, auf dem man mit etwa ſechzig Meilen von Kabul nach Balk gelangt; dieſer Weg führt durch mehrere Bergketten dieſſeits und jenſeits des Hauptgebirges, und die Thäler zwiſchen denſelben ſind an Quellen, an Weide und Heerden reich, von friedlichen Hirtenſtämmen bewohnt 27). Alexander 24) 25) Curt. VII. 3. 4. 26) Strabo XVI. p. 312. Curtius ſchildert den Uebergang über dies Plateau von Ghizni mit ſehr ſtarken Uebertreibungen, dennoch findet man viele ſeiner geographiſchen Notizen durch die Angaben Babers, Elphinſtons und Anderer beſtätigt. 27) Die claſſiſche Stelle für dieſe Paßgegend findet ſich in den Me- moiren des Sultan Baber p. 139; die öſtlichen Paßgegenden durchzog Timur, und Chereffeddin ſchreibt zu Anfang und zu Ende des vierten 24) gehabt hatte, den Oberbefehl über dieſen Theil des ſchwerbewaffneten Fußvolkes erhalten hatte; offenbar wurde er als Perſer beſonders zu dieſer Expedition auserſehen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/315>, abgerufen am 29.03.2024.