Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Satibarzanes hatte sich, nachdem seine Empörung im Rücken Alexan-
ders misglückt war, nach Baktrien geflüchtet; ein Unfall, der für
Bessus den großen Vortheil mit sich zu führen schien, daß Alexander,
einmal von dem großen Wege nach Baktrien abgelenkt, wahrschein-
lich die schwer zugänglichen Pässe, die über den Kaukasus nach Tu-
ran führen, meiden, und den Feldzug gegen Baktrien entweder ganz
aufgeben oder wenigstens Zeit zu neuen und größeren Rüstungen lassen,
vielleicht auch einen Einfall nach dem nahen Indien machen werde,
die schönste Gelegenheit, die neuunterworfenen Länder in seinem Rücken
zum Abfall zu reizen. Um seiner Sache desto gewisser zu sein, ließ
Bessus die Gegenden am Nordabhange des Gebirges mehrere Tage-
reisen weit verwüsten, und hoffte so jedes Eindringen eines feind-
lichen Heeres unmöglich zu machen; zugleich übergab er dem Sati-
barzanes, welcher auf die Anhänglichkeit seiner ehemaligen Unter-
thanen in Arien rechnen konnte, etwa zweitausend Reuter, um mit
diesen eine Diversion im Rücken der Macedonier zu machen, die,
wenn sie glückte, den Feind gänzlich abschnitt. In der That fielen
die Arier bei dem Erscheinen ihres ehemaligen Herrn sofort ab und
schlossen sich ihm an, ja der von Alexander eingesetzte Satrap Ar-
sames selbst schien die Empörung zu begünstigen. Auch nach Par-
thien hin sandte Bessus einen seiner Getreuen, Barzanes, um dort
eine Insurrection zu Gunsten des alten Perserthums zu bewirken 23).

Alexander erhielt die Nachricht vom Arischen Aufstande in
Arachosien; sofort sandte er die Reuterei der Bundesgenossen, sechs-
hundert Mann, unter ihren Führern Erigyius und Karanus, so wie
die Griechischen Söldner unter Artabazus, sechstausend Mann, unter
denen auch die in den Kaspischen Pässen übergetretenen unter An-
dronikus waren 24), nach Aria ab, und ließ zugleich dem Satrapen

23) Arrian. III. 29. 10. IV. 7. 2.
24) Die genaueren Angaben
des Curtius (VII. 3. 2.) bestätigen sich durch ihre innere Wahrschein-
lichkeit. Das Contingent der Bundesstaaten beläuft sich auf sechshun-
dert Reuter (Diod. XVII. 17.) und in der Schlacht von Arbela ist es
zwischen Erigyius und Koiranus (wahrscheinlich Karanus) getheilt
(Arrian. III. 12. 7.); Andronikus führte die Griechischen Söldner, die
früher bei Darius waren, etwa funfzehnhundert an der Zahl; und es
ist nicht unglaublich, daß Artabazus, den Alexander so hoch ehrte und
welcher so oft in seinem Leben mit Griechischen Soldtruppen zu thun

Satibarzanes hatte ſich, nachdem ſeine Empörung im Rücken Alexan-
ders misglückt war, nach Baktrien geflüchtet; ein Unfall, der für
Beſſus den großen Vortheil mit ſich zu führen ſchien, daß Alexander,
einmal von dem großen Wege nach Baktrien abgelenkt, wahrſchein-
lich die ſchwer zugänglichen Päſſe, die über den Kaukaſus nach Tu-
ran führen, meiden, und den Feldzug gegen Baktrien entweder ganz
aufgeben oder wenigſtens Zeit zu neuen und größeren Rüſtungen laſſen,
vielleicht auch einen Einfall nach dem nahen Indien machen werde,
die ſchönſte Gelegenheit, die neuunterworfenen Länder in ſeinem Rücken
zum Abfall zu reizen. Um ſeiner Sache deſto gewiſſer zu ſein, ließ
Beſſus die Gegenden am Nordabhange des Gebirges mehrere Tage-
reiſen weit verwüſten, und hoffte ſo jedes Eindringen eines feind-
lichen Heeres unmöglich zu machen; zugleich übergab er dem Sati-
barzanes, welcher auf die Anhänglichkeit ſeiner ehemaligen Unter-
thanen in Arien rechnen konnte, etwa zweitauſend Reuter, um mit
dieſen eine Diverſion im Rücken der Macedonier zu machen, die,
wenn ſie glückte, den Feind gänzlich abſchnitt. In der That fielen
die Arier bei dem Erſcheinen ihres ehemaligen Herrn ſofort ab und
ſchloſſen ſich ihm an, ja der von Alexander eingeſetzte Satrap Ar-
ſames ſelbſt ſchien die Empörung zu begünſtigen. Auch nach Par-
thien hin ſandte Beſſus einen ſeiner Getreuen, Barzanes, um dort
eine Inſurrection zu Gunſten des alten Perſerthums zu bewirken 23).

Alexander erhielt die Nachricht vom Ariſchen Aufſtande in
Arachoſien; ſofort ſandte er die Reuterei der Bundesgenoſſen, ſechs-
hundert Mann, unter ihren Führern Erigyius und Karanus, ſo wie
die Griechiſchen Söldner unter Artabazus, ſechstauſend Mann, unter
denen auch die in den Kaspiſchen Päſſen übergetretenen unter An-
dronikus waren 24), nach Aria ab, und ließ zugleich dem Satrapen

23) Arrian. III. 29. 10. IV. 7. 2.
24) Die genaueren Angaben
des Curtius (VII. 3. 2.) beſtätigen ſich durch ihre innere Wahrſchein-
lichkeit. Das Contingent der Bundesſtaaten beläuft ſich auf ſechshun-
dert Reuter (Diod. XVII. 17.) und in der Schlacht von Arbela iſt es
zwiſchen Erigyius und Koiranus (wahrſcheinlich Karanus) getheilt
(Arrian. III. 12. 7.); Andronikus führte die Griechiſchen Söldner, die
früher bei Darius waren, etwa funfzehnhundert an der Zahl; und es
iſt nicht unglaublich, daß Artabazus, den Alexander ſo hoch ehrte und
welcher ſo oft in ſeinem Leben mit Griechiſchen Soldtruppen zu thun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="300"/>
Satibarzanes hatte &#x017F;ich, nachdem &#x017F;eine Empörung im Rücken Alexan-<lb/>
ders misglückt war, nach Baktrien geflüchtet; ein Unfall, der für<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;us den großen Vortheil mit &#x017F;ich zu führen &#x017F;chien, daß Alexander,<lb/>
einmal von dem großen Wege nach Baktrien abgelenkt, wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich die &#x017F;chwer zugänglichen Pä&#x017F;&#x017F;e, die über den Kauka&#x017F;us nach Tu-<lb/>
ran führen, meiden, und den Feldzug gegen Baktrien entweder ganz<lb/>
aufgeben oder wenig&#x017F;tens Zeit zu neuen und größeren Rü&#x017F;tungen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
vielleicht auch einen Einfall nach dem nahen Indien machen werde,<lb/>
die &#x017F;chön&#x017F;te Gelegenheit, die neuunterworfenen Länder in &#x017F;einem Rücken<lb/>
zum Abfall zu reizen. Um &#x017F;einer Sache de&#x017F;to gewi&#x017F;&#x017F;er zu &#x017F;ein, ließ<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;us die Gegenden am Nordabhange des Gebirges mehrere Tage-<lb/>
rei&#x017F;en weit verwü&#x017F;ten, und hoffte &#x017F;o jedes Eindringen eines feind-<lb/>
lichen Heeres unmöglich zu machen; zugleich übergab er dem Sati-<lb/>
barzanes, welcher auf die Anhänglichkeit &#x017F;einer ehemaligen Unter-<lb/>
thanen in Arien rechnen konnte, etwa zweitau&#x017F;end Reuter, um mit<lb/>
die&#x017F;en eine Diver&#x017F;ion im Rücken der Macedonier zu machen, die,<lb/>
wenn &#x017F;ie glückte, den Feind gänzlich ab&#x017F;chnitt. In der That fielen<lb/>
die Arier bei dem Er&#x017F;cheinen ihres ehemaligen Herrn &#x017F;ofort ab und<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ihm an, ja der von Alexander einge&#x017F;etzte Satrap Ar-<lb/>
&#x017F;ames &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chien die Empörung zu begün&#x017F;tigen. Auch nach Par-<lb/>
thien hin &#x017F;andte Be&#x017F;&#x017F;us einen &#x017F;einer Getreuen, Barzanes, um dort<lb/>
eine In&#x017F;urrection zu Gun&#x017F;ten des alten Per&#x017F;erthums zu bewirken <note place="foot" n="23)"><hi rendition="#aq">Arrian. III. 29. 10. IV. 7. 2.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Alexander erhielt die Nachricht vom Ari&#x017F;chen Auf&#x017F;tande in<lb/>
Aracho&#x017F;ien; &#x017F;ofort &#x017F;andte er die Reuterei der Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;echs-<lb/>
hundert Mann, unter ihren Führern Erigyius und Karanus, &#x017F;o wie<lb/>
die Griechi&#x017F;chen Söldner unter Artabazus, &#x017F;echstau&#x017F;end Mann, unter<lb/>
denen auch die in den Kaspi&#x017F;chen Pä&#x017F;&#x017F;en übergetretenen unter An-<lb/>
dronikus waren <note xml:id="note-0314" next="#note-0315" place="foot" n="24)">Die genaueren Angaben<lb/>
des Curtius (<hi rendition="#aq">VII.</hi> 3. 2.) be&#x017F;tätigen &#x017F;ich durch ihre innere Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeit. Das Contingent der Bundes&#x017F;taaten beläuft &#x017F;ich auf &#x017F;echshun-<lb/>
dert Reuter (<hi rendition="#aq">Diod. XVII.</hi> 17.) und in der Schlacht von Arbela i&#x017F;t es<lb/>
zwi&#x017F;chen Erigyius und Koiranus (wahr&#x017F;cheinlich Karanus) getheilt<lb/>
(<hi rendition="#aq">Arrian. III.</hi> 12. 7.); Andronikus führte die Griechi&#x017F;chen Söldner, die<lb/>
früher bei Darius waren, etwa funfzehnhundert an der Zahl; und es<lb/>
i&#x017F;t nicht unglaublich, daß Artabazus, den Alexander &#x017F;o hoch ehrte und<lb/>
welcher &#x017F;o oft in &#x017F;einem Leben mit Griechi&#x017F;chen Soldtruppen zu thun</note>, nach Aria ab, und ließ zugleich dem Satrapen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0314] Satibarzanes hatte ſich, nachdem ſeine Empörung im Rücken Alexan- ders misglückt war, nach Baktrien geflüchtet; ein Unfall, der für Beſſus den großen Vortheil mit ſich zu führen ſchien, daß Alexander, einmal von dem großen Wege nach Baktrien abgelenkt, wahrſchein- lich die ſchwer zugänglichen Päſſe, die über den Kaukaſus nach Tu- ran führen, meiden, und den Feldzug gegen Baktrien entweder ganz aufgeben oder wenigſtens Zeit zu neuen und größeren Rüſtungen laſſen, vielleicht auch einen Einfall nach dem nahen Indien machen werde, die ſchönſte Gelegenheit, die neuunterworfenen Länder in ſeinem Rücken zum Abfall zu reizen. Um ſeiner Sache deſto gewiſſer zu ſein, ließ Beſſus die Gegenden am Nordabhange des Gebirges mehrere Tage- reiſen weit verwüſten, und hoffte ſo jedes Eindringen eines feind- lichen Heeres unmöglich zu machen; zugleich übergab er dem Sati- barzanes, welcher auf die Anhänglichkeit ſeiner ehemaligen Unter- thanen in Arien rechnen konnte, etwa zweitauſend Reuter, um mit dieſen eine Diverſion im Rücken der Macedonier zu machen, die, wenn ſie glückte, den Feind gänzlich abſchnitt. In der That fielen die Arier bei dem Erſcheinen ihres ehemaligen Herrn ſofort ab und ſchloſſen ſich ihm an, ja der von Alexander eingeſetzte Satrap Ar- ſames ſelbſt ſchien die Empörung zu begünſtigen. Auch nach Par- thien hin ſandte Beſſus einen ſeiner Getreuen, Barzanes, um dort eine Inſurrection zu Gunſten des alten Perſerthums zu bewirken 23). Alexander erhielt die Nachricht vom Ariſchen Aufſtande in Arachoſien; ſofort ſandte er die Reuterei der Bundesgenoſſen, ſechs- hundert Mann, unter ihren Führern Erigyius und Karanus, ſo wie die Griechiſchen Söldner unter Artabazus, ſechstauſend Mann, unter denen auch die in den Kaspiſchen Päſſen übergetretenen unter An- dronikus waren 24), nach Aria ab, und ließ zugleich dem Satrapen 23) Arrian. III. 29. 10. IV. 7. 2. 24) Die genaueren Angaben des Curtius (VII. 3. 2.) beſtätigen ſich durch ihre innere Wahrſchein- lichkeit. Das Contingent der Bundesſtaaten beläuft ſich auf ſechshun- dert Reuter (Diod. XVII. 17.) und in der Schlacht von Arbela iſt es zwiſchen Erigyius und Koiranus (wahrſcheinlich Karanus) getheilt (Arrian. III. 12. 7.); Andronikus führte die Griechiſchen Söldner, die früher bei Darius waren, etwa funfzehnhundert an der Zahl; und es iſt nicht unglaublich, daß Artabazus, den Alexander ſo hoch ehrte und welcher ſo oft in ſeinem Leben mit Griechiſchen Soldtruppen zu thun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/314
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/314>, abgerufen am 16.04.2024.